Sie bekommen niemals eine zweite Chance für den ersten Eindruck

15.03.1996
MÜNCHEN: In einer neuen ComputerPartner-Serie beleuchtet Cemal Osmanovic* wichtige Erfolgsfaktoren in Marketing und Vertrieb. In dieser ersten Folge stellt er heraus, wie entscheidend der erste Endruck für den Verlauf eines Verkaufsgesprächs ist.Herr Sonnenschein ist Starverkäufer einer mittelmäßig erfolgreichen EDV-Unternehmung, der Competentia Computer GmbH. Herr Sonnenschein hat heute einen wichtigen Termin bei einem Interessenten für ein komplexes Netzwerk. Er ist gut vorbereitet und bester Dinge, als er die Firma des Interessenten betritt.

MÜNCHEN: In einer neuen ComputerPartner-Serie beleuchtet Cemal Osmanovic* wichtige Erfolgsfaktoren in Marketing und Vertrieb. In dieser ersten Folge stellt er heraus, wie entscheidend der erste Endruck für den Verlauf eines Verkaufsgesprächs ist.Herr Sonnenschein ist Starverkäufer einer mittelmäßig erfolgreichen EDV-Unternehmung, der Competentia Computer GmbH. Herr Sonnenschein hat heute einen wichtigen Termin bei einem Interessenten für ein komplexes Netzwerk. Er ist gut vorbereitet und bester Dinge, als er die Firma des Interessenten betritt.

In den ersten fünf Minuten hat er Kontakt zu zwei Personen - Frau Liebreiz, die Sekretärin des Chefs, und Herrn Resoluto, dem EDV-Leiter.

Frau Liebreiz holt Herrn Sonnenschein am Aufzug ab, die Tür öffnet sich. Frau Liebreiz sieht Herrn Sonnenschein und analysiert (unterbewußt!) sofort. Sie mag absolut keine Spargeltarzane und registriert: sportliche Figur, grauer Anzug mit Weste, saubere Schuhe - aha, modisch gekleidet. Herr Sonnenschein geht offen auf sie zu und lächelt beim Händedruck. "Na", denkt sie, "der lächelt aber freundlich!" Unter dem Strich steht bei ihr sehr schnell: Dieser Herr Sonnenschein von der Computerfirma Competentia, das ist ein netter Kerl!

Bei Herrn Resoluto, dem EDV-Leiter läuft es etwas anders ab. Herr Resoluto ist wieder einmal schwer im Streß, als ihm auch noch der Besuch von Herrn Sonnenschein gemeldet wird. Nun, es muß leider sein, also Schreibtisch schnell leerräumen und umdenken. Da kommt er auch schon, chauffiert von Frau Liebreiz, zur Tür herein. Auch Herr Resoluto analysiert (spielt sich ebenfalls vollkommen im Unterbewußten ab) sofort. Etwas rund geraten ist dieser Herr Sonnenschein schon, genaugenommen sogar eher fett. Und dieser unmögliche Anzug, mein Gott, was ist denn das für ein eingebildeter Fatzke! Herr Sonnenschein geht strahlend auf Herrn Resoluto zu und dieser denkt: "Was grinst der mich eigentlich so dämlich an, wir kennen uns ja noch gar nicht!" Das Resultat dieser Wahrnehmungen: Dieser Herr Sonnenschein von der Computerfirma Competentia, das ist ein geradezu unmöglicher Mensch!

Fazit: Der erste Eindruck ein und derselben Person an ein und demselben Tag ist auf zwei verschiedene Menschen völlig unterschiedlich.

Bei Frau Liebreiz hat es Herr Sonnenschein heute leicht, hier braucht er keine Verkaufstricks oder rhetorische Klimmzüge. Ihr könnte Herr Sonnenschein heute alles verkaufen, wenn er sich nicht gerade zu dumm anstellt.

Bei Herrn Resoluto kann sich Herr Sonnenschein heute anstrengen wie er will, hier müßten Leistung und Preis zu 130 Prozent überzeugen, damit ein Kauf überhaupt auch nur in Erwägung gezogen würde.

Und das fatale an der Sache ist, daß diese positive oder negative Grundeinstellung einem Menschen gegenüber in gerade einmal sieben Sekunden getroffen wird. Die Vorentscheidung, ob ein Geschäft überhaupt zustande kommen kann, ist in sieben Sekunden grundsätzlich gefällt.

Was ist dafür verantwortlich, daß wir einen Menschen so schnell beurteilen, welche Faktoren sind für den berühmten ersten Eindruck ausschlaggebend?

1. Kleidung

95 Prozent der Fläche eines Menschen, die wir sehen, ist seine Kleidung. Das bißchen Kopf und Hände, die aus der Kleidung herausschauen, sind fast schon vernachlässigbar. Die dem Anlaß entprechende Kleidung bestimmt im wesentlichen den Eindruck, den eine bestimmte Person auf einen anderen Menschen ausübt. Jeder Mensch trägt eine bestimmte Erwartung mit sich, wie sein Gegenüber in einer bestimmten Situation gekleidet sein muß.

