Softwarevertrieb im Peer-to-Peer-Netzwerk

26.07.2001
1998 brachten die Brüder Jörn und Mirko Hartmann die Macintosh-Software "Carracho" auf den Markt. Über Perspektiven des Softwarevertriebs über Peer-to-Peer-Netzwerke sprach mit ihnen ComputerPartner-Mitarbeiterin Waltraud Ritzer.

Peer-to-Peer (P2P) gilt als der neue Hype ...

Jörn Hartmann: Dabei ist es eigentlich nur alter Wein in neuen Schläuchen. Die Erfinder des Internet, die amerikanischen Militärs, nutzten schon das P2P-Prinzip, um ihre Systeme sicherer zu gestalten. Nach dem Motto: Fällt ein Rechner aus, springt ein anderer im Netz ein. Sicherlich, die heutige P2P-Technologie wurde verfeinert und entscheidend ausgebaut. Doch das Prinzip ist letztlich gleich geblieben.

Wie wird P2P den Vertrieb über das Internet verändern?

Mirko Hartmann: Grundsätzlich können alle digitalisierbaren Produkte wie Software, Musik, Bilder und Videos über das Internet vertrieben werden, das ist sowohl mit P2P, aber auch mit einer normalen Client-Server-Architektur möglich. Mit P2P erfolgt der elektronische Vertrieb allerdings weitaus schneller, effizienter und kostengünstiger. Möchte ein Kunde beispielsweise eine neue Software down- loaden, muss er nicht mehr zu einem zentralen Server, sondern nur zu einem Rechner innerhalb seiner Community. Vom zentralen Server, in diesem Fall auch Tracker oder Broker genannt, holt er sich nur die Information, wo die Software zu finden ist. Damit werden unnötig lange Download-Wege und Datenstaus weit gehend vermieden.

Und die Umsätze?

Mirko Hartmann: Alle Beteiligten können an den Umsätzen partizipieren: zum einen der Software-Autor, der natürlich den Löwenanteil erhält, der Marktplatzbetreiber und auch derjenige, der als Mitglied des P2P-Netzwerkes seine Speicherkapazitäten zur Verfügung stellt.

Klingt nach einem großartigen System - wann wird es Realität?

Jörn Hartmann: (lacht) Wir sind momentan im Gespräch mit mehreren Interessenten, die unsere Lösung in ihren Web-Auftritt implementieren wollen. Diese früher als reine Internet-Service-Provider tätigen Kunden wollen eine eigene Community aufbauen und damit ihre Kunden besser an sich binden. Mit unserer Lösung können sie beispielsweise Newsgroups, Chats oder Marktplätzen P2P-Verfahren anbieten. Genauso gut könnten sie damit aber auch einen Softwaremarktplatz einrichten.

Sie werden diesen Marktplatz nicht selbst stemmen?

Jörn Hartmann: Selbstverständlich könnten auch wir alleine diesen Marktplatz stemmen. Wir halten jedoch unseren Weg - Lizenzierung maßgeschneiderter P2P-Systeme an Zwischenanbieter - für sinnvoller. Wir glauben, dass es für einen Endnutzer viel interessanter ist, wenn er neben der reinen Suche nach Dateien ein redaktionell betreutes Umfeld geboten bekommt. Man denke hierbei nur an themenspezifische Webangebote, wie zum Beispiel Musikportale. Das ist nicht unsere Kernkompetenz. Wir konzentrieren uns auf das Erstellen von intelligenter Software. Es gibt viele Unternehmen, die den ergänzenden Part übernehmen könnten - und dies auch tun werden.

Wegen der Sicherheitsbedenken der Endkunden kommt E-Commerce nicht in Schwung. Welche Lösung bieten Sie hier an?

Jörn Hartmann: Dem Thema Sicherheit räumen wir den allerhöchsten Stellenwert ein und werden hierbei auch auf Lösungen von Drittanbietern zurückgreifen. Unser System ist an dieser Schnittstelle flexibel gestaltet. So können wir schnell und problemlos die jeweils beste am Markt befindliche Lösung in unsere Software einbinden.

Ihre Lösung basiert auf einem Shared-Ordner-System: Jeder User gibt einen Teil seiner Festplatte frei. Wie verhindern Sie, dass ein Dritter nicht auch in den geschützten Bereich eindringt?

Jörn Hartmann: Unser System funktioniert nur in einer Richtung. Das heißt, Dateien können von einem Client nur im Download abgeholt werden, aber niemand kann Dateien oder Viren auf einem fremden Computer ablegen oder sich im privaten Bereich des Clients bewegen. Natürlich ist es vorstellbar, dass man sich versehentlich eine virusbehaftete Datei von einem anderen User herunterlädt; die Gefahr ist hierbei jedoch nicht größer als im World Wide Web oder via E-Mail. Bei entsprechender Sorgfalt im Umgang mit Dateien aus dem Internet lässt sich das Risiko reduzieren.

Und die rechtliche Komponente? Napster musste ja bekanntermaßen abgeschaltet werden ...

Mirko Hartmann: Das Urheberrechtsproblem ist bekannt - gibt es Klagen, können wir eine Datei sofort aus unserem Verzeichnis löschen. Alle unsere Dateien sind mit einem so genannten Fingerprint versehen, einer Art Meta-Beschreibung, unter der sie auf dem System abgelegt sind. Damit verhindern wir, dass eine Datei unter einem anderen Namen wieder in Umlauf kommt. Der Schutz des Urheberrechts hat für uns oberste Priorität, denn nur so wird sich P2P als lukrativer Vertriebskanal etablieren.

www.carracho.com

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