Softwareentwicklung in Deutschland:

15.03.1996
MÜNCHEN: Die Konzentration in der Softwarebranche nimmt stark zu. Zwar liegen die prognostizierten Wachstumsraten des deutschen Marktes für das laufende Jahr bei etwa sieben Prozent. Die Marktanteile der kleineren und mittleren Häuser sind in den letzten Jahren jedoch dramatisch gesunken. Viele kämpfen im Schatten der Großen ums blanke Überleben.Der Warnhinweis von Gerhard Adler, Geschäftsführer der Eschborner Unternehmensberatung Diebold Deutschland GmbH ist eindeutig: "Wer es als kleineres Softwarehaus nicht versteht, rechtzeitig eine lukrative Nische zu besetzen oder im Verbund mit Partnern eine Komplettlösung anzubieten, wird zunehmend Schwierigkeiten bekommen." Die neueste Untersuchung der Analysten bringt es an den Tag: In den letzten fünf Jahren sank der Marktanteil der mittelständischen Softwareschmieden von 67 auf 49 Prozent. Dagegen konnten sich die großen Anbieter von elf auf 26 und die Big Player im Hardwaremarkt, die ihre Geschäftsaktivitäten immer mehr auch in Richtung Software ausrichten, von 22 auf 25 Prozent steigern. "Insgesamt teilen sich inzwischen nicht viel mehr als 30 Unternehmen rund die Hälfte des gesamten Branchenumsatzes, der bei etwa 33 Milliarden Mark liegt", gibt der Diebold-Statthalter zu verstehen. Den kläglichen Rest teilen sich zwischen 7.000 und 10.000 kleinere Häuser.

MÜNCHEN: Die Konzentration in der Softwarebranche nimmt stark zu. Zwar liegen die prognostizierten Wachstumsraten des deutschen Marktes für das laufende Jahr bei etwa sieben Prozent. Die Marktanteile der kleineren und mittleren Häuser sind in den letzten Jahren jedoch dramatisch gesunken. Viele kämpfen im Schatten der Großen ums blanke Überleben.Der Warnhinweis von Gerhard Adler, Geschäftsführer der Eschborner Unternehmensberatung Diebold Deutschland GmbH ist eindeutig: "Wer es als kleineres Softwarehaus nicht versteht, rechtzeitig eine lukrative Nische zu besetzen oder im Verbund mit Partnern eine Komplettlösung anzubieten, wird zunehmend Schwierigkeiten bekommen." Die neueste Untersuchung der Analysten bringt es an den Tag: In den letzten fünf Jahren sank der Marktanteil der mittelständischen Softwareschmieden von 67 auf 49 Prozent. Dagegen konnten sich die großen Anbieter von elf auf 26 und die Big Player im Hardwaremarkt, die ihre Geschäftsaktivitäten immer mehr auch in Richtung Software ausrichten, von 22 auf 25 Prozent steigern. "Insgesamt teilen sich inzwischen nicht viel mehr als 30 Unternehmen rund die Hälfte des gesamten Branchenumsatzes, der bei etwa 33 Milliarden Mark liegt", gibt der Diebold-Statthalter zu verstehen. Den kläglichen Rest teilen sich zwischen 7.000 und 10.000 kleinere Häuser.

Marktlücken zu finden genügt alleine nicht

Um gegen die schier allmächtige Konkurrenz der Softwaregiganten wie Microsoft, SAP, Oracle und Hardwareriesen wie IBM, Siemens Nixdorf oder Hewlett-Packard sowie auf Projektgeschäfte und Serviceleistungen spezialisierte Unternehmen wie Debis, Datev, Alldata, CSC Ploenzke oder EDS zu bestehen, müssen die Kleinen tief in ihre Trickkiste greifen, um sich in den noch verbliebenen Marktnischen festzukrallen. Doch das Finden der eigentlichen Lücke, in die der Softwarefabrikant stoßen will, alleine genügt noch lange nicht. Kapitalbeschaffung, die Auswahl geeigneter Vertriebskanäle oder die immensen Schwierigkeiten, auch bei Großkunden einen Fuß auf die Matte zu bekommen, fordern ein hohes Maß an Engagement, Ausdauer und Einfallsreichtum.

