Dienste sind nötig

SOA für den Mittelstand

21.01.2008
Der Begriff "SOA" darf auf keinem Zettel für Buzzword-Bingo fehlen. Dass Software Oriented Architecture gerade sehr in Mode ist, wissen die meisten - dann hört es aber oft schon auf. Zeit, um den konkreten Nutzen für den Mittelstand aufzuzeigen, meint Dirk Kissinger.

SOA ist wahrscheinlich deshalb so beliebt, weil alle Begriffsdefinitionen extrem abstrakt sind und so auf fast jede IT-Umgebung angewendet werden können. Und wer sagt schon nein, wenn er gefragt wird, ob er die Komplexität von Prozessen im Unternehmen reduzieren und gleichzeitig flexibler werden will? Dabei ist SOA kein Allheilmittel, und vor allem im Mittelstand geht es nicht so recht vorwärts mit der Service-orientierten Architektur.

Was macht SOA effizient?

In den meisten Unternehmen sind IT-Systeme unmittelbar mit dem Kerngeschäft verflochten. Egal ob die Firma Möbel verkauft, Autos baut oder Finanzdienstleistungen anbietet - ohne IT geht nichts mehr. Doch oft diktieren die eingesetzten technischen Systeme den Workflow. So werden beispielsweise Daten oft redundant in mehreren Systemen gehalten, die nicht integriert sind, was einfache Arbeitsabläufe umständlicher macht als nötig. Das liegt in der Regel daran, dass die IT-Systeme in Firmen über Jahre gewachsen und komplex aufgebaut sind. Ein Autohersteller beispielsweise verfügt wahrscheinlich über eine über Jahrzehnte gewachsene Datenbanklandschaft mit zig Systemen, die Ersatzteile, Fahrzeugbestand, Modell-Codes und noch viele andere Informationen enthalten.

Änderungen an zentralen Stellen haben weitreichende Auswirkungen auf andere Systeme, die dann aufwendig angepasst werden müssen. Da viele Unternehmen nicht mehr schnell genug auf veränderte Marktsituationen reagieren können, ist das Konzept der Service-orientierten Architektur in aller Munde. Dabei geht es schlichtweg darum, wieder alle Kräfte aufs Kerngeschäft zu konzentrieren; die IT soll nur Mittel zum Zweck sein.

Ziel dabei ist es, eine Angleichung der mit der Zeit "wildgewachsenen" Systemlandschaft an die Geschäftsprozesse realisieren zu können. Hierbei werden Softwarelösungen generiert, die vor allem flexibel sind, die sich also an künftigen Anforderungen orientieren, und auch immer wieder einsetzbar sind. Zudem sollten derlei Lösungen verteilt zu installieren und an jegliche Geschäftsprozesse adaptierbar sein.

Die SOA-Dienste

Nicht minder wichtig sind dabei die enormen Kostenvorteile durch diese Art der Flexibilität und eine damit einhergehende Effizienz der Entwicklerkapazitäten. Hierbei können nämlich vordefinierte Services wiederverwendet werden, was einen erheblichen Zeitaufwand verhindert. Auch wird der statisch-komplexe Aufbau einer IT-Struktur so weit offensichtlich, dass diese größtenteils reduziert werden können. Zudem bietet sich eine Restrukturierung komplexer Anwendungen an.

Datenbank erleichtert Umgang mit Kundendaten

Alltagsprobleme mit IT-Systemen entstehen in Unternehmen durch unnötige Redundanz, etwa wenn mehrere Adressdatenbanken existieren, oder durch den Einsatz von proprietären Systemen, auf die nicht alle Nutzer den nötigen Zugriff haben. Eine zentrale Datenbank erleichtert natürlich die Pflege und Abfrage von Kundendaten enorm. Jeder Geschäftsprozess (etwa Warenlieferung, Rechnungserstellung), der auf diese Datenbank zugreift, profitiert also von dem Dienst "Aktuelles Verzeichnis aller Adressen". Diesen Servicegedanken greift SOA in der IT-Praxis auf. Der besondere Vorteil ist, dass mit SOA offene Standards wie XML, SOAP und HTTP Hand in Hand gehen und die Datenspeicherung und Kommunikation vereinheitlichen. So ist es leichter, Dienste flexibel mit unterschiedlichen Systemen zu nutzen, also über heterogene Netze, verschiedene Betriebssysteme und Applikationen hinweg und auch von verschiedenen Geräten aus.

SOA-Dienste arbeiten dabei wie eine Blackbox, nur die Schnittstelle und das Dienstangebot sind sichtbar. Wer etwa eine Adresse aus der Datenbank abruft, kann nicht sehen, wie der Datensatz intern gefunden wird; sicher ist aber, in welchem Format die Antwort ausgespuckt wird. Dieses Szenario wird interessanter, wenn das Unternehmen etwa Lieferanten über einen Webdienst Zugriff auf diese Datenbanken gewährt, um etwa Ersatzteile selber einzutragen.

Der Lieferant muss natürlich wissen, in welchem Format er die Daten liefern muss, also wie seine Schnittstelle genau aussieht. Von Änderungen an der internen Verarbeitung der Daten bemerkt der Nutzer eines Webdienstes aber nichts. Wenn der eingangs erwähnte Autohersteller seine Datenbank migriert, kann ein Zulieferer seine Daten trotzdem in bewährter Form übermitteln. Kein Wunder also, dass SOA oft mit Legobausteinen erklärt wird.

Beispiel Warenorder

Anhand des Beispiels einer Warenorder über einen Händler mit Internetshop wird deutlich, wie die einzelnen Geschäftsprozesse strukturiert und wiederkehrend ausgearbeitet sind:

Auf die Auftragsannahme folgt eine Prüfung der Lagerbestände und damit der Verfügbarkeit. Danach wird - bei den meisten Versandhändlern mittlerweile gang und gäbe - der Besteller einer Bonitätsprüfung unterzogen. Dies kann anhand eigener Erfahrungswerte innerhalb der eigenen Datenbank erfolgen oder auch unter Zuhilfenahme fremder Services beispielsweise der Datenauskunfteien am Markt. Fällt die Bonitätsprüfung positiv aus, wird die eigentliche Bestellung eingeleitet. Mitarbeiter oder auch Roboter kommissionieren daraufhin die bestellten Posten und verpacken diese. Darauf folgen der Versand an den Besteller und die Rechnungsstellung. Mit dem Zahlungseingang ist dieser Bestellvorgang komplett abgeschlossen.

Für jeden Geschäftsprozess innerhalb der Bestellung gibt es somit einen Service. Dabei ist es nicht zwingend, dass diese Services alle auf einem gleichen System verarbeitet werden. Denn rückblickend auf das Fallbeispiel könnte der externe Auskunftsservice oder der Transporteur völlig unterschiedliche Systeme nutzen, die im Bestellprozess eine Rolle spielen und daher ein Mindestmaß an Kompatibilität leisten sollten.

Auch wenn die Abläufe im Rahmen einer solchen Bestellung oft unterschiedlich verlaufen können - etwa, wenn die bestellte Ware nicht verfügbar ist oder die Bonität nicht ausreicht, um die Bestellung auszulösen -, sollten doch die Wege bis dahin gleich ablaufen und stets mit den verfügbaren Systemen zu ermitteln sein. Dafür muss der Schritt der Verfügbarkeitsprüfung beispielsweise immer nach dem gleichen Schema ablaufen und immer die gleiche Vorgehensweise bei der Auswertung ermöglichen. Ändert sich etwas am etablierten Ablauf - etwa durch den Wechsel der Fremddienstleister oder die Einführung neuer Hochregallagersoftware -, ist eine Anpassung an bestehende Systemkomponenten oberstes Gebot.

SOA modernisiert die IT

Die Mehrheit großer und mittlerer Unternehmen plant Studien zufolge für die nächsten Jahre SOA-Aktivitäten oder hat bereits entsprechende Projekte gestartet. Im Mittelstand wird dagegen oft beklagt, dass mit SOA kein Geld zu verdienen sei, denn wenige Kunden fragen explizit nach SOA. Was dabei häufig übersehen wird, ist die Tatsache, dass für den Bedarf der Kunden, ihre Geschäftsprozesse zu flexibilisieren und zu optimieren, eine Service-orientierte Architektur die Antwort liefern könnte; würde er explizit nach SOA fragen, dann hätte er schon einen Lösungsvorschlag parat.

Tatsache ist: Auch Mittelständler kommen bei Themen wie Optimierung und Flexibilisierung ihrer Geschäftsprozesse nicht an SOA vorbei. Es liegt auf der Hand, dass genau da SOA auch für Mittelständler Sinn macht, wo Standardlösungen nicht mehr greifen und historisch gewachsene heterogene IT-Systeme oft hohe Prozessoptimierungspotenziale bieten.

Der Autor

Dirk Kissinger

ist Senior Marketing Manager bei Red Hat Deutschland.

Kontakt und Infos:

www. redhat.de

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