Sony tritt in die Walkman-Fliegengewichts-Klasse ein

17.08.2000
Sony, Erfinder des Walkman, stößt mit dem "NW-MS7" in eine ganz neue Gewichts- und Größenklasse bei portablen Abspielgeräten vor. Er speichert Musik nämlich erstmals auf einem Memory Stick. ComputerPartner hat getestet, ob der Mini fit für den Markt ist oder schon nach wenigen Runden schlapp macht.

Wenn es um die Miniaturisierung von Produkten geht, hatte Sony schon immer die Nase vorn. Egal ob das die ersten Video-8-Camcorder im Handformat, die superflachen Vaio-Notebooks oder der legendäre Walkman mit Musikkassette war. Der Legende nach wollte der damalige Sony-Boss Akio Morita um das Jahr 1980 herum Musik in einem kleinen Gerät für unterwegs haben. Er beauftragte seine Chefingenieure damit, die ihm bereits kurze Zeit später den ersten Prototypen des Ur-Walkman auf den Schreibtisch legten. Der Rest ist Geschichte.

Nach Discman und Mini-Disc-Porti kommt nun die jüngste Evolution: der Memory-Stick-Walkman. Er arbeitet absolut mechanikfrei mit Sonys, im Digitalkamerabereich bereits seit längerem eingesetzten, Kaugummistreifen großen Memory-Stick-Speicher und ist insgesamt kaum größer als ein ausgewachsenes Feuerzeug.

Die voll recyclingfähige Papp-Verpackung fördert neben dem Gerät mit Schutztasche einen Stereo-Ohrhörer mit Zusatzverlängerungskabel, einen kombinierten USB-Ladeadapter, das Netzteil, ein (etwas kurzes) USB-Kabel, die Installations-CD für Windows 98, das 50seitige Handbuch sowie einen Memory Stick mit 64 Megabyte Kapazität zu Tage.

Wie schon bei anderen Sony-Produkten findet sich auch beim NW-MS7 ein Jog-Hebel, mit dem sich bequem durch die Menüsteuerung und die Titelliste rangieren lässt. Das Display ist baubedingt klein, aber - auch dank Hintergrundbeleuchtung - gut lesbar und gibt über alles Wichtige Aufschluss. Das Gerät liegt gut in der Hand, und die Bedienungselemente sind griffig. Lediglich die Lautstärkeregelung an der Oberseite ist etwas fummelig geraten. Zudem hätte dem Kleinen ein Gürtelclip für unterwegs gut getan. So muss er sich unberechtigterweise in der Hemd- oder Hosentasche verstecken.

Kein Einsatz für normale Memory Sticks

In dem Walkman-Winzling lassen sich ausschließlich Memory-Stick-Speichermedien mit "Magic Gate"-Technologie verwenden. Sie soll dafür sorgen, dass Musiktitel nur zwischen kompatiblen Geräten und Medien ausgetauscht werden. So können einzelne Files nicht vom Rechner auf den Walkman und anschließend auf einen anderen PC zurückkopiert werden. Damit will Sony dem Raubkopieren nicht unnötig weiter Möglichkeiten eröffnen. Dem beliebten Herunterladen von illegalen MP3-Dateien aus dem WWW hat das System allerdings nichts entgegenzusetzen. Gespeichert werden die Daten mit "Open MG". Diese Technik sorgt Software-seitig für eine digitale Verschlüsselung der Inhalte beim Aufzeichnen auf die PC-Festplatte. Der Nachteil: MP-3- oder Wave-Dateien müssen vor der Übertragung auf den Walkman zeitintensiv konvertiert werden, was pro Titel schon mal drei Minuten dauert. Bei gesammelten Überspielungen kann das insgesamt dann schon mal mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Um den Anwender nicht noch weiter zu quälen, wird das Gerät ausschließlich mit USB-Anschluss geliefert. Dieser sitzt, gemeinsam mit dem Ladeanschluss für den integrierten Lithium-Ionen-Akku, in einem kleinen ansteckbaren Adapter. So wandern die Daten wenigstens einigermaßen flott vom Rechner in den Walkman, was bei einer seriellen Verbindung ansonsten erneut für zusätzliche Wartezeiten sorgen würde. Gespeichert wird dann nach dem aus dem im Mini-Disc-Bereich bekannten Komprimierungsverfahren Adaptive Transform Acoustic Coding-3 (Atrac 3). So passt auf den mitgelieferten 64-MB-Streifen die erstaunliche Menge von 60 bis 120 Minuten Musik, je nach gewählter Bitrate und damit Klangqualität. Noch in diesem Jahr sollen sogar Memory Sticks mit 128 MB Kapazität verfügbar sein. Man braucht sich auch keine Sorgen darum zu machen, dass dem Akku vorher die Kraft ausgehen könnte, denn dieser reicht etwa für vier Stunden Nonstop-Betrieb.

