Sieben sichere Methoden zur Beschleunigung des Fachhandelssterbens

10.10.1997
MÜNCHEN: Aufgrund seines gelungenen Auftritts im Vorjahr hatte die Comteam GmbH & Co. KG auch für den diesjährigen Jahreskongreß Anfang September in München wieder Hans-Georg Häusel, Geschäftsführer der ortsansässigen Nymphenburg-Gruppe verpflichtet. Diesmal sprach der Handelsspezialist über "Sieben sichere Methoden zur Beschleunigung des Computerfachhandelssterbens". Was für die Lebendigkeit des Vortrags von Vorteil war, ist für ComputerPartner ein Nachteil: Häusel sprach ohne schriftliches Konzept, das wir hier gerne im Original abgedruckt hätten. Insofern handelt es sich bei dem folgenden Beitrag um eine Rekonstruktion seiner Thesen.

MÜNCHEN: Aufgrund seines gelungenen Auftritts im Vorjahr hatte die Comteam GmbH & Co. KG auch für den diesjährigen Jahreskongreß Anfang September in München wieder Hans-Georg Häusel, Geschäftsführer der ortsansässigen Nymphenburg-Gruppe verpflichtet. Diesmal sprach der Handelsspezialist über "Sieben sichere Methoden zur Beschleunigung des Computerfachhandelssterbens". Was für die Lebendigkeit des Vortrags von Vorteil war, ist für ComputerPartner ein Nachteil: Häusel sprach ohne schriftliches Konzept, das wir hier gerne im Original abgedruckt hätten. Insofern handelt es sich bei dem folgenden Beitrag um eine Rekonstruktion seiner Thesen.

1. Methode zur Beschleunigung des Fachhandelssterbens: Genießen Sie Ihre romantische Fachhandelsader und pflegen Sie alte Fachhandels-Traditionen

Wer weiterhin alles beim alten läßt, hat nach Meinung von Häusel in Zukunft schlechte Karten. Der Nymphenburg-Geschäftsführer leitete seinen Vortrag mit einigen Zahlen von Marktforschungsunternehmen ein, die aus Sicht des Fachhandels alles andere als frohgemut stimmen. Beispiel Einkommensentwicklung:

Nach einer Vorhersage des Hauptverbands des deutschen Einzelhandels (HDE) wird das real verfügbare Einkommen der deutschen Bevölkerung in den kommenden Jahren kaum ansteigen. Nachdem es 1995 bei rund 2.232 Milliarden Mark lag, wird es bis zum Jahr 2000 auf lediglich 2.346 Milliarden Mark ansteigen. Ein absoluter Zuwachs um lediglich 5,1 Prozent. Und im Jahr 2010 liegt das verfügbare Einkommen der Prognose zufolge auch nur bei 2.540 Milliarden Mark. Das bedeutet über die 15 Jahre hinweg eine durchschnittliche jährliche Steiergung von nicht einmal ein Prozent.

Sind diese Zahlen schon nicht dazu angetan, Freude aufkommen zu lassen, so wird die Veränderung der Marktbedeutung des Fachhandels im Verhältnis zu den übrigen Handelsformen noch weitere Sorgenfalten auf die Stirn der Händler treiben. Die BBE Unternehmensberatung in Köln geht nämlich davon aus, daß der Marktanteil des Fachhandels von heute 34 Prozent in den nächsten Jahren um fast die Hälfte zusammenschmilzt, nämlich auf 18 Prozent.

Gewinner werden über fast alle Marktsegmente hinweg die Discounter sein. Im Lebensmittelbereich werden sie ihren Anteil nach Angaben des HDE von heute 30 auf 40 Prozent, im Unterhaltungselektronikbereich von 28 auf 50 Prozent und im PC-Markt von gegenwärtig 27 Prozent auf 45 Prozent ausweiten. Gewinner Nummer zwei sind nach HDE-Prognose die Filialsysteme, die ihren schon heute großen Marktanteil von 45 Prozent auf 60 Prozent weiter ausweiten werden.

Welche Chance hat der Computerfachhandel vor diesem Szenario? Ein Wundermittel hatte natürlich auch Häusel nicht mitgebracht. Er appellierte daran, die Kompetenz des Fachhandels weiter auszubauen. Diese Kompetenz ist sicher nicht der Preis, sondern der Service, die Abläufe vor der Kasse, die Mitarbeitermotivation und die Nähe zum Kunden. Die Schwächen, nämlich alle unsichtbaren Handelsprozesse sowie die Kosten, müssen abgebaut werden, und zwar durch "Delegation". Was das heißt, folgt weiter unten.

