Skiverleih mit Progress

15.06.2007
Der Klimawandel hat nicht nur negative Auswirkungen auf die Skiindustrie: Während der Skiverkauf stagniert, boomt der Skiverleih. Hier öffnen sich neue Geschäftsfelder für unabhängige Softwarehäuser (ISVs).

Von Dr. Ronald Wiltscheck

Bereits seit 1995 arbeitet Wintersteiger mit dem ebenfalls im oberösterreichischen Ried ansässigen Systemhaus Infotech zusammen. So war es keine Frage, dass sich das unter anderem auf den Bau von Maschinen für Skiverleihstationen spezialisierte Unternehmen an seinen IT-Equipment-Lieferanten wandte, als klar wurde, dass man mit der bestehenden Verleihsoftware nicht mehr arbeiten konnte.

"Die bestehende Lösung war den Alltagsanforderungen beim Verleih der Ausrüstung in den Sportgeschäften einfach nicht mehr gewachsen. Es kam immer wieder zu Unstimmigkeiten zwischen dem, was die Software anzeigte, und den Sportgeräten, die dem Kunden ausgehändigt wurden", erinnert sich Reinhard Furtner-Hagn, Produktmanager bei Wintersteiger.

Russischer Pilotkunde

So benötigte der Skiverleiher auf der Stelle ein neues System. "Dieses sollte absolut zuverlässig und korrekt arbeiten. Permanente Datenverfügbarkeit und höchste Datensicherheit waren damals die wesentlichen Kriterien", so Furtner-Hagn weiter. Die sogleich kontaktierte Infotech EDV-Systeme GmbH empfahl eine komplette Neuentwicklung der Software auf Basis einer relationalen Datenbank von Progress Software.

Man war sich relativ schnell einig: Nach zwei Wochen stand fest, dass die neu zu programmierende Lösung in sechs Monaten in Produktivbetrieb übergehen sollte. Dabei oblagen dem Kunden das gesamte Design und die Konzeption der neuen Lösung. Diese sollte anschließend von Wintersteiger an die angeschlossenen Shops verteilt und später auch von dem Maschinenbauer selbst dort vor Ort gepflegt und jeweils auf den neuesten Stand gebracht werden.

Bei Infotech ging es mit den Programmierarbeiten planmäßig voran, bis es auf einmal ganz schnell gehen musste. Ein russischer Wintersteiger-Kunde wollte das fertige Produkt bereits schneller bei sich installieren. Daher musste Infotech die auf der Progress-Datenbank basierende Lösung rascher als vorhergesehen lokalisieren - und das auch noch in Kyrillisch. "Hierbei kam es auch zu den einzigen unerwarteten Problemen im Verlauf des gesamten Projekts", erinnert sich Josef Siegetsleitner, Projektleiter bei Infotech.

Trotz dieses etwas "schwierigen" Pilotkunden gelang es Infotech, die Verleihsoftware rechtzeitig, also innerhalb eines halben Jahres, fertigzustellen und sogleich zu implementieren. Hierbei kam dem Progress-Partner auch die Tatsache zugute, dass man selbst auch für die Beschaffung der Hardware zuständig war. Hierbei setzte der ISV auf PC-Server von Hewlett-Packard. Die weiteren Systemanforderungen an die "easyrent" getaufte Verleihsoftware waren ohnehin fest vorgegeben: Windows 2000 oder XP Professional am Client sowie Windows 2000 beziehungsweise 2003 am Server.

350 Serverinstallationen

Heute wird easyrent in 350 Sportfachgeschäften und Skiverleihstationen eingesetzt. Den Schwerpunkt bilden Depots in den europäischen und US-amerikanischen Wintersportorten. Weltweit sind 1.000 Arbeitsplätze mit der Progress-Lösung ausgestattet. Nicht zuletzt, um die Software international zu vermarkten, hat Infotech sie in sieben Sprachen lokalisiert. Die Konfigurationsmöglichkeiten der Software reichen dabei von einer Version für Ein- oder Zweiplatzsysteme über eine interne Netzwerkvariante mit mehreren Einstell- und Kassenplätzen bis hin zu einer Hosting-Lösung, die auch mehrere örtlich voneinander getrennte Verleihfilialen mit mehr als 50 Arbeitsplätzen miteinander verknüpft.

Infotech hat diese Anwendung so programmiert, dass der Verleihvorgang immer nach dem gleichen Schema abläuft. Zuerst werden bestimmte Daten des die Winterausrüstung ausleihenden Kunden erfasst: Name, Alter, Körpergröße, Gewicht, Schuhgröße und skifahrerisches Können. Unter Umständen kann der Kunde diese Angaben auch an einem Selbstbedienungsterminal der Skiverleihstation an einem Touchscreen selbst eingeben, das verkürzt die Wartezeit.

