Speed ist eine Frage der Kontrolle - ECS und sein Chef drücken auf die Tube

08.08.2002
Was heißt eigentlich: Alle Systemhäuser klagen zurzeit über die miese Auftragslage? Die ECS AG in Hamburg meldet ein Umsatzwachstum von 70 Prozent im ersten Quartal ihres Geschäftsjahres. Und unterm Strich bleibt auch noch etwas übrig.

Bernhard Bellmann ist derzeit auf der Überholspur. Privat und beruflich. Der frühere Autorennfahrer (Porsche-GT-Langstreckenrennen) ist seit kurzem aktiver Teilnehmer der Powerboat-Weltmeisterschaften. "Powerboat" - das ist die Formel 1 auf dem Wasser. Die Boote haben 1.200 PS pro Motor, und von denen haben sie zwei. Bei seinem ersten Rennen vor wenigen Wochen im englischen Plymouth ist Bellmann mit seinem Partner, dem Italiener Matteo Nicolini, sogleich auf den sechsten Platz vorgefahren und darf sich damit der schnellste Deutsche auf dem Wasser nennen. In der Spitze schoss das Team Bellmann/Nicolini mit einer Geschwindigkeit von über 270 Kilometern in der Stunde über die Nordsee. "Es war phantastisch", schwärmte Bellmann anschließend gegenüber ComputerPartner.

Geplant war Bellmanns Karriere in der Königsklasse der Wasserrennfahrer nicht. Seine Firma, das Sys-temhaus ECS AG in Hamburg, war eigentlich nur Hauptsponsor beim deutschen Grand-Prix-Rennen Anfang Juli in Travemünde. Doch bei einer Probefahrt haben Experten sofort sein Talent erkannt und ihn auf der Stelle für die weiteren Rennen verpflichtet. Bellmann ist schon "heiß" auf den nächsten Grand Prix am 11. August in der Bucht von Oslo.

Es fällt durchaus schwer, sich nach einem solchen Rennen wieder auf den Alltag und das oft zermürbende Systemhaus-Tagesgeschäft zu konzentrieren. Ein echtes Kontrastprogramm. Aber wenn man erfolgreich unterwegs ist, geht es leichter. Und auch hier, im Geschäftsleben, ist Bellmann auf der Überholspur. ECS ist eines der Systemhäuser, die am meisten von der Pleite der M+S AG profitiert haben.

Das wird an der Entwicklung des Umsatzes im vergangenen Jahr deutlich. Im ersten Halbjahr ihres Geschäftsjahres 2001/02 (1. April bis 31. März) lag der Umsatz der Hamburger noch bei knapp 14 Millionen Euro. In der zweiten Hälfte explodierte er förmlich auf 32 Millionen Euro. Insgesamt schloss ECS das Geschäftsjahr mit einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr um rund 18 Prozent ab.

Und das neue Jahr lief noch besser an. Im ersten Quartal des Geschäftsjahres, also von April bis Juni, lag der Umsatz nach Angaben von Bellmann um 70 Prozent über dem gleichen Vorjahreszeitraum. "Das ist sicher kein Maßstab für das ganze Jahr. Das erste Halbjahr des Vorjahres war schließlich ganz schlecht. Aber wir gehen für das laufende Geschäftsjahr von einer Umsatzsteigerung um 20 Prozent aus", erklärt Bellmann.

Dieses überdurchschnittliche Wachstum stammt vorwiegend aus Neukundengeschäft. Hier zeigt sich im Nachhinein, dass Bellmann mit der Verpflichtung von vier M+S-Niederlassungsleitern zum April 2001 ein ganz glückliches Händchen hatte (vgl. ComputerPartner 11/01). Mit den ehemaligen M+S-Managern hatte ECS zugleich die neuen Standorte Berlin, Frankfurt, Düsseldorf und München aufgemacht. Die neuen ECS-Niederlassungsleiter haben natürlich ihre Kontakte ausgespielt - mit Erfolg. Besonders der Standort Frankfurt unter Jacques Diaz liegt "deutlich über den Erwartungen", freut sich Bellmann. "Die hatten ein begnadetes Jahr." Die übrigen neuen Niederlassungen "schlagen sich wacker", sagt er.

Aufgrund des Geschäftes, das ECS aus dem "M+S-Erbe" übernommen hat, ist der Handelsanteil des Unternehmens mit knapp 80 Prozent vom Umsatz noch immer sehr hoch. Im vergangenen Jahr hatte der Firmenchef angekündigt, auf diese Aktivitäten keinen Schwerpunkt mehr legen zu wollen. In ein bis zwei Jahren, sagte er damals im Gespräch mit ComputerPartner, werde ECS das Handelsgeschäft "nur noch vermitteln". Diese Ausrichtung ist jetzt erst mal auf Eis gelegt worden. "Solange wir im Handelsbereich Geld verdienen, machen wir weiter", sagt Bellmann heute. Mehr als 65 Prozent der Hardware, die ECS verkauft, sind Server und Storage-Einheiten. Im Server-Bereich erzielt ECS nach Angaben von Bellmann noch "deutlich zweistellige" Margen.

Einen ersten Anfangserfolg kann Bellmann für seine "Spider"-Lösung verbuchen. Dabei handelt es sich um eine Software, die - vergleichbar mit "Unicenter" von Computer Associates - Total-Cost-of-Ownership-Berechnungen anstellt und Einsparpotenziale identifiziert. Eine Düsseldorfer Telekommunikationsgesellschaft stattet jetzt 20.000 PC-Clients mit der ECS-Software aus. Dabei handelt es sich, wie Bellmann betont, nicht um eine kostenlose Pilotinstallation, sondern hier fließt "richtig Geld". Was ist "richtig Geld"? "In siebenstelliger Größenordnung."

Bellmann drückt zwar weiter aufs Tempo, doch der Aufbau weiterer Niederlassungen ist nicht geplant. Aber: ECS steht kurz davor, ein Beratungshaus zu übernehmen. Bellmann lässt sich heute noch nicht in die Karten schauen: "In ein paar Wochen kann ich mehr dazu sagen."

Was die Profitabilität betrifft, so ist bei ECS "alles im grünen Bereich", wie der Firmenchef versichert. "Wir haben im vergangenen Geschäftsjahr gut verdient. Die Rendite lag über Marktdurchschnitt, der so in der Kante von 1,5 Prozent liegt", sagt er. Um die Kosten zu drücken, ist ECS mit Actebis eine Logistikpartnerschaft eingegangen. Derzeit liefert Actebis 15 bis 20 Prozent der von ECS bestellten Ware direkt an die ECS-Kunden. Ende des Jahres sollen es 70 bis 80 Prozent sein.

ECS-Chef Bellmann hat allen Grund, mit sich und der Welt im Reinen zu sein. Er sieht das offenkundig genauso. Diese Zufriedenheit kommt zum Ausdruck, wenn er mit norddeutschem Understatement feststellt: "Ich kann nicht schlechter klagen."

www.ecs-ag.de

ComputerPartner-Meinung:

Speed - Geschwindigkeit - ist eine Frage der Kontrolle. Das gilt unabhängig davon, ob man am Steuer eines über 2.000 PS starken Powerboat oder am Steuer eines Unternehmens sitzt. ECS-Chef Bellmann ist als ehemaliger Porsche-Rennfahrer und langjähriger Unternehmer in beiden Disziplinen erfahren genug, um das zu wissen und sich daran zu halten. Jetzt kann man nur hoffen, dass es ECS nicht so ergeht wie dem Vorstandschef bei seinem letzten Powerboat-Rennen: Drei Runden vor Schluss gab der Motor seinen Geist auf. (sic)

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