"Man muß sich stets vor Augen führen, daß ein Produkt nur dann gut ist, wenn schon im Vorfeld sichergestellt ist, daß eine Nachfrage seitens des Marktes besteht. Eine gute Idee zu haben und ein wirklich tolles Programm zu entwickeln genügt alleine nicht. Doch genau diesen Fehler machen viele", weiß Herbert Lefering, Sales- und Marketing-Manager des Ahauser Softwarehauses Tobit GmbH zu berichten (Umsatz 1995: 10 Millionen Mark, geplanter Umsatz 1996: 18 Millionen Mark, derzeit rund 50 Mitarbeiter). Das 1986 gegründete Unternehmen verstand sich in den Anfangsjahren als Systemhaus für Hard- und Software. Das Kerngeschäft bestand aus dem Verkauf projektbezogener Lösungen und Individualsoftware, die die Ahauser im Auftrag ihrer Kunden entwickelten. Seit einigen Jahren hat man sich vom Service- und Projektgeschäft verabschiedet, das Brot- und Butter-Produkt ist heute eine Client-Server-basiernde Faxlösung. Und da heißt es Volumen zu generieren, denn nur dann können die teilweise immensen Investitionskosten, die durch Programmentwicklung, Softwarepflege, Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter sowie Bereitstellung der Entwicklungsplattformen verursacht werden, wieder eingefahren werden. Nur über die Zusammenarbeit mit Distributoren ist es nach Ansicht von Lefering möglich, die zum Überleben notwendige Stückzahl abzusetzen.

Bei den Distributoren ist kein Platz mehr frei

Doch die Aussichten, bei einem der großen Distributoren gelistet zu werden, sind alles andere als rosig. "Es ist fast unmöglich, da heute noch reinzukommen, denn eigentlich sind alle Plätze schon vergeben und alle, die drin sind, versuchen, ständig neue Produkte nachzuschieben, weswegen kein Platz frei wird. Selbst wenn jemand eine bessere Lösung vorweisen kann, hat er nur minimalste Chancen, aufgenommen zu werden", erklärt Lefering die derzeitige Situation. Während Tobit nach eigenem Bekunden aus dem Gröbsten raus ist und seit gut einem Jahr auch im internationalen Geschäft tätig ist, bleibt für viele kleine Softwareschmieden dieser wichtige Vertriebskanal auch weiterhin verstopft. Sie sind gezwungen, andere gangbare Wege zu suchen, um den Absatz ihrer Produkte zu fördern. Edgar Reh, Geschäftsführer der Skill Software GmbH (Umsatz 1995: 500.000 Mark, geplanter Umsatz 1996: 800.000, acht Mitarbeiter) mit Sitz in Frankfurt hat es schon lange aufgegeben, um die Gunst der Distributoren zu buhlen. Für Reh, dessen drei Produkte in den Bereichen Vertriebssoftware, Terminmanagement und Kommunikation angesiedelt sind, stellt sich diese Angelegenheit als Paradoxon dar: "Wenn Sie ein Produkt entwickelt haben, wo einem Microsoft oder Lotus nicht bereits übermorgen in die Suppe spucken können, dann ist das Produkt garantiert erklärungsbedürftig. Dann braucht der Anwender Hilfestellung oder gar Schulung. Und wenn das Fall ist, kann man die Distributoren allesamt vergessen. Sollten die trotzdem anfangen, das Produkt zu verkaufen, braucht man nur darauf zu warten, bis sich einer der Großen der mühevoll entwickelten Lösung annimmt und einen glattweg überrollt. Da muß man höllisch aufpassen", schildert der Geschäftsführer die Problematik. Aus diesem Grund hat sich Reh entschieden, sich vorerst auf das Backen kleiner Brötchen zu konzentrieren und sich Ziele zu stecken, deren Erreichung ihm machbar erscheinen. 200 Kunden will er im Laufe dieses Jahres für seine softwaregestützte Vertriebslösung gewinnen.

