Gefahrenquelle Stress

So schützen Unternehmen ihre Mitarbeiter vor psychischem Leiden



Frank M. Scheelen ist Experte für Leadership und Kompetenzmanagement sowie Gründer der Scheelen AG.
Im Dauerzustand gestresst – und schließlich krank: Viele deutsche Mitarbeiter können dem permanenten Druck im Job nicht mehr standhalten und brennen aus. Inzwischen schreibt der Arbeitsschutz eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen vor. Wir geben acht Tipps, die helfen, dass Ihre Mitarbeiter keine Burnout-Kandidaten werden.

Jeder 20. Arbeitnehmer in Deutschland war 2015 in Deutschland wegen eines psychischen Leidens krankgeschrieben. Das ist dem DAK-Psychoreport zu entnehmen. Das Ausmaß des arbeitsbedingten Stresses in den Unternehmen ist damit aber bei Weitem noch nicht abgedeckt. Denn was die Studie nicht erfasst, ist das Phänomen des Präsentismus: Mitarbeiter, die sich trotz stressbedingter Krankheiten zum Job schleppen. Die anwesend sind, aber nicht wirklich leistungsfähig. Die immer weiter machen, sich Anwesenheitspflicht verordnen, obwohl sie krank sind - was häufig zum Burnout führt. Den Unternehmen entstehen damit erhebliche Produktivitätsverluste. Laut Studien übersteigen die Kosten für Präsentismus die Kosten durch krankgemeldete Mitarbeiter um das Zehnfache.

Der unterschätzte Faktor des Präsentismus führt zu einem erheblichen Produktivitätsverlust.
Der unterschätzte Faktor des Präsentismus führt zu einem erheblichen Produktivitätsverlust.
Foto: wavebreakmedia - shutterstock.com

Wenn die Unternehmen ihre Leistungsfähigkeit erhalten wollen, müssen sie jetzt handeln! Sie sind sogar dazu verpflichtet: Das Arbeitsschutzgesetz schreibt seit geraumer Zeit vor, dass alle Unternehmen ab einem Mitarbeiter eine Beurteilung der psychischen Gefährdung ihres Personals am Arbeitsplatz vornehmen müssen. Jedoch: Viele Unternehmen wissen nicht, wie sie die Aufgabe angehen sollen. Wie können sie ihre Mitarbeiter effektiv vor Stress bewahren und ihre Leistungsfähigkeit erhalten?

Analyse machen: Wo kommt der Stress her?

Eines ist klar: Der Obstkorb am Arbeitsplatz, Partnerschaftsangebote mit Fitness-Studios, flexible Arbeitszeiten, Vorträge zum Stressmanagement und dergleichen - also klassische Maßnahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements - reichen zur Stressprävention nicht aus. Wer als Arbeitgeber Stress wirksam bekämpfen und vorbeugen will, muss zunächst eine Analyse machen. Er muss in Erfahrung bringen, wo der Stress genau herkommt.

Störfaktoren in Arbeitsprozessen beseitigen

Dabei - und das schreibt die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen vor - muss unter anderem die Arbeitsorganisation unter die Lupe genommen werden. Welche Störfaktoren gibt es? Umständliche Prozesse beispielsweise führen häufig dazu, dass Projekte unnötig lange dauern. Auch halten sich Mitarbeiter häufig viel zu lange mit Aufgaben auf, die gar nicht zu ihrem eigentlichen Tätigkeitsgebiet gehören. Oder ständige IT-Probleme behindern ihre Arbeit und ähnliches. Oft sind es viele "Kleinigkeiten", die jedoch in ihrer Summe einen erheblichen Teil der Arbeitszeit der Mitarbeiter einnehmen - und diese außerdem enorm frustrieren. Wer hier optimiert, hat schon Einiges gewonnen!

Arbeitsumgebung "entstressen"

Wichtig zudem: Räumlichkeiten und Ausstattung müssen auf Störungsanfälligkeit und individuelle Gestaltungsspielräume überprüft werden. Kann der Mitarbeiter in Ruhe seine Arbeit erledigen? Oder gibt es ständig Unterbrechungen, weil etwa zu viele Kollegen auf zu kleinem Raum sitzen? Sind angenehme Aufenthaltsmöglichkeiten für die Pausen vorhanden? Auch dauerhafte als unangenehm empfundene Geräusche, Gerüche und Beleuchtung können starke Stressoren sein.