2. Methode zur Beschleunigung des Fachhandelssterbens: Kämpfen Sie stets alleine. Mit Mut und Selbstvertrauen gewinnen Sie jeden Kampf.

Auch hier griff Häusel zu der bewährten Methode, erst einmal das Problem drastisch zu schildern. Welche Chance hat der einzelne PC-Fachhändler, gegen solche Giganten wie den Media-Markt zu bestehen? Wenn man sich einmal die Werbeausgaben von Media-Markt vor Augen führt, kann man schon einmal ins Grübeln kommen. Sage und schreibe 145 Millionen Mark pumpte Media-Markt 1996 in den Werbeauftritt. Davon 35 Prozent, also mehr als 50 Millionen Mark, in den Computer-Bereich. 50 Millionen - das ist der Umsatz von 20 bis 30 guten PC-Fachhändlen.

Nicht zu vergessen die rund 7.000 UE-Fachhändler, denen es aufgrund ihres problematischen Stammgeschäfts alles andere als rosig geht und die mit ihren starken Kooperationen im Rücken (Interfunk, Ruefach, Electronic Partner etc.) ebenfalls in den PC-Markt drängen.

Vor diesem Hintergrund schmelzen die Überlebenschancen der Einzelkämpfer auch im PC-Markt, so Häusel. Seinen Ausführungen zufolge wird der Marktanteil des nicht kooperierenden Fachhandels von heute auch nicht berauschenden zwölf Prozent bis zum Jahr 2010 auf nur noch ein Prozent eindampfen. Ein Prozent ist nichts! Auch die Fachhändler, die in einer losen Kooperation verbunden sind, werden verlieren; ihr Marktanteil wird von heute 17 auf dann nur noch neun Prozent zurückgehen. Lediglich die Fachhändler in einer System-Kooperation werden leicht zulegen - von fünf auf acht Prozent.

Die Mitgliedschaft in einer Kooperation ist zwar kein Garant dafür, daß der einzelne Fachhändler auch morgen noch am Markt ist. Aber der Fachhändler, der keine Kooperation hinter sich hat, hat auf jeden Fall die geringsten Überlebenschancen. Die Kooperation, so läßt sich Häusels Statement zusammenfassen, ist zwar nicht eine hinreichende Bedingung, um auch morgen noch erfolgreich am Markt zu operieren. Aber sie ist eine notwendige Bedingung. "Jede Form von Individualismus kostet Geld und bringt keine Vorteile", erklärt der Unternehmensberater.

3. Methode zur Beschleunigung des Fachhandelssterbens: Kämpfen Sie mit alten Waffen und Methoden. Beschränken Sie Ihre Kooperation auf den Einkauf.

Eine noch immer große Schwäche des Fachhandels liegt nach Beobachtung Häusels im kaufmännischen Bereich. Dringend erforderlich ist hier eine vehemente Professionalisierung. Sei es im

- Warenprozeß-Management (Optimierung unter anderem der Bestell- und Kontroll-Prozesse wie Lieferscheine und Rechnungen),

- Warenwirtschaft-Management (Inventur),

- Info-Management (Trends, welche Produkte verkaufen sich gut, Werbeaktionen der Hersteller, betriebswirtschaftliche Kennzahlen im Vergleich,

- Sortiments-Management (Sortimentsbildung und Gestaltung, Regal- und Flächenoptimierung),

- Marketing-Management (Positionierung, Werbung und Verkaufsförderung),

- Service-Management (zielgruppenorientierte Dienstleistungspakete),

- Mitarbeiter-Management (Auswahl, Qualifizierung, Führung),

- Facility-Management (Verkaufsraum-Gestaltung, Abteilungsplanung),

- Finanz-Management (Bankabwicklung, Finanzierung, Versicherung).

In all diesen Bereichen operieren die Großflächenvermarkter und Filialisten erheblich professioneller als der einzelne Fachhändler. Die Konsequenz daraus ist ein Kostenvorteil dieser Handelsform gegenüber dem Fachhandel von fünf bis acht Prozent!