Kooperation als Ausweg

Um seinen Bekanntheitsgrad zu steigern, hat Reh jetzt den Weg der Kooperation eingeschlagen. Da er in Erfahrung gebracht hat, daß Filialist Escom sich derzeit stark um die Zielgruppe Vertriebsbeauftragte bemüht, damit der Absatz in die Höhe geht, packte Reh diese Gelegenheit am Schopf und versuchte mit dem Retailer ins Geschäft zu kommen. Mit Erfolg: Gemeinsam bieten sie Vertriebsbeauftragten die Möglichkeit, für zwei Monate kostenlos ein Escom-Notebook gepaart mit Reh's Software zu testen. Damit sich die VBs an die Hand genommen fühlen und nicht Gefahr laufen, sich mit dem neuen EDV-gestützen Verkaufsinstrumentarium zu verzetteln, beinhaltet das Angebot außerdem ein Coaching-Seminar. Darüber hinaus konnte die Kooperationsgemeinschaft die redaktionelle Unterstützung des unter Vertreterkreisen einschlägig bekannten Special-Interest-Blattes "Sales-Profi" gewinnen, die mit einer Artikelserie das Wirken eines mit High-Tech ausgestatteten Vertriebsmannes aufzeigen. Reh freut sich riesig, daß die Zusammenarbeit zustande gekommen ist und hält Kooperationen wie diese mit für die wichtigsten Überlebensstrategien seines Unternehmens. "Nur wenn wir gemeinsam auf eine Zielgruppe zugehen und denen eine gute Lösung präsentieren, ist uns Erfolg sicher. Alleine hätte das wahrscheinlich keiner von uns beiden geschafft", zeigt sich Reh stolz.

"Wir wollen geschluckt werden"

Doch nicht immer muß die Angst, von einem der Softwareriesen frei von jeglichen Schluckbeschwerden gefressen zu werden, im Vordergrund stehen. Für Frank Didszuleit, der zusammen mit seinem Co-Geschäftsführer Martin Dobler im November letzten Jahres in München das Softwarehaus Mobis Mobile Computer GmbH gegründet hat, ist dies sogar hehres Ziel. "Letztendlich arbeiten wir darauf hin, daß einer der Großen unsere Lösung irgendwann übernimmt, denn unsere Produkte sind für den breiten Massenmarkt konzipiert", erklärt Didszuleit. Als Vertriebskanal haben sich die Münchener den Fachhandel ausgesucht - unter Umgehung zwischengeschalteter Distributoren. "Bei denen weiß man sowieso nie, wo das ganze Geld hingeht, das man dort angeblich für Werbung hinblättert", begründet der Jungunternehmer die Entscheidung. Man müsse sich schon im Vorfeld sehr genau überlegen, wie das eigene Produkt vertrieben werden soll, denn Möglichkeiten gäbe es reichlich, so Didszuleit weiter.

Passenden Vertriebskanal suchen

Lange Zeit hatten die Mobis-Chefs überlegt, wie sie ihren eigenentwickelten Assistenten, der quasi ein Gerüst für bereits vorhandene Standardsoftware wie Textverarbeitung, Datenbanken, Tabellenkalkulation oder Telefax-Applikation darstellt und zusammen unter einer gemeinsamen Oberfläche verknüpft, am geschicktesten unter das Anwendervolk bringen könnten. Von Toshiba wurde ihnen die Möglichkeit eingeräumt, den Mobis-Assistenten auf den frisch produzierten Notebooks vorinstallieren zu lassen. "Pro Rechner hätten wir dann zwei bis drei Mark bekommen, was schlicht und ergreifend eine Farce ist. Zudem sehen wir hier für unser Produkt die Gefahr eines Imageverlustes, denn für einen Großteil der Anwender hat vorinstallierte Software einen minderwertigen Charakter", fügt Didszuleit hinzu. "Wir investieren lieber in ein vernünftiges Fachhandelskonzept, denn unsere Lösung eignet sich für unser Dafürhalten geradezu ideal zum Cross-Selling. Da kann ein Händler eine Routenplanung dazupacken, ein Office-Paket mitverkaufen oder sogar eine GSM-Lösung mitanbieten. Deswegen haben wir unsere weitere Vorgehensweise darauf abgestimmt, daß wir uns gefragt haben, welche Unterstützung ein Fachhändler in den ersten drei bis sechs Monaten braucht, um erfolgreich zu sein. Uns ist beispielsweise klar geworden, daß wir den Wiederverkäufer unter Umständen sogar finanziell unterstützen müssen oder Telemarketing für ihn betreiben sollten, weil er es alleine nicht schafft. Das tun wir auch, erwarten aber dann aber eine aktive Vermarktung seinerseits", beschreibt der Co-Geschäftsführer das Zusammenspiel mit Händlern.

