Kein Meister ist vom Himmel gefallen

So werden Sie Keynote Speaker



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Ohne langen Atem geht gar nichts

Vereinfacht ausgedrückt heißt dies: Damit ein Speaker gebucht wird und das erträumte Spitzen-Honorar erhält, muss er entweder (bei seiner Zielgruppe) bereits einen Promi-Status haben oder er muss aus Veranstaltersicht - zum Beispiel aufgrund seiner (beruflichen) Biografie, Veröffentlichungen und Referenzen - ein ausgewiesener Experte für das von ihnen gewünschte Thema sein. Und diese Grundanforderungen erfüllen fast alle Newcomer sowie relativen No-names im Trainer- und Beratermarkt nicht. Deshalb sollten sie sich schnellstmöglich vom Tagtraum, ein Speaker zu werden, der 3000, 5000 oder gar mehr Euro pro Auftritt erhält und in zwei, drei Jahren hiervon leben kann, verabschieden.

Das heißt nicht, dass einige von ihnen - aufgrund ihrer Persönlichkeit, Kompetenz und ihres Rednertalents - nicht das Potenzial hätten, dieses Ziel langfristig zu erreichen. Doch um dort anzukommen, müssten sie über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren Biografiearbeit betreiben und zum Beispiel durch

  • das Veröffentlichen von Büchern und Artikeln,

  • das Auftreten für ein Taschengeld auf "Provinz-Bühnen",

  • das Publizieren von Videos von ihren Auftritten im Internet

  • und, und, und

darauf hinarbeiten, dass sie allmählich den Status "Experte für …" erlangen - was außer viel Zeit meist auch eine Vorinvestition in einem hohen fünfstelligen Euro-Bereich erfordert. Denn ohne die Experten-Unterstützung gelingt den meisten Möchte-gern-Rednern der Aufbau der Bekanntheit und des Images, das ein Speaker, der von seinem Beruf leben möchte, braucht, nicht.

Die echten Rednergrößen waren fast nie Berater

Hanebüchen ist es deshalb aus meiner Sicht, wenn einer der Granden der Speaker-Zunft, der zugleich Möchte-gern-Speaker ausbildet, coacht und vermarktet (und hiermit wohl das meiste Geld verdient), bei Auftritten vor Trainern, Beratern und Coaches verkündet: Wer Speaker werden möchte, sollte von seiner Webseite solche Begriffe wie Trainer und Coach streichen. Sonst öffne sich beim Kunden gedanklich eine deutlich niedrigere Honorarschublade. Und statt den in der Speakerszene "üblichen 5000 bis 6000 Euro pro Auftritt" zahle er dann womöglich "nur den Trainertagessatz von 1700 Euro".

Unabhängig davon, ob diese Aussage stimmt, erhebt sich die Frage: Und wovon sollen die Noch-nicht-Speaker in den Jahren leben, bis sie etablierte Speaker sind? Und womit sollen sie den Aufbau des Images und der Bekanntheit, die sie als Speaker brauchen, finanzieren - sofern sie nicht die Kinder reicher Eltern sind? Und wie viel Prozent der Redner, die sich zum Beispiel bei der GSA tummeln, werden wirklich so oft als Redner engagiert und erhalten dafür 5000 Euro und mehr, dass sie allein hiervon leben können? Vermutlich lassen sie sich, wenn nicht an zwei, dann doch an drei, vier Händen abzählen.

Für die echten Größen im Speaker-Business gilt: Sie waren in ihrem Leben nie oder nur für sehr kurze Zeit Berater (meist bei McKinsey). Sie waren entweder Fernsehgrößen wie Ulrich Wickert oder Top-Politiker wie Joschka Fischer oder Unternehmensführer wie Utz Claassen. Und wenn demnächst eventuell Jörg Middelhoff bei einem Wirtschaftskongress auf die Rednerbühne tritt? Dann erhält er mit Sicherheit ein absolutes Spitzenhonorar. Allein schon weil viele Manager neugierig sind: Wie tritt er auf? Im Büßergewand oder mit der gewohnten Arroganz?

Verglichen mit diesen "Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens" sind fast alle Redner, die ihre Wurzeln in der Beraterzunft haben, kleine Lichter. Denn sie hatten nie Macht, sie schnupperten bestenfalls mal daran. Oder anders formuliert: Sie haben nicht die Biografien, die die echten Größen im "Redner-Business" auszeichnen.

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