4. Methode zur Beschleunigung des Fachhandelssterbens: Legen Sie auf Äußerlichkeiten keinen Wert. Es kommt einzig und allein auf die inneren Werte an.

Wer glaubt, auf Äußerlichkeiten keinen Wert legen zu müssen, liegt falsch", stellt Häusel fest. Der Grund liegt darin, daß der Mensch ein "Augentier" ist. Von 100 Prozent Information werden lediglich fünf Prozent im Kurzzeit- und nur ein Prozent im Langzeitgedächtnis gespeichert. Bei der Auswahl darüber, was im Gehirn gespeichert wird, spielt die Optik eine maßgebliche Rolle. So präsentierte Häusel die Ergebnisse einer Studie, der zufolge Werbung und Optik die beiden ausschlaggebenden Gründe bei der Wahl der Verbraucher eines neuen Geschäfts spielen. Preis, Sortimentsauswahl, ja sogar Empfehlungen sind nur von nachrangiger Bedeutung.

Wer nicht auffällt, verliert. Der durchschnittliche Verbraucher wird nach Angaben Häusels mit bis zu 3.000 Werbebotschaften pro Tag bombardiert.

Gegen diese Großmacht an Werbeinformationen hat der Einzelkämpfer, wiederum, keine Chance. Nur im Verbund mit einer Kooperation, die einen einheitlichen Auftritt (Wiedererkennungswert!) sicherstellt, hat er eine Chance, in diesem Grundrauschen überhaupt gehört zu werden.

5. Methode zur Beschleunigung des Fachhandelssterbens: Achten Sie darauf, daß Sie Ihre Mitarbeiter klein und dumm halten.

Eine der wesentlichen Pfründe, mit denen der Fachhandel wuchern muß, sind seine Mitarbeiter. Gute, motivierte Mitarbeiter sind ganz entscheidend für einen Markterfolg. Nach Ansicht Häusels sind sie sogar der wichtigste Baustein.

Was kann der einzelne Unternehmer tun, um seine Mitarbeiter bestmöglich zu motivieren? Der wichtigste Baustein ist, so Häusel, daß die Mitarbeiter das Gefühl haben, etwas Sinnvolles zu tun (Friedrich Nietzsche: "Nur wer ein Warum zu erleben hat, erträgt fast jedes Wie."). Weitere Motivatoren sind Macht, Lust und Angst (zum Beispiel Angst davor, bei geringer Leistung den Job zu verlieren).

Alle diese vier Faktoren bestimmen die Motivation der Mitarbeiter. Allerdings, so Häusel, ist die Anteilsverteilung im Handel derzeit nicht in Ordnung. Gegenwärtig nämlich ist hier die Verteilung wie folgt:

Sinn: 10 Prozent

Macht:20 Prozent

Lust:20 Prozent

Angst:55 Prozent

Kurzum: Im Handel wird viel zu viel mit Druck gearbeitet. Das aber ist auf Dauer leistungshemmend und fördert die Fluktuation. Angemessener, weil auf Dauer leistungsfördernder, ist nach seiner Auffassung folgende Verteilung:

Sinn:30 Prozent

Macht:25 Prozent

Lust:25 Prozent

Angst:20 Prozent

6. Methode zur Beschleunigung des Fachhandelssterbens: Ignorieren Sie alle Warnungen. Verändern Sie nichts.

Dieser Punkt spricht wohl für sich selbst und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Anfügen kann man wohl nur ein mittlerweile bekanntes geflügeltes Wort: "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit."

7. Methode zur Beschleunigung des Fachhandelssterbens: Gehen Sie mit der Zeit sorglos um. Wenn die Gefahr wirklich ernst wird, haben Sie noch genug Zeit zum Handeln.

Die Zeit, schmetterte der Schlagersänger Barry Ryan Anfang der 70er Jahre in Dieter Thomas Hecks Hitparade, macht nur vor dem Teufel halt. Vom deutschen PC-Fachhändler war in dem Zusammenhang nicht die Rede. Daher der dringende Appell von Häusel: "Tappen Sie nicht in die Zeitfalle!" Nur wer heute handelt, wer heute die Weichen in die richtige Richtung stellt, hat eine Chance, an seinem Ziel anzukommen. (sic)

Fachhandelsberater Hans Georg Häusel: Wer weiterhin seinen alten Stiefel tritt, landet bald im Straßengraben.

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