Veränderungen kommunizieren

Change-Maßnahmen in Unternehmen sind mit die häufigsten Ursachen für arbeitsbedingten Stress. Das liegt daran, weil sie häufig zu kurzfristig und nicht umfassend verkündet werden. Daher gilt: Transparenz über langfristige strategische Pläne bieten. Das ermöglicht den Mitarbeitern, sich mental auf die Veränderungen einzustellen. Dabei sollten auch Kontext und Ziel der Veränderungen kommuniziert werden. Denn nicht selten entwickeln Mitarbeiter schon deshalb einen inneren Widerwillen bei Veränderungen im Unternehmen, weil sie deren Sinn nicht wirklich verstehen.

Transparenz und Orientierung bieten

Auch sonst müssen Arbeitgeber sich die Frage stellen, ob sie ihren Mitarbeitern ausreichend Orientierung bieten. Menschen brauchen Ziele im Job und Transparenz bei ihren Aufgaben! Realistische Zielvereinbarungsgespräche, die nicht nur Ziele vorgeben, sondern auch die Möglichkeiten aufzeigen, diese Ziele zu erreichen, dienen somit ebenfalls zur Stressprävention. Sie helfen dem Mitarbeiter, zu erkennen, was von ihm erwartet wird. So kann er auch besser einen Sinn bei seiner Arbeit finden. Gleichzeitig profitiert er von mehr Eigenverantwortung, was ganz wesentlich ist. Denn wer wenig Einfluss auf die eigenen Tätigkeiten hat, sich oft fremdbestimmt fühlt, empfindet seine Arbeitssituation in der Regel als belastend.

Regelmäßig wertschätzendes Feedback geben

Neben Zielvereinbarungsgesprächen sind regelmäßige konstruktive Feedback-Runden maßgebend für die Motivation der Mitarbeiter. Wichtig dabei: eine wertschätzende Kommunikation. Individuellem Engagement sollte Aufmerksamkeit geschenkt werden - etwa indem man die Leistung im Team-Meeting erwähnt, dem Mitarbeiter Gelegenheit gibt, seinen Beitrag zu erläutern oder diesen in Präsentationen kenntlich macht. Auch Vorschlagswesen sowie Foren für spezifisches Fachwissen, wo Mitarbeiter sich einbringen können, motivieren.

Teamarbeit und Kollegialität stärken

Viele Mitarbeiter können den Stress im Büro nur deshalb ertragen, weil sie ein gutes Verhältnis zu ihren Kollegen haben. Hakt es jedoch mit der Zusammenarbeit, herrscht kein Vertrauen untereinander oder kommt es gar zu Ausgrenzung und Mobbing von Personen, sind die psychischen Belastungen umso größer. Maßnahmen zum Teambuilding, Betriebsausflüge und dergleichen helfen, das Zusammengehörigkeitsgefühl zu steigern. Auch regelmäßige Meetings, bei denen nicht nur Projekte, sondern auch Unstimmigkeiten im Team - am besten angeleitet durch einen Moderator - besprochen werden, sind sinnvoll.

Augenmerk auch auf persönliche Stressantreiber legen

Stress ist immer auch eine sehr persönliche Sache. Schließlich geht jeder anders mit Arbeitsbelastungen um: Jeder Mitarbeiter verfügt über eigene Ressourcen zur Stressbewältigung. Und jeder hat auch seine eigenen inneren Muster und Dynamiken, die bereits vorhandenen Stress noch verstärken. Für die Unternehmen bedeutet das: Sie müsse ihren Mitarbeiter darin unterstützen, sich über ihrer persönlichen stresssteigernden Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster bewusst zu werden. Das gleiche gilt für resiliente, stressauflösende Fähigkeiten. Natürlich ist das keine einfache Aufgabe. Aber mittels Persönlichkeits- und Stressanalyse-Tools kombiniert mit Coaching ist das möglich - und wichtig: Denn wirksame Stressbewältigung bedeutet nie nur Verhältnisse zu ändern, sondern immer auch Verhalten!

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