Sprunghaftigkeit resultiert auch aus der unsteten Ertragsentwicklung

23.09.1999

MÜNCHEN: Mal schwer unter Druck, dann wieder unter den Besten an der Börse: Die Aktienkurse der großen US-Distributoren Ingram Micro und Tech Data sind immer für Überraschungen gut.Die Sprunghaftigkeit rührt von der unsteten Ertragsentwicklung und den rasch wechselnden Analysten-Prognosen für das Disti-Geschäft her. Mindestens viermal im Jahr äußern die Experten beispielsweise Zweifel am Verkaufsboom bei Personal Computern. Die Zunahmen sind zwar nicht mehr so üppig wie früher, aber von einer "Absatzkrise", wie schon oft prognostiziert, kann bislang nicht die Rede sein.

Die neuesten Zweifel machen sich an der Verbreitung des Internet fest. Die Verbraucher könnten direkt beim Produzenten bestellen und den Handel damit praktisch umgehen. Das ist ansatzweise zwar der Fall, aber nicht weiter dramatisch. Die großen Distis profitieren vielmehr selbst davon, weil über das Netz mehr bestellt wird und das Ordervolumen steigt. So hat der PC-Direktverkauf, wie ihn Dell schon länger erfolgreich und Compaq mit wechselnder Zustimmung praktizieren, den Distis zwar zugesetzt. Entscheidend getroffen werden sie davon aber nicht.

Prognose für die Distis sind nicht schlecht

Dramatische Ertragsschwankungen sind jedoch die Regel. Die alten Computer 2000-Aktionäre werden sich wahrscheinlich noch an die abenteuerlichen Berg- und Talfahrten zwischen 180 und 800 Mark vor der Übernahme des bedeutendsten europäischen Distributors durch Tech Data im vorigen Jahr erinnern. C2000 steuert jetzt übrigens die Hälfte zum Tech-Data-Umsatz bei.

Die Zukunft der Distis sieht nicht schlecht aus, jedenfalls wenn man den Prognosen von Börsenanalysten glaubt. Die Zunahme von Umsatz und Ertrag ist beträchtlich (siehe Tabelle). Zu wünschen übrig läßt wie eh und je die magere Gewinnmarge. Diese ist für den Börsenkurs insofern ein besonders entscheidender Faktor, da zur Verlustzone kaum ein Puffer besteht.

Wenn ein Unternehmen auf Werte von 38 oder 25 Prozent kommt, wie das beispielsweise bei Microsoft oder Intel der Fall ist, fällt ein kleiner Rückgang der Profitmarge nicht so sehr ins Gewicht - wenngleich als Folge davon auch die Börsenkurse der Software- und Chip-Stars unter Druck geraten würden. Kurzum: Die Distributoren rutschen schneller in die Verlustzone. Einige Gewinnwarnungen hat es bereits gegeben.

Zur Zeit hoffen die Großhändler rund um den Computer auf besonders gute Geschäfte, wenn die Nervosität wegen der Jahr-2000-Datumsumstellung aus dem Markt ist. Strukturelle Verbesserungen, sprich: eine deutlichere Trennung von Verkauf und Service, sollen die Erträge liften helfen. Vor allem die Reduzierung der kostspieligen Lagerhaltung birgt Reserven. Die großen Distis werden immer mehr Geschäft an sich ziehen - eine Entwicklung, die schon seit Jahren zu beobachten ist. Strategische Akquisitionen sind praktisch an der Tagesordnung. Die Großen werden immer größer. Ingram Micro erledigt in den USA zum Beispiel 60 Prozent der Compaq-PC-Verkäufe.

Der Direktvertrieb macht die Distis nicht überflüssig. Sie werden ihre Funktion als wichtigste große Verteilstationen für alles rund um den Computer behalten. In dieser Funktion sind sie nach Ansicht von Analysten unentbehrlich. Vorgesehen sind auch eine Erweiterung des Software-Angebots und Erzeugnisse für Telekommunikation. Ingram vertreibt zur Zeit weltweit rund 120.000 Produkte an 115.000 Wiederverkäufer. Tech Data distribuiert 45.000 Produkte an 70.000 Wiederverkäufer.

Die Ingram-Micro-Aktien, die 1996 nach dem Zusammenschluß von Ingram Computer und dem Hardwaredistributor Micro-D zu 18 Dollar neu emittiert worden waren, schwanken seither zwischen 16 und 57 Dollar. Die Tech-Data-Papiere standen 1990 bei einem Dollar und erreichten 1998 mit 53 Dollar ihr bisheriges Hoch. Auf diese "Zielkurse" können die Aktien längerfristig durchaus wieder klettