Siemens AG will verstärkt mit VARs und Systemhäusern ins Geschäft kommen

03.06.1998

MÜNCHEN/HANNOVER: Die Siemens AG hat den Bereich Vernetzung als strategisches Geschäftsfeld deklariert. Eine Schlüsselrolle kommt dabei dem indirekten Vertrieb zu. Mit Kurt Iser hat der Münchener Elektromulti einen erfahrenen Grabenkämpfer im Partnergeschäft mit der Leitung des indirekten Vertriebs betraut. Auf der CeBIT ist Premiere.

Mit besonderer Spannung fiebert Kurt Iser, langgedienter Manager im Siemens-Konzern (siehe Kasten, Seite 147), der CeBIT entgegen. Denn hier präsentiert der Leiter Indirekter Vertrieb des Siemens-Geschäftsgebietes Vernetzungssysteme zum ersten Mal den VARs und Systemhäusern Deutschlands und des benachbarten Auslands seine Ideen und Vorstellungen darüber, wie Siemens gemeinsam mit den Vertriebspartnern in dem Wachstumsmarkt Vernetzungssysteme erfolgreich sein will. Mehr als 4.000 Einladungen hat Iser verschickt, und er hofft auf eine große Resonanz.

Die Geschäftseinheit Vernetzungssysteme (VS) wurde erst im letzen Jahr gegründet und ist bei Siemens im Unternehmensbereich Private Kommunikationssysteme (PN) angesiedelt. Für den deutschen Elektromulti ist dieses Geschäftssegment von hoher strategischer Bedeutung, da Siemens nach Angaben von Branchenbeobachtern im Bereich der klassischen Telefonie eher mit einer Stagnation rechnet als mit einem weiteren Ausbau des Geschäftsvolumens.

Und zumindest nach offiziellen Aussagen des Siemens-Managements kommt dem Partnervertrieb hier eine Schlüsselrolle zu. So betont Karl-Joachim Veigel, Leiter des Geschäftsbereiches PN VS: "Die intensive und langfristige Zusammenarbeit mit qualifizierten Vertriebspartnern stellt einen wesentlichen Eckpfeiler unserer Vertriebsstrategie dar."

Iser muß nun dieses zarte Pflänzchen zum Blühen bringen. Keine leichte Aufgabe. Denn der Siemens-Manager fängt quasi bei Null an. Einen indirekten Vertrieb gab es bei Siemens in diesem Segment bisher nicht. Die letzten Monate hat Iser zusammen mit dem Unternehmens-berater Gerhard Pleil in Kempten die Hausaufgaben gemacht und ein Partnerkonzept ausgebrütet, das es nun mit Leben zu füllen gilt.

Unterstützung durch Partnerbetreuer

Die wesentlichen Eckpunkte lauten: Siemens betreut die Partner direkt, also ohne Zwischenschaltung von Distributoren (dieser Schritt ist erst für nächstes Jahr geplant, wenn die Münchener auch Produkte für den SOHO-Markt im Angebot haben). Dafür stehen Partnerbetreuer zur Verfügung, die vor Ort den Vertriebspartnern zur Seite stehen sollen.

Zur Unterstützung gibt es ein Telesales-Team, das bereits in den Startlöchern steht. Eine technische Hotline soll den Partnern das Leben leichter machen - ebenso wie eine eigene Homepage im Internet.

Die Produktpalette reicht vom kompletten Verkabelungssystem über Modems, Router, Switches, Hubs, NICs und ähnlichem bis hin zu komplexen Netzwerken. Allerdings: Ein erheblicher Anteil stammt nicht aus der eigenen Siemens-Entwicklung und -Produktion, sondern von Fremdherstellern. Eine Schwäche, die Siemens nach Ansicht von Experten sehr schnell mit eigenen Produkten abstellen muß. "Der Erfolg dieser Geschäftseinheit hängt von zwei Schlüsselfaktoren ab. Der eine ist der schnelle Aufbau des Partnergeschäftes. Der andere ist die Frage der Eigenprodukte. Lediglich als Wiederverkäufer von 3Com-Produkten braucht der Markt Siemens sicher nicht. Mit dem Namen Siemens allein ist es nicht getan", erklärt ein Branchenkenner.

Kanalkonflikte sind absehbar

Kritisch ist ebenfalls die Konkurrenz im eigenen Hause. Denn auch die Kollegen von Siemens Nixdorf sind in diesem Segment aktiv. Gut möglich daher, daß sich bei den VARs die Siemens- und die SNI-VBs schon bald die Klinke in die Hand geben werden. Nicht zu vergessen der Siemens-Direktvertrieb, der auch im Bereich Vernetzungssysteme akquiriert. Eine überzeugendes Konzept, wie Siemens Kanalkonflikte vermeiden will, muß daher schleunigst auf den Tisch.

Eins aber steht fest: Das ganze Thema Vernetzung ist noch längst nicht abgeschlossen. Vor allem im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen ist hier für VARs und Systemhäuser noch viel Geld zu verdienen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil hier jede Menge Dienstleistungen zu verkaufen sind. So betrug der Anteil des Dienstleistungsgeschäftes am Gesamtmarkt für Vernetzungssysteme in Deutschland nach Angaben des Beratungsunternehmens PA Consulting Group 1996 rund 52 Prozent (Gesamtmarkt: 5,2 Milliarden Mark).

Auch auf technischer Ebene ist das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht. Namentlich die Integration von Sprach- und Datennetzen ist ein Thema mit Zukunft. Klar, daß sich Siemens aufgrund der Erfahrungen im gesamten Telekommunikationsbereich hier in einer guten Ausgangsposition sieht.

Man darf gespannt sein, wie Iser seine schwierige Aufgabe lösen wird. Denn die Zusammenarbeit mit VARs und Systemhäusern ist für Siemens Neuland. Mit der Wahl von Iser hat das Top-Management des Elektromultis aber einen Mann ausgeguckt, dem es aufgrund seiner Erfahrungen im indirekten Vertrieb am ehesten zuzutrauen ist, hier etwas zu bewegen. (sic)

Freigelände K12, Partnerpavillon

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