Siebel kämpft um seine Vormachtstellung im Customer-Relatinonship-Management

18.04.2002
ERP-Hersteller machen dem bislang unangefochtenen CRM-Marktführer Siebel Systems das Leben schwer. Mit einem Universal Application Network und neuen Vertriebs-Allianzen wollen die Kalifornier jetzt wieder Boden gut machen.

Wir brauchen mehr Umsatz", donnerte Richard Gorman, Senior Vice President Products, auf der Siebel European User Week in die Mikrofone. Allerdings nur beim Sound-Check vor der Pressekonferenz, die im Rahmen der Anwenderkonferenz des CRM-Herstellers in Barcelona stattfand. Vor der versammelten europäischen Journaille stellte Tom Siebel, CEO bei Siebel Systems, klar: "Wir führen den Markt für CRM-Software an."

IBM und Siebel schnüren Mittelstands-Bundle

Doch auch der Gründer des kalifornischen CRM-Spezialisten weiß, dass sein Unternehmen neue Märkte erschließen muss, wenn das so bleiben soll. Die Gartner-Tochtergesellschaft Dataquest warnt bereits vor einer langsamer wachsenden Nachfrage großer Unternehmen nach CRM-Lösungen. Das größte Wachstum werde aus dem Segment kleinerer und mittlerer Firmen kommen. Aber während Siebel zahlreiche Branchen-lösungen für vertikale Märkte entwickelt, fristet das Segment Mittelstand vor allem in Europa ein Schattendasein. "Bislang haben wird diese Klientel wenig penetriert", gibt Tom Siebel zu.

Doch das soll sich ändern: "Mittelständische Unternehmen sind ein interessanter Markt für uns", betont der Unternehmensgründer. Da von den drei gestarteten Vertriebspartnern der Siebel Midmarket Edition in Deutschland, Microsoft/Greatplains, Navision und J.D. Edwards, aber de facto nur noch die Geschäftseinheit der Redmonder und, wie Branchenkenner berichten, aufgrund alter Distributionsverträge Evosoft aus Nürnberg, verblieben sind, suchen die Kalifornier jetzt nach neuen Allianzen, um das Mittelstandsgeschäft anzukurbeln.

Eine Möglichkeit wäre der Business-Partner-Channel von IBM. "Wir wollen den IBM-Vertriebskanal nutzen", erklärt Steve Garnett, Vice President Alliances bei Siebel. Die Kalifornier unterhalten seit langem eine weltweite strategische Partnerschaft mit Big Blue. Die Professional-Services-Abteilung des IT-Giganten implementiert die Lösungen von Siebel, und deren CRM-Software läuft sowohl auf den Großrechnern der "IBM Z-Series" als auch auf den vor allem im Mittelstand eingesetzten "I-Series-Servern" (ehemals AS/400). Jetzt geht die Partnerschaft einen Schritt weiter: Ein Produkt-Bundle mit Siebel-Lösungen auf I-Series ist seit Anfang Januar in englischer Sprache verfügbar und soll bald auch in Deutschland angeboten werden.

Doch IBM will sich nicht ganz vor den Karren des CRM-Herstellers spannen lassen: "Wir sind kein Siebel-Händler. Das Lizenzgeschäft machen die Kalifornier", stellt Uwe Johannes Boettcher, Manager of Siebel Alliance Emea, klar. Vor allem die Midmarket Edition des CRM-Herstellers sei momentan kein Thema für IBM. "Obwohl das von der technischen Seite kein Problem wäre", wie Franz von Proff, Siebel Alliances-Manager Central Europe, betont.

Integration versus Funktionalität

Aber neue Absatzwege alleine sichern nicht den Platz an der Sonne. Der Gründer des kalifornischen CRM-Spezialisten weiß um die Schwachstellen seines Unternehmens im Kampf gegen die wachsenden Begehrlichkeiten der ERP-Hersteller im CRM-Geschäft: Wäh- rend Softwareanbieter wie SAP, Peoplesoft, J.D. Edwards oder Oracle ihre CRM-Lösungen tief in ihre eigenen Supply-Chain-Management- oder Enterprise-Resource-Planning-Anwendungen integrieren können, muss der Best-ofBreed-Verfechter Siebel immer den Umweg über Schnittstellen gehen.

Jetzt soll sich die Integration der Siebel-Software in Anwendungen anderer Hersteller entscheidend vereinfachen. In einer Koalition mit Anbietern von EnterpriseApplication-Integration (EAI)-Toolsund großen IT-Consultants entwickelten die Kalifornier eine Universal Networking Architecture. Zu den beteiligten EAI-Herstellern gehören IBM/Crossworld, Seebeyond, Tibco, Vitria und Webmethods. Von den Systemintegratoren bekennen sich Cap Gemini Ernst & Young, Accenture, IBM Global Services und KPMG Consulting zum Network. Das Siebel Ap-plication Network basiert auf Webservices und XML-Standards und besteht aus drei Hauptkomponenten. Dazu gehört die Business Pro-cess Library, die vordefinierte, von der Applikation unabhängige Geschäftsprozesse umfasst. Ein gra- fisches Design-Tool, mit dem Anwender Geschäftsprozesse abbilden können, und ein Integration Server, der die Kommunikation unter den einzelnen Anwendungen koordiniert, zählen ebenfalls dazu. Eric Austvold vom IT-Analyse-Unternehmen AMR Research sieht die Vorgehensweise von Siebel als innovativ und kundenfreundlich an. Die Hauptbedenken der von dem IT-Analysten befragten Klienten beim Softwarekauf seien unübersehbare und ausufernde Integ-rationskosten sowie die fehlende Bereitschaft der Anwendungsentwickler, diese Problematik zu beheben. Die von AMR befragten Chief Information Officer wünschten sich Standards für die Integration der Anwendungen, und einen Rückgang von proprietären Schnittstellen. Die Universal Networking Architecture soll laut Siebel im Sommer 2002 verfügbar sein.

ComputerPartner Meinung:

Der auf die I-Series-Klientel fokussierte ERP-Hersteller J.D. Edwards hat sein Vertriebsabkommen für die Midmarket Editon im vergangenen Jahr gekündigt, und Navision ist auf dem Absprung. Marktforscher Forrester prognostiziert, dass Greatplains die Vertriebspartnerschaft für die Mittelstandslösung von Siebel im Jahr 2004 einstellen wird. Erschließen sich die Kalifornier keine neuen Absatzwege für ihre Midmarket-Edition, dürfte ihnen zumindest in Deutschland das Wasser im Mittelstand gänzlich abgegraben werden. Wer in dem Marktsegment erfolgreich sein möchte, muss dessen Anforderungen erfüllen. Ein dediziertes Produkt und ein qualifizierter Vertriebskanal mit einer sauberen Channel-Politik sind die Voraussetzungen. Navision macht es seit langem vor, und auch SAP hat jetzt erkannt, dass IT-Hersteller nur auf diese Weise erfolgreich ihre Produkte auf den SMB-Markt bringen können. (hei)

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