Entsprechend diesen Daten sucht der Verkäufer die passenden Skischuhe aus; die Einstellwerte der Bindung werden dabei automatisch berechnet und angezeigt. Ist die Bindung eingestellt, versieht der Verleiher die Ski oder das Snowboard sowie die dazu passenden Schuhe mit den richtigen Barcodes. Das wiederum verkürzt den Rückgabevorgang erheblich: Am Ende genügt ein Scan, und die Ausrüstung ist zurückgenommen und wieder ins System eingebucht.

Erweiterungen erwünscht

Auch wenn dieser Vorgang heute bereits meist reibungslos abläuft, wünschen sich die Anwender in den Verleihstationen zusätzliche Funktionen. Auch Wintersteiger selbst sieht noch vielfältige Ausbaumöglichkeiten für easyrent. "Wir erfassen alle gewünschten Änderungen und Erweiterungen", so Furtner-Hagn von Wintersteiger. Je nach Dringlichkeit und Akzeptanz bei den Kunden werden anschließend die geplanten Änderungen ins System eingepflegt. Diese Arbeiten obliegen wiederum Infotech. In einem Rahmenabkommen mit Wintersteiger hat der Progress-Partner vereinbart, rund 700 Arbeitsstunden pro Jahr für die Pflege und Erweiterung von easyrent aufzuwenden. Und es gibt noch genügend zu tun.

So hat Infotech erst vor kurzem die Verleihsoftware um ein selbst programmiertes Warenwirtschaftsmodul erweitert. Damit können die Wintersteiger-Kunden nun auch ihre Verkäufe sowie ihre Bestandsführung und die Inventur mit der Progress-Applikation durchführen. Verleih und Verkauf sind damit sinnvoll verzahnt. So verkaufen beispielsweise viele Verleihstationen auch noch die Liftkarten. Die damit verbundenen Umsätze fließen direkt in easyrent. Und der Skifahrer freut sich, denn er muss sich nicht in eine weitere Schlange vor der Kasse einreihen, sondern kann direkt zur Gondel marschieren.

In der näheren Zukunft wird Infotech easyrent auf weitere Sprachen umstellen; ferner soll es schon bald möglich sein, zumindest zeitweise mit der Software offline zu arbeiten, also ohne ständige Anbindung an den Server.

RFID statt Barcode

Weitere Ergänzungen zu easyrent könnte es schon bald geben, wenn der ganze Verleihprozess nicht mehr mit Hilfe von Barcodes abgewickelt wird, sondern mit RFID-Tags. Denn Skier der neuesten Generation sind immer öfter mit einem fest in das Sportgerät integrierten Funk-Chip ausgestattet. Diese senden lediglich eine Produktidentifikationsnummer, die in einer zentralen Datenbank, etwa beim Skihersteller, gespeichert ist und dort auch abgefragt werden kann - vom Verleiher und vom Betreiber der Liftanlagen

"Da easyrent diese Daten völlig problemlos übernehmen kann, ermöglicht das dem Sportfachhandel und dem Skiverleih eine automatische Anlage des Artikels. Auch die Abwicklung des Skiverleihs verkürzt sich damit erheblich", kommentiert Furtner-Hagn von Wintersteiger die neue Entwicklung.

Und noch einen Vorteil haben die mit RFID-Chip ausgestattet Ski: Werden sie irgendwann als gestohlen gemeldet, kann der Dieb bei einem Liftzutrittssystem sehr einfach identifiziert werden. Und es geht noch weiter: "Wenn der Ski mit dem Chip über das Einstellgerät für die Bindung und die Servicemaschine kommuniziert, lassen sich zahlreiche Arbeitsschritte automatisieren", so Furtner-Hagn. Hierbei könnte easyrent eine Schlüsselrolle spielen, glaubt der Produktmanager von Wintersteiger

Eines kann Infotech mit easyrent allerdings nicht tun: sie an andere Kunden verkaufen. Denn die ausschließlichen Nutzungsrechte an der Software liegen bei Wintersteiger. Das heißt, nur der Maschinenbauer selbst darf easyrent vermarkten. Immerhin bleiben Infotech noch die jährlichen Serviceumsätze für die Programmierarbeiten. Progress Software verdient dagegen bei jedem neuen Wintersteiger-Kunden. Denn dieser muss zwangsläufig Datenbanklizenzen von dem Softwarehersteller erwerben, will er easyrent nutzen.

Zur Startseite