(Update: Dieser Beitrag wurde am 31. August 2024 um weitere Stimmen von Unternehmern und Unternehmen aus Thüringen und Sachsen sowie um die Ergebnisse einer Umfrage bei LinkedIn ergänzt. Am 2. September 2024 wurden am Ende des Artikels die Ergebnisse der Landtagswahlen eingefügt.)
Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen lösten bundesweit Diskussionen aus. Kein Wunder: Schließlich wurden im Wahlkampf nicht nur länderspezifische Themen heiß diskutiert, sondern auch bundespolitische - etwa Themen wie Asylpolitik, Außenpolitik (Unterstützung der Ukraine) oder Wirtschafts- und Energiepolitik.
Bereits Anfang 2024 haben sich im Vorfeld der Europawahlen Verbände wie der Bitkom und der eco Verband positioniert: Sie lehnen die Positionen der AfD weitgehend ab und halten sie für die Digitalwirtschaft sogar für nachteilig. Der Bitkom hat seinePosition im Vorfeld der Landtagswahln noch einmal bekräftigt- Der BITMi (Bundesverband IT-Mittelstand) sprach sich eher generell "gegen Extremismus, Intoleranz und Abschottung" aus.
Soll man sich engagieren oder raushalten?
Auch viele in Sachsen und Thüringen ansässige Unternehmen äußerten sich im Vorfeld er Wahlen politisch. Dazu gehören zum Beispiel Eproplast in Schmalkaden (Thüringen), der Lausitzer Unternehmer Alexander Jakschik, in seiner Funktion als Vorsitzender des Landesverband Ost beim VDMA, Michael Petry, Geschäftsführer des Beschichtungsspezialisten GB Neuhaus aus dem thüringischen Neuhaus am Rennweg sowie Jenoptik-CEO Stefan Traeger.
Politische Stellungnahmen und Aussagen von Unternehmen können sich aber auch als Bumerang erweisen. Das musste der Jenaer Online-Versender Böttcher im Januar festellen. Er hatte damals eine Umfrage zu politischen Themen unter seinen Beschäftigten gestartet und deren Ergebnisse veröffentlicht.
Eine der Fragen war auch die "Sonntagsfrage" - also die Frage, welche Partei man wählen würde, wenn am nächsten Sonntag Wahl wäre. Das Abstimmungsverhalten der Böttcher-Beschäftigten lag dabei ungefähr im Thüringer Landesdurchschitt - sorgte aber bei Facebook, wo es veröffentlicht wurde, dennoch für einigen Wirbel. Dazu mögen allerdings auch die anderen Fragen beigetragen haben, aufgrund derer dem Unternehmen unterstellt wurde, seine Beschäftigten vorzuschieben, um eigene Positionen zu vertreten.
Warum sich Unternehmen und Führungskräfte zu Wort melden
Sich als Unternehmen politisch zu äußern, birgt also durchaus Risiken. Dennoch haben zahlreiche Unternehmen den Schritt gewagt. Nicht jedes geht dabei so weit, wie die oben genannten und spricht in Interviews mit Radio, Fernsehen und Zeitungen darüber. Der slowakische IT-Security-Anbieter Eset hat etwa vor seiner in Jena ansässigen Deutschlandzentrale einfach Flaggen gehißt, in denen er unter anderem für ein "weltoffens Thüringen" plädiert.
Felix Müller, Geschäftsführer des in Dresden ansässigen IT-Dienstleisters IntraConnect, machte sich in Vorfeld der Wahlen auf LinkedIn Gedanken über die "denkbar schlechteste Alternative für Deutschland und Sachsen". Er schreibt: "Überall sehe ich AfD Wahlplakate ich mache mir große Sorgen, dass sie stärkste Partei in Sachsen werden. Sorgen als Mensch und als Unternehmer."
Über ein Drittel seiner Kunden seien existenziell auf ausländische Fachkräfte angewiesen. "Wenn diese hier nicht mehr bleiben wollen oder gar 'remigriert' werden, kommen auch wir in existenzielle Schwierigkeiten und damit auch die 26 Leute, die hier arbeiten inkl. ihre Familien."
Müller weiter: "Ich will nicht abstreiten, dass die etablierten Parteien in den letzten Jahren und Jahrzehnten große Fehler begangen haben. Und ich weiß, dass viele Menschen sich unverstanden, machtlos fühlen, Angst haben und sich daher nach einer Alternative sehnen. Aber die AfD ist mit Abstand die schlechteste Alternative für Deutschland und Sachsen. Wie man unsere Probleme mittel- und langfristig lösen kann, weiß ich auch nicht mit Sicherheit. Aber die AfD kann es schonmal nicht. Da bin ich sicher."
Tina Gruhl, Geschäftsführende Gesellschafterin des ebenfalls in Dresden ansässigen IT-Dienstleisters pdv-systeme Sachsen GmbH, steht einem Post bei LinkedIn zufolge als Unternehmerin und Arbeitgeber oft vor der Frage, inwieweit sie sich politisch äußern soll. Schließlich gebe es oft die Forderung, das Arbeitsumfeld solle neutral bleiben - eine Position, die auch bei der (nicht repräsentativen) Umfrage von ChannelPartner bei LinkedIn in den vergangenen Tagen deutlich zum Ausdruck kam.
"Still an seinem Platz zu verharren und lediglich auf den Wahlzettel zu starren, wird nichts an den Herausforderungen ändern, vor denen wir als Gesellschaft stehen", schreibt Gruhl. "Gerade in Zeiten wie diesen, in denen soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Stabilität und der Zusammenhalt unserer Gesellschaft auf dem Spiel stehen, ist es wichtig, dass auch Unternehmen eine klare Haltung einnehmen. Es geht nicht darum, die politische Meinung vorzuschreiben, sondern darum, die Belegschaft zu ermutigen, sich aktiv einzubringen und ihre Stimme zu nutzen."
Die Geschäftsführung der pdv-systeme Sachsen hatte sich deshalb entschlossen, die Belegschaft direkt anzusprechen. In der Mitteilung hatte sie dazu aufgerufen, wählen zu gehen und "gemeinsam die besten, zukunftsgerichteten und unternehmerfreundlichen Wege zu finden – ohne Ausgrenzung, ohne Hassgedanken, ohne Verwünschungen und ohne neidvolle Debatten."
Gruhl schrieb weiter: "Es ist keine leichte Entscheidung, aber ich würde mir vermutlich Vorwürfe machen, es nicht getan zu haben. Wir alle tragen eine Verantwortung, und wenn wir sie gemeinsam wahrnehmen, können wir die Zukunft aktiv mitgestalten – für unser Unternehmen, für unsere Mitarbeiter und für die Gesellschaft. Lasst uns diese Verantwortung nicht auf andere abwälzen."
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