Starke Zurückhaltung bei den Banken

Das leidige Thema Kapital bereitet den hiesigen Softwarehäusern nach wie vor große Kopfschmerzen. Skill-Software-Chef Reh bringt es auf den Punkt: "Die Zusammenarbeit mit Banken ist grauenhaft. Die halten Softwareentwickler noch immer für irgendwelche Freaks, die in Turnschuhen umherlaufen und völlig abgehoben sind. Denen muß man schon das Häuschen der Oma als Sicherheit anbieten, sonst geigt sich in puncto Kreditvergabe überhaupt nichts. Die setzen Milliardensummen in den Sand, nur weil eine Firma Siemens dahintersteckt, aber als kleiner Entwickler bekommen Sie nicht eine müde Mark von denen. Solange ich es jedenfalls vermeiden kann, mache ich einen großen Bogen um die Banken." Reh hat bisher alles aus eigener Tasche finanziert, doch das ist keineswegs der Normalfall. Viele seiner Kollegen können oder wollen den teilweise hohen Investitionsbedarf nicht aus der Privatschatulle bestreiten. Auch die Mobis-Geschäftsführer kennen das Gezänk mit den Kreditanstalten. "Uns hat man bei der Bank wissen lassen, es gäbe in diesem Haus einen Vorstandsbeschluß, kein Geld in Softwarefirmen zu investieren. Das ist ein Dilemma. Jeder, der zur Bank geht und Geld braucht, weil er in seinem Garten nach Öl bohren will, hat mehr Chancen als unsereiner", weiß Didszuleit aus eigener Erfahrung zu berichten.

Selbst staatliche Förderungsmittel gibt es nur, wenn dafür Investitionsgüter angeschafft werden, und eine Entwicklungsplattform bestehend aus Hard- und Software fallen hier durch das Zuteilungsraster. "Die Bänker wollen am liebsten durch irgendwelche Werkstatthallen gehen und sagen "Das gehört jetzt alles mir", berichtet er weiter. Didszuleit und Dobler gingen schlußendlich den Weg über eine Risikokapitalfinanzierung. Doch auch für diese - in Deutschland noch weitgehend unterentwickelte Finanzierungsform - sind im Vorfeld jede Menge Hürden zu nehmen. Bis es zu einer aktiven Beteiligung der Berliner Technologieholding Venture Capital GmbH kam, mußten die beiden einen ausgefeilten Businessplan einreichen, bis der Robin Hood des Technologie-Zeitalters die notwendigen Gelder lockermachte. Jetzt wollen die Newcomer im ersten Geschäftsjahr einen Umsatz von einer Million erwirtschaften, der in den darauffolgenden Jahren jeweils verdoppelt werden soll.

Schnelle und umfassende Informationsbeschaffung zum Thema Softwareentwicklung sind ebenfalls ein Problemfeld für die Weichwarenbranche. Tobit kann es sich inzwischen leisten, Personal abzustellen, das den Pionieren in den USA über die Schulter schaut. "Marktbeobachtung und Informationsgewinnung haben mittlerweile einen sehr hohen Stellenwert in unserem Haus", berichtet Lefering und hält es für unabdingbar, einen guten Draht zu den Großen der Branche zu haben. "Nur so können wir in Erfahrung bringen, mit welchen Software-Tools die heute arbeiten und wie sich deren strategische Ausrichtung entwickelt", so der Manager weiter und resümiert: "Man muß die Vorteile seiner Mitbewerber ganz genau kennen. Denn nur so schafft man sich die notwendige Distanz und kann in seiner Nische dauerhaft überleben". (cm)

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