Die Installation der Software erfolgte im Test problemlos. Nach einem Rechner-Neustart und der Integration des "Sony-Memory-Stick-Walkman Driver" in der Systemsteuerung hieß es "Ring frei" zur ersten Musikrunde. Die Klangqualität mit den mitgelieferten Ohrhörern ist eher durchschnittlich, glücklicherweise lassen sich an den genormten 3,5 Millimeter-Klinkenanschluss aber auch jede Menge besserer Kopfhörer anschließen.

Bearbeitungs-Software mit Bedienungsschwächen

Die mitgelieferte Software "Open MG Jukebox" macht in der Version 1.1 den Eindruck, als sei sie überhastet fertiggestellt worden. So gibt es zwar eine umfangreiche Online-Hilfe in Deutsch, bei der Bedienung ist man jedoch über das Englisch nicht hinausgekommen. Schwerer wiegt die etwas unstrukturierte Oberfläche, die speziell für Laien nicht selbsterklärend ist. Hier gibt es ein buntes Sammelsurium aus optischen Spielereien, Einstellungen für den Wiedergabebetrieb des Players, Sortierfunktionen für die Lieder und die Übertragungsfunktionen (von Sony witzigerweise "Ein- und Auschecken" genannt) zum und vom Walkman.

Was die einzelnen Zusatzdienste für Käufer des Memory-Stick-Walkman anbetrifft, lässt sich Sony noch Zeit. So herrscht im Internet bezüglich Support und Software-Upgrades (www.support-nwwalk man.com) noch Fehlanzeige, und die Informationsseite zum Gerät (www.sony-europe.com/com/walk man/index. html) baut sich gar nicht erst auf. Auch beim angekündigten Electronic-Music-Distribution-System (EMD) zum Download von Musiktiteln aus dem Netz wird man noch vertröstet. Dafür scheint das Unternehmen mit dem Memory Stick künftig noch mehr vorzuhaben, denn das Gerät lässt sich über den Windows Explorer wie ein eigenes Wechsellaufwerk ansprechen. Sony weist allerdings in der Bedienungsanleitung darauf hin, dass man dies nicht tun sollte, da die Daten sonst nicht mehr lesbar seien.

Was die Fachhandelsunterstützung anbetrifft, hat sich Sony einiges einfallen lassen. So bekommen alle Händler, die mindestens zwei Geräte bestellen, eine Vor-Ort-Schulung ihrer Fachverkäufer über die Sony-Fachberater. Außerdem gibt es eine ausführliche Broschüre für den Fachhandel und eine für Endkunden. Zusätzlich bietet der Hersteller zwei verschiedene Verkaufsdisplays an: ein inaktives beleuchtetes mit Walkman-Dummy und ein aktives für ein Vaio-Notebok, auf dem eine CD-ROM mit Erläuterungen zum Produkt läuft. Weitere Schulungen für den Handel werden im Rahmen der Sony Academy angeboten. (akl)

<b>Kurzgefasst</b>

Mit dem Memory-Stick-Walkman NW-MS7 ist Sony mal wieder ein echtes "Will haben"-Produkt gelungen. Allerdings dürfte der Preis von knapp 900 Mark viele Kunden abschrecken. Verbesserungswürdig sind die Software-Bedienung und die Geschwindigkeit beim Konvertieren/Verschlüsseln der Musiktitel. Wenn der Preis fällt und demnächst dann auch entsprechende Musikdienste im Internet verfügbar sind, dürfte dieser Produktkategorie eine glänzende Zukunft bevorstehen.

Anbieter:

Sony Deutschland GmbH, Köln

www.sony.de

Preis:

VK: 899 Mark

EK: keine Angaben

Preis inklusive Mehrwertsteuer

Vertrieb/Distribution:

Actebis, Computer 2000, Delo, Ingram-Macrotron, RFI

Wertung:

Gerät: 1

Software: 3

Handbuch: 1-2

Lieferumfang: 1-2

Ease-of-Use: 2

Händler-Support: 1-2

CP-Tipp: 2

(Bewertung nach Schulnoten)

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