Verfassungsrechtliche Bedenken

Splittingtarif für eingetragene Lebenspartner?

11.07.2012
Finanzgerichte und Finanzämter gewähren vorläufig den Splittingtarif, sagen die Experten von SH+C.

Seit Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft kommt immer wieder die Frage auf, ob den gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern nicht die gleiche steuerliche Behandlung zusteht wie Ehepartnern. Neue Nahrung haben die Verfechter einer steuerlichen Gleichstellung in den letzten beiden Jahren durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs erhalten. Das Bundesverfassungsgericht beispielsweise hatte festgestellt, dass die Schlechterstellung eingetragener Lebenspartner gegenüber Ehegatten bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar ist, was schon zu einer rückwirkenden Gesetzesänderung geführt hat.

Mit diesen Entscheidungen im Rücken haben nun einige Steuerzahler beim Finanzamt den Splittingtarif auch für eine eingetragene Lebenspartnerschaft beantragt und sind natürlich abgewiesen worden. Die daraufhin geführten Verfahren bei den Finanzgerichten sind bis jetzt sehr unterschiedlich ausgegangen. Einige Finanzgerichte sehen klare Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der Schlechterstellung eines Lebenspartners bei der Einkommensteuer, andere Finanzgerichte haben keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die ganze Bandbreite an Sichtweisen hat momentan Baden-Württemberg zu bieten:

- Der 12. Senat des Finanzgerichts meint, die eingetragene Lebenspartnerschaft sei nicht zwingend in das Splittingverfahren einzubeziehen. Weil er die Regelung für verfassungskonform hält, weigert er sich auch, die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

- Der 9. Senat des Finanzgerichts dagegen drückt sich ganz einfach um eine klare Positionierung, indem er argumentiert, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der geltenden Regelung keine Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen, weil das Interesse des Fiskus an einer geordneten Haushaltsführung und damit der Anwendung des formell bestehenden Gesetzes schwerer wiegt.

- Das Finanzministerium wiederum hat seine Finanzämter angewiesen, eingetragenen Lebenspartnern vorläufig auf Antrag den Splittingtarif zu gewähren. Das Ministerium weist allerdings auch darauf hin, dass die Finanzämter den Anträgen der Lebenspartner auf Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer oder die Berücksichtigung der Steuerklassenkombination III/V oder IV/IV bei der Lohnsteuer aus verfahrensrechtlichen Gründen zunächst nicht stattgeben können. Erst aufgrund des gegen diese Entscheidung eingelegten Einspruchs kann dann das Finanzamt den Lebenspartnern die Vorteile des Splitting-Verfahrens einräumen.

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