Stimmt die Wirklichkeit nicht mit der Erwartung überein, empfindet der Gesprächspartner dies als Regel- beziehungsweise Normenverstoß.

Beispiel: Wenn ein Bankdirektor einen Geschäftskunden nicht wie allgemein üblich im seriösen Anzug, sondern in Bermudashorts empfängt, dann entspricht das absolut nicht dem Programm im Kopf des Kunden, wie ein Bankdirektor auszusehen hat. Ein Arzt, der statt seines weißen Kittels ein Muskelshirt und eine zerrissene Jeans trägt, wird bei den wenigsten Patienten auf die für eine Behandlung nötige Vertrauensbasis stoßen.

Regel: Ein Bankdirektor muß wie ein Bankdirektor, ein Arzt wie ein Arzt, und ein erfolgreicher Verkäufer muß wie ein erfolgreicher Verkäufer aussehen.

2. Stimme

Die Bedeutung der Stimme ist ebenfalls von hoher Bedeutung für die Entwicklung von Sympathie. Für das menschliche Ohr ist eine tiefe Stimme angenehmer als eine hohe. Auch die Sprechgeschwindigkeit ist wichtig. Zu langsames Reden läßt Langeweile aufkommen. Zu schnelles Sprechen überfordert den Gesprächspartner. Mit gezieltem täglichen Stimmübungen läßt sich eine Stimme trainieren und im Laufe der Zeit um einige Töne niedriger machen.

3. Augen

Die Augen sind bekanntlich das Fenster zur Seele. Ein Mensch, der einem Augenkontakt nicht über einen kurzen Zeitraum standhalten kann, erweckt den Anschein eines geringen Selbstbewußtseins und von Unsicherheit. Gerade am Anfang eines Kontaktes ist das gegenseitige "Beschnüffeln" mit den Augen ein wichtiger Bestandteil der Erstanalyse. Auch hier gilt es, sich im Rahmen der Erwartungen des Gesprächspartners zu verhalten. Wer zum Beispiel seinem Gegenüber mit Stierblick lange Zeit direkt in die Augen schaut, wird als aufdringlich empfunden und ruft Ablehnung hervor.

4. Händedruck

Das ist ein heikles Thema. Da gibt es Menschen, die ihrem Gegenüber ihre Kraft beweisen müssen und ihm die Hand fast zerquetschen. Das ist keine Dynamik, das ist reine Aggression. Auch das "Abschütteln" einer Hand ist sehr beliebt, aber völlig fehl am Platz. Wieder andere nehmen die angebotene Hand gar nicht an, sondern reichen ihre nur. Das ist glatter Liebesentzug!

5. Die Körpersprache - Gestik, Haltung, Mimik

Ein altes Sprichwort sagt: "Die Zunge kann lügen, der Körper nie!" Ob eine Person überzeugend auftritt oder nicht, hängt großem Maße von der Stärke ihrer Persönlichkeit ab. Diese wiederum spiegelt sich, ohne daß sich dies bewußt steuern läßt, in der Körpersprache wider.

Daher macht es kaum Sinn, die Regeln der Körpersprache auswendig zu lernen. Jeder Mensch schaltet ganz automatisch, ohne daß er es verhindern kann, sehr schnell wieder "auf ehrlich" um. Viel sinnvoller ist es, an der Wurzel zu arbeiten. Ein Mensch hat heutzutage geradezu die Pflicht, an seiner Persönlichkeit zu arbeiten. Es wäre für viele Menschen keine schlechte Investition, einmal ein Persönlichkeitsseminar zu besuchen. Ein dickes Auto leistet hier erheblich weniger.

6. Resümee

Ein Mensch nimmt unterbewußt pro Sekunde etwa 70.000 Einzelinformationen auf. Alles, jede Kleinigkeit, wird im Unterbewußtsein gespeichert und ist zum Beispiel unter Hypnose wieder abrufbar. Natürlich ist uns nur ein ganz kleiner Teil davon bewußt, aber die Summe dieser Einzelheiten prägt das Bild, das man sich von seinem Gegenüber macht.

Dieses Bild läßt sich nur zum Positiven korrigieren, wenn man auf sein Äußeres achtet und an seiner Persönlichkeit arbeitet. Kurzfristige Wunder sollte freilich niemand erwarten. Es handelt sich hierbei um einen immerwährenden Vorgang, der einen sein ganzes Berufsleben über begleitet.

Natürlich ist ein erster negativer Eindruck korrigierbar, aber dafür muß man eine unheimlich große Energie aufwenden.

Und selbst dann ist es sehr sehr schwer, vorausgesetzt, man bekommt überhaupt eine Chance dazu.

*Cemal Osmanovic ist Leiter der EDV-Unit bei der Inline Unternehmensberatung GmbH in Gochsheim.

Zur Startseite