Lücken aufzeigen, Kurs vorgeben

So entwickeln Sie tragfähige Strategien



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Eine SWOT-GAP-Analyse hilft, schon während der Strategieerarbeitung die strategisch relevanten Optionen von den weniger relevanten zu unterscheiden. Ignaz Furger erklärt, wie diese Methode funktioniert.
In die Unternehmensstrategie müssen alle Mitarbeiter eingebunden werden, nur dann wird sie akzeptiert.
In die Unternehmensstrategie müssen alle Mitarbeiter eingebunden werden, nur dann wird sie akzeptiert.
Foto: Syda Productions - Fotolia.com

Ist unsere neu ausgearbeitete Strategie tragfähig und robust? Das fragen sich Unternehmensführer oft, wenn die neue Strategie auf Hochglanzpapier vor ihnen liegt. Eine SWOT-GAP-Analyse hilft, schon während der Strategieerarbeitung die strategisch relevanten Optionen von den weniger relevanten zu unterscheiden. Zudem lässt sich mit ihr ermitteln, wo bei der Strategieentwicklung noch Handlungsbedarf besteht.

Dabei tauchen verschiedene Fragen auf. Ist die Strategie unseres Unternehmens robust? Sind sämtliche Herausforderungen durch die strategischen Optionen und Stoßrichtungen abgedeckt? Stehen strategische Optionen "im leeren Raum", weil sie ohne eine entsprechende strategische Herausforderung in die Strategie aufgenommen wurden? Vor solchen Fragen stehen Unternehmensführer bei der Strategieentwicklung und im Managementalltag immer wieder.

Mit der SWOT-GAP-Analyse steht ein wirkungsvolles und einfach anwendbares Werkzeug zum Beantworten dieser Fragen zur Verfügung. Dieses Instrument unterscheidet sich von der konventionellen Gap-Analyse dadurch, dass es die strategische Lücke nicht von der Kapitalseite her angeht, sondern über die strategische Position des Unternehmens. Die konventionelle Gap-Analyse vergleicht finanzielle Plan-Größen mit den in die Zukunft projizierten Größen des aktuellen Geschäftes. Die SWOT-GAP-Analyse hingegen gleicht die strategischen Hauptherausforderungen mit den strategischen Stoßrichtungen ab. Durch dieses Vorgehen lassen sich die "echten" strategischen Lücken aufzeigen. Außerdem werden allfällige strategische Optionen aufgedeckt, die ohne entsprechende Herausforderungen im leeren Raum stehen.

Die Ausgangsbasis für eine SWOT-GAP-Analyse bildet die klassische SWOT-Analyse, die als zentrale Grundlage für strategische Überlegungen und die Entwicklung der Unternehmensstrategie dient. Obwohl die SWOT-Analyse in der Regel mit großem Aufwand ausgearbeitet wird, wird ihr Potenzial häufig nur ungenügend ausgeschöpft. Die SWOT-GAP-Analyse erlaubt es, die Resultate der SWOT-Analyse über die gängigen Anwendungen hinaus gewinnbringend auszuwerten und schafft damit einen direkten Brückenschlag zur erfolgreichen Strategieentwicklung.

Eine SWOT-GAP-Analyse erstellen

Eine SWOT-Analyse kombiniert die interne Stärke eines Unternehmens mit den externen Umweltbedingungen. Für ihre Erstellung werden unter anderem die Konkurrenz-, die Unternehmens- und die Umfeldanalyse genutzt. Es können aber auch weitere Instrumente zum Einsatz kommen - etwa die Kundennutzen-, Portfolio-, Kernkompetenz- oder Finanz-Analyse.

Ist die SWOT-Analyse erstellt, werden sämtliche Faktorenwerte auf ein neues Vierfelder-Diagramm mit den Achsen Stärken/Schwächen (Vertikale) und Gefahren/Chancen (Horizontale) übertragen Jeder Faktor wird dabei in Bezug auf eine zweite Dimension bewertet. Dies bedeutet:

  • Eine Schwäche wird zusätzlich als Chance oder als Gefahr betrachtet.

  • Eine Chance wird als Stärke oder Schwäche eingestuft.

  • Eine Gefahr kann zugleich eine Stärke oder Schwäche sein.

  • Eine Stärke kann zugleich eine Chance oder (in wenigen Fällen) eine Gefahr sein.

Die Faktoren werden zudem gewichtet. Das heißt, es wird festgelegt, wie ausgeprägt eine Stärke ist und wie groß die Chancen sind, die daraus entstehen. Je ausgeprägter eine Eigenschaft ist, desto weiter außen wird der Faktor angeordnet. Somit kommen große Chancen, die zugleich große Stärken sind, ganz oben rechts zu liegen.

In der Regel bleibt das Feld Stärken/Gefahren entweder leer oder es enthält höchstens einen oder zwei Faktoren; denn Stärken sind normalerweise auch Chancen, und Gefahren werden sehr selten zu einer Stärke. Somit erhalten mindestens drei Felder Faktoren zugeordnet. Die einzelnen Felder machen dabei die folgenden Situationen sichtbar:

  • Das obere rechte Feld zeigt die wirklichen Stärken auf. Diese bergen große Chancen in sich. Daher sind sie auszubauen und bilden das eigentliche Fundament der Strategie.

  • Das rechte untere Feld beinhaltet die verpassten Chancen. Ein Beispiel hierfür wäre ein Maschinenhersteller, der seine installierte Basis nicht kennt. Wenn er nicht weiß, wo und bei welchen Kunden seine Geräte stehen, kann er kein Service-Geschäft aufziehen - im Service werden heute aber die großen Gewinne gemacht.

  • Im Feld unten links liegt der Dschungel. Er umfasst Gefahren, die zugleich Schwächen sind. Falls hier nichts geschieht, gehen die Geschäfte unter wie der verirrte Mann im Dschungel - ohne Gewehr frisst ihn der Löwe.

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