Softwarehersteller Vectorsoft backt sich seine neuen Mitarbeiter selbst

02.06.1998

HEUSENSTAMM: Der hessische Softwarehersteller Vectorsoft hat seinen eigenen Weg gefunden, mit der schwierigen Personalsuche fertig zu werden. Er sucht sich die Mitarbeiter direkt in der Schule und läßt die Universitäten links liegen.Das Problem ist bekannt: Es gibt in Deutschland einen akuten Mangel an gut ausgebildeten Personen für die Informationstechnikbranche. Vor allem die Softwarehäuser klagen über die Schwierigkeiten, geeignetes Personal zu finden. Es gibt aber nicht nur insgesamt zu wenige, erschwerend kommt noch hinzu, daß nach Ansicht vieler Geschäftsführer von Softwareschmieden die Hochschulen nicht praxigerecht ausbilden. "Die Leute, die von der Uni kommen, sind vollgestopft mit Theorie und nur bedingt praxistauglich. Die müssen wir erst einmal auf den Boden der Tatsachen wieder zurückholen. Softwareentwickler sind Künstler", erklärt Edwin Heinecke, geschäftsführender Gesellschafter der Vectorsoft GmbH in Heusenstamm bei Frankfurt.

Wenn dann auch noch Branchenprimus SAP erklärt, in diesem Jahr weltweit 5.000 und davon allein in Deutschland 2.000 zusätzliche Mitarbeiter einstellen zu wollen, fragen sich natürlich vor allem die kleineren Häuser, woher sie ihren Nachwuchs rekrutieren sollen. Phantasie ist also gefragt.

Eine Lösung: Sie backen sich ihre Mitarbeiter selber. Das dachte sich wohl auch Vectorsoft-Chef Heinecke und startete unter dem Motto "Praxis in der Schule - Schule im Betrieb" eine Kooperation mit dem Beruflichen Gymnasium der Gewerblich-technischen Schulen in Offenbach. Die Kooperation beinhaltet, daß einerseits Spezialisten von Vectorsoft den Schülern des EDV-Leistungskurses im Rahmen der normalen Unterrichtseinheiten Theorie und Praxis der Entwicklung von Datenbanken vermitteln, und andererseits Schüler Gelegenheit haben, in Form von Praktika bei Vectorsoft in den betrieblichen Alltag eines Softwarehauses hineinzuschnuppern.

Eine Hand wäscht die andere

Die Kooperation lohnt sich für alle Beteiligten. Sowohl Schüler als auch Lehrer bleiben durch den intensiven Kontakt mit den Vectorsoft-Entwicklern immer auf der Höhe der Zeit. So dürfen etwa die Lehrer unentgeltlich an Entwickler-Schulungen bei Vectorsoft teilnehmen. Vor allem aber für die Schüler ist der enge Praxisbezug eine wichtige Orientierungshilfe in bezug auf die zukünftige Berufslaufbahn. "Die Abiturienten lernen die unterschiedlichen Aufgabenbereich in der Branche kennen und können herausfinden, wo ihre Interessen und Stärken liegen. Immerhin entscheiden sich rund zwei Drittel unserer Abgänger mit Schwerpunkt EDV, in dieser Branche Fuß zu fassen, wobei immer mehr unmittelbar in den Beruf einsteigen, statt zu studieren", erklärt Schulleiter Dr. Ludwig Scheller, der selbst den Leistungskurs EDV leitet.

Bereits in der Vergangenheit haben einige Schulabgänger direkt nach ihrem Abschluß bei Vectorsoft angeheuert. Einer von ihnen ist jetzt, mit Mitte zwanzig, die rechte Hand von Vectorchef Heinecke. Zwei weitere Abiturienten werden nach Ableistung des Wehr- beziehungsweise Zivildienstes ab Sommer dieses Jahres bei Vectorsoft zu Fachinformatikern ausgebildet. Mittelfristig wollen Vectorsoft und das Berufliche Gymnasium in Offenbach ein Ausbildungspaket schnüren, das aus einer Vermittlung der theoretischen Grundlagen in den letzten drei Schulklassen (Leistungskurs) und einer anschließenden 18monatigen (statt regulär: 38 Monate) Ausbildung zum Fachinformatiker im Bereich Anwendungsentwicklung besteht. Dabei müßten die Azubis nur in den letzten sechs Monaten die Berufsschulbank drücken.

Vectorsoft-Chef Heinecke ist mit den bisherigen Erfahrungen rundum zufrieden und würde sich wünschen, daß dieses Projekt Nachahmer findet. "Ich kann", erklärt er, "eine derartige Kooperation nur jedem anderen Unternehmen unserer Branche empfehlen." (sic)

Vectorsoft-Chef Edwin Heinecke holt seine zukünftigen Mitarbeiter schon vor der Schupforte ab.

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