Siemens ICN will 80.000 Kunden an die Partner weiterreichen

28.03.2002
Alle Jahre wieder scheint Siemens ICN das Thema "indirekter Vertrieb" unter den Nägeln zu brennen. Nach dem gescheiterten Versuch im letzten Jahr wird der Partnervertrieb nun aus dem Direktvertrieb ausgegliedert.

Schon im April vergangenen Jahres hieß es in einer Broschüren von Siemens ICN: "Als Siemens Enterprise Partner sind Sie die Nummer 1." Damals bekannte sich die Netzwerksparte von Siemens zum indirekten Vertrieb. Der weltweite Anteil sollte binnen vier Jahren von 20 auf 50 Prozent anwachsen. Leider wurde nichts daraus. Schon allein der Umstand, dass der indirekte am direkten Vertrieb aufgehängt war, führte immer wieder zu Kanalkonflikten. Es gab keine Regelung. Die Äußerung des damaligen Leiters Channel-Development Ulrich Schmitten umriss die nicht vorhandene Vertriebsstrategie klar und deutlich in einem Satz.: "Der Bessere soll gewinnen."

Partnervertrieb konnte sich nicht entfalten

Nun wagt Siemens ICN einen neuen Anlauf. Das Team von damals gibt es nicht mehr. Mit Stefan Herrlich hat ein neuer Vertriebsdirektor das Ruder in der Hand. Auch er spricht von Konvergenz und der "absoluten Notwendigkeit eines indirekten Vertriebs". Seine Prognosen fallen allerdings etwas vorsichtiger aus, als die seiner Vorgänger. "Wir wollen den Anteil des indirekten Vertriebs bis 2005 auf 25 Prozent ausbauen", gibt er bekannt. Im Moment generiert Siemens ICN etwas weniger als 10 Prozent mit den Partnern. Der Unterschied zu damals: "Wir haben uns im vorigen Jahr sehr stark auf Voice konzentriert. Jetzt wollen wir verstärkt IT-Systemhäuser ansprechen", so Herrlich. Außerdem ist der indirekte Vertrieb nun nicht mehr am direkten Vertrieb aufgehängt, sondern eine eigenständige Division. "Der konnte sich nicht entfalten", gibt Herrlich zu. Im Moment ist ein Team von 50 Mitarbeitern dabei, Partner zu akquirieren. Am 1. April 2002 soll weltweit ein Qualifizierungsprogramm für Partner gelauncht werden. Der Umfang der Aktion klingt nicht schlecht: Rund 80.000 Kunden sollen "Schritt für Schritt" vom direkten ICN-Vertrieb an die Partner übergeben werden.

Kanalkonflikte sind immer noch nicht geklärt

Insider fragen sich indes, ob es Siemens mit seinen Aktivitäten in Richtung indirekter Vertrieb wirklich Ernst ist. Der Grund: Im Vorfeld hat es reichlich Zoff gegeben. Nach einem Zeitungsinterview von Herrlich soll der Siemens-Direktvertrieb aufgewacht sein und sei Sturm gegen die neue Strategie gelaufen. Herrlich, bis dahin ein Verfechter der neuen Arbeitsteilung im Vertrieb, sei daraufhin eingeknickt und habe das Tempo aus diesem Thema herausgenommen. Mit der Konsequenz, dass die für die Entwicklung und Umsetzung des Konzepts verantwortlichen Siemens-Manager Kasch und Krause (er kam von der Tedas AG) mehr oder weniger freiwillig, auf jeden Fall aber frustriert, ihre Jobs an den Nagel hängten.

In der Darstellung von Herrlich hört sich alles ganz anders an. Mit Kasch habe das Unternehmen endlich jemanden gefunden, der als hauptberufliches Mitglied der Betriebsleitung die Interessen des Managements gegenüber dem Betriebsrat wahrnimmt. Und Krause sei nicht bereit gewesen, nach Düsseldorf umzuziehen, wo das Partnergeschäft angesiedelt ist. Merkwürdig: Insider berichten, dass eine der Aufgaben von Krause darin bestanden hätte, den Partnervertrieb von Düsseldorf nach München zu verlagern.

Wie auch immer: Weder Kasch noch Krause haben heute mit dem Thema Partnervertrieb zu tun. Nachfolger Kaschs ist Tom Kindermans, und den Job von Krause als Leiter des Partnervertriebs Deutschland hat Erol Kilimaz übernommen. Krause hat auf seiner Visitenkarte die Bezeichnung Leitung Channel Development stehen, er soll aber auf gepackten Koffern sitzen.

Bleibt die Frage, wie Siemens ICN dieses Mal Kanalkonflikte vermeiden will. Vertriebsdirektor Herrlich scheint sich deshalb keinerlei Sorgen zu machen. Zum einen würden ja die 80.000 Kunden an die Partner weitergereicht. Außerdem: "Der direkte Vertrieb fokussiert sich auf andere Marktsegmente", so Herrlich. Gezielte Preispolitik würde das Ganze zudem unterstützen. Zu detaillierten Angaben lässt sich der Manager aber nicht hinreißen.

www.siemens.com

ComputerPartner-Meinung: Das Thema "Vermeiden von Kanalkonflikten" scheint bei Siemens noch immer nicht gelöst. Wer hier aber keine klare Regelung hat und kein Instrument, die Einhaltung dieser Regeln zu kontrollieren, wird keinen Erfolg haben. Das sollte sich der neue Vertriebsdirektor Herrlich zu Herzen nehmen, sonst schreiben wir nächstes Jahr wieder dieselbe Story - dann zum dritten Mal. (gn)

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