Software-Piraterie: Deutsche Behörden machen ernst bei der Freibeuterjagd

02.06.1998

MÜNCHEN: In den letzten Wochen heizten Microsoft und Polizei dem Markt kräftig ein: Die Jagd nach Software-Piraten, so zeigt sich, ist nicht länger der von der Branche zumeist belächelte wilde Aktionismus diverser Softwareverbände - sondern Chefsache bei Herstellern und Händlern. Hausdurchsuchungen, Festnahmen, einstweilige Verfügungen im Handelsbereich zeigen: Software-Piraten werden nun auch von Polizei und Staatsanwaltschaft als Kriminelle angesehen.Das Angebot klingt einfach zu verlockend: Der Anrufer bietet MS-Office-Pakete zu einem Preis an, der gerade einmal ein Drittel des regulären EKs beträgt. Als erfahrener Händler wird man natürlich sofort mißtrauisch - da muß einfach etwas faul an der Sache sein. Andererseits möchte man aber so gerne glauben, daß die Ware aus einer Geschäftsauflösung stammt, wie der freundliche Mensch am Telefon so glaubhaft versichert. Nun - anschauen kostet nichts, auch nicht Kopf und Kragen, und Rückgaberecht wird auch noch zugesichert.

"Ist doch ganz klar, daß man bei solchen Superschnäppchen manchmal schwach werden möchte", bekennt der Vertriebsleiter eines süddeutschen Fachhandelsunternehmens gegenüber ComputerPartner. "Da schaut man sich die Produkte vielleicht nicht ganz so genau an, wie man es sollte."

Und hat dann womöglich manipulierte, gefälschte oder gar Hehler-Ware im Schaufenster liegen. Das kann ziemlich brenzlig für den Händler werden, wenn er auffliegt - und in den letzten Monaten häuften sich die Fälle, bei denen Fälscher und ihre Anbieter vor Gericht zu saftigen Geld- und Gefängnisstrafen verdonnert wurden.

Staatsanwaltschaft nimmt Software-Piraterie ernst

Dafür gibt es mehrere Gründe. "Bis 1993 gab es in Deutschland im Urheberrecht viele Grauzonen", erinnert sich Dr. Katharina Scheja. Die Rechtsanwältin in einer Frankfurter Großkanzlei ist seit geraumer Zeit für Microsofts Software-Piraterie-Abteilung tätig. Seit rund vier Jahren verfolgt der Softwareriese Trittbrettfahrer und Fälscher vehement und baute firmenintern eine Infrastruktur auf, die die Verfolgung möglicher Straftaten bis hin zu den Hintermännern erlauben soll.

In Deutschlands Microsoft-Zentrale besteht die Mannschaft der Piratenjäger aus Sabine Lobmeier, der Verantwortlichen für die eigens gegründete Abteilung Software-Piraterie. Dazu kommen noch ehemalige Mitarbeiter aus dem Polizeidienst, die nun im Sold von Microsoft nach Hinweisen für mögliche Rechtsübertretungen im Markt forschen.

Testkäufer suchen nach Übeltätern im Handel

Außerdem, so verrät Lobmeier, suchen noch "Testkäufer, die bei Microsoft angestellt sind und - in allen Kanälen - Stichproben machen", nach Hinweisen für mögliche Gesetzesübertretungen. In jeder

großen Stadt in Deutschland, so die Piratenjägerin, gibt es mindestens zwei solcher verdeckte Ermittler. In der für den Fachhandel erstellten Info-Broschüre "Software-Piraterie" heißt es dazu: "Allein 1996 stieß Microsoft bei 1.200 Testkäufen in 271Fällen auf gefälschte oder illegal vertriebene Ware! In jedem dieser Fälle strengte Microsoft rechtliche Aktionen an - von Abmahnungen mit Unterlassungsaufforderung in weniger schweren Fällen (90) bis hin zu Strafverfahren in schwereren Fällen (58). Und in 21 Fällen wurden von Microsoft sogar Hausdurchsuchungen bei der Staatsanwaltschaft beantragt."

Letztendlich habe man in den vergangenen Jahren auch bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft Überzeugungsarbeit leisten können: "Anfangs haben viele Ermittler noch geglaubt, es handele sich bei den illegalen Geschäften mit der Software zumeist um Kavaliersdelikte", schüttelt die Rechtsexpertin Scheja den Kopf. "Man nahm wohl an, wir wollten irgendwelche armen Studenten vor Gericht zerren, die sich irgendwo eine Windows-Version heruntergezogen hatten." Doch das, so Scheja weiter, sei nie Sinnen und Trachten von Microsoft gewesen. Man wolle allerdings - vorrangig im Business-Bereich - einigen kriminellen Unsitten den Riegel vorschieben. Laut Microsoft handelt es sich dabei zu rund 50 Prozent um den Vertrieb von Raubkopien - darunter zunehmend auch von Microsoft-Mäusen, zu etwa 25 Prozent um den Vertrieb oder die Herstellung "manipulierter Produkte", wobei oftmals Fälschungen mit Original-COAs ausgestattet werden und letztendlich zu 25 Prozent um das leidige Thema "Unbundling".

"Und mittlerweile sehen auch die Behörden, worum es geht: Um Diebstahl, Betrug und Hehlerei - und das wird entsprechend geahndet und bestraft," stellt Lobmeier erleichtert fest.

Wie beispielsweise im Falle der Diebe in Schottland, die neben großen Stückzahlen von CD-ROMs auch kartonweise COAs mitgehen ließen: Die Polizei ermittelte auf Hochtouren, zwei Verdächtige wurden festgenommen, immerhin rund 3.000 COAs sichergestellt.

Oder die neun deutschen Handelsunternehmen, bei denen die Ermittler während einer Hausdurchsuchung Mitte November gleich eine Fälscherwerkstatt aushoben, Fälschungen und manipulierte Rechnungen beschlagnahmten und Scheja zufolge auch Hinweise auf mögliche Drahtzieher fanden. Denn die - und nicht der Fachhandel - seien das eigentliche Jagdziel von Microsoft, versichert Lobmeier.

Viele Händler finden: Microsoft trägt den Kampf auf ihrem Rücken aus

Doch ganz so bekannt, wie die Verantwortlichen bei Microsoft sich das vorstellen, ist diese Botschaft im Markt noch nicht. Verunsicherte und teilweise erboste Händler hatten sich an die ComputerPartner-Redaktion gewandt mit Hinweisen darauf, daß das Handling der Aktionen gegen Software-Piraten auf ihrem Rücken ausgetragen würde (siehe Kasten, Seite 38 unten). Einige Vorwürfe konnte Lobmeier entkräften, oft hieß es aber: "nicht genug Leute" oder "da gab es ein logistisches Problem". "Uns liegen natürlich die gleichen Stellungnahmen und auch Kritiken von Händlern vor, wie Ihnen", erklärt Lobmeier. "Die meisten können wir auch bearbeiten. Aber es ist doch so, daß auch der Händler in diesem Bereich eine Verpflichtung hat und agieren muß - er kann nicht einfach davon ausgehen, daß Microsoft für ihn alles regelt." Schließlich und endlich sei eine entsprechende Marktbeobachtung die Pflicht des Fachhandels - da unterscheide er sich doch von den anderen Kanälen. "Und sicher ist: Wir stehen noch ziemlich am Anfang, der Handel wird zunehmend mit Problemen der Software-Piraterie und ihren Auswirkungen konfrontiert werden und muß sich darauf einrichten", prophezeit die Microsoft-Managerin für die kommenden Jahre.

Andererseits geben die offiziellen Zahlen zum Thema Softwarepiraterie in Deutschland Entwarnung. So sank laut BSA der Anteil von 42 Prozent im Jahr 1995 auf rund 36 Prozent in 1996. "Wir werden wohl nie eine Piraterierate von Null haben", räumt Lobmeier ein. "Aber die Erfolge der letzten Zeit zeigen, daß wir auf dem richtigen Weg sind." (du)

So muß ein Microsoft-Echtheitszertifikat aussehen. Diese Variante wurde im Juli 1996 eingeführt und verfügt nicht mehr über ein Hologramm, sondern über ein Wasserzeichen.

Sabine Lobmeier: Im deutschen Microsoft-Haus ist sie gleichzeitig Leiterin, Mitarbeiterin und Außendienstlerin der Abteilung Software-Piraterie. Doch mittlerweile weiß sie den staatlichen Rechtsapperat hinter sich.

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