Siemens zwingt das Unix-Geschäft in Merced-Bahnen

05.08.1998

MÜNCHEN: Mit der Lizenzierung von Suns Unix-System Solaris und der Ankündigung, ab 1999 alle Rechnersysteme auf Intels Merced-Chip zu portieren, will Siemens im umkämpften Servergeschäft eine einheitliche Plattform anbieten.Der Unix-Markt ächzt unter der NT-Attacke. Zwar betonen Unix-Anhänger, das in den letzten beiden Jahren mit gigantischem Marketingaufwand zur Schlüsselapplikation in Unternehmen gewordene Microsoft-Betriebssystem sei noch immer nicht reif für sogenannte unternehmenskritische Anwendungen. Doch sie kommen nicht umhin zuzugestehen, daß das Betriebssystem der Redmonter Unix-Systemen konstant Marktanteile abnimmt und nehmen wird.

Einer der Gründe dafür ist zweifellos im Unix-Lager selbst zu suchen. Denn dieses brachten es trotz vielfacher Bemühungen nicht fertig, eine einheitliche Unix-Plattform zu kreieren. Statt dessen schlagen sich wenigstens zehn verschiedene Unix-Derivate in verschiedenen Release- und 32- oder 64-Bit-Stadien und auf diversen Plattformen wie Risc, Digitals Alpha oder auch Intel-Rechnern um die Gunst der Kunden. Die dann eben nach NT schielen oder gleich darauf setzen.

"Dem Kunden ist egal, welches Unix er benutzt"

Es wundert deshalb nicht, daß für Robert Hoog, bei der Noch-SNI Mitglied der Geschäftsführung und für "Offene Systeme" verantwortlich, die jüngste Unix-Ankündigung mit "Die Karten werden neu gemischt" interessant macht. Tatsache ist: Ab Ende 1999 sollen alle Serverplattformen auf Intels "Merced-Chip" laufen. Außerdem macht der Weltkonzern Suns Solaris zur Unix-Plattform. Damit, so Hoog gegenüber ComputerPartner, wird die "Konsolidierung im Unix-Markt weiter voranschreiten". Der Manager sieht für die nächsten zwei Jahre voraus: "Es werden nur zwei bis vier Unix-Anbieter überleben." Und er ist sich sicher, daß der "Leistungssprung, der mit Intels Merced-Chip erreicht werden wird", die Ansprüche der Kunden an die "Hochverfügbarkeit der Rechnerarchitektur erfüllen wird". Derzeit bedient Siemens seine Kunden mit den drei Serverarchitekturen Intel, Mips und CMOS sowie NT, dem hauseigenen Unix-Derivat Reliant und dem Mainframe-System BS 2000.

Um die Kundenbasis von Siemens nicht vor den Kopf zu schlagen, sind jedoch weitere Upgrades für die bestehenden Rechnerarchitekturen vorgesehen: "Wir werden Reliant weiterhin für Mips-Rechner anbieten." Außerdem will Siemens laut Hoog während der Übergangszeit auf Merced in die Solaris-Plattform eigene Tools wie zum Beispiel "Dynamic Object Code Translation" (DOCT) für das Zusammenspiel von Mips- und Risc-Rechner implementieren und es mit Cluster- und Hochverfügbarkeitsfähigkeiten versehen, wie sie etwa in Datencentern gefragt sind.

Die Lizenzierung der Solaris-Plattform, die bereits die Hardwarehersteller Fujitsu und NCR sowie Softwarehersteller wie etwa Oracle, Informix, Baan oder CA getätigt haben, kam für Marktbeobachter nicht überraschend. Denn das Unix-Lager rüstet sich derzeit mit einer Kooperationsorgie für den Merced-Chip. Auf längere Sicht ist es Analysten zufolge wahrscheinlich, daß neben Solaris nur HPs und IBMs Unix-Plattformen überleben werden. Was Unix auf Intel-Rechnern angeht, ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen. Derzeit verbündet sich Compaq, in dessen Besitz auch Digitals Unix ist, mit SCO und Unixware. Ob IBM allein mit seinem PowerPC um Marktanteile im Unix-PC-Markt kämpfen wird, bezweifeln Analysten. Für Manager Hoog steht jetzt schon fest: "Compaq wird aus dem SCO-Lager ausscheren und die Alpha-Investitionen zurückfahren. Und IBM wird nach einem Partner suchen."(wl)

"Es gibt zwar noch nicht ein Unix, aber es ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung", wirbt Siemens-Manager Robert Hoog für die Sun-Intel-Siemens-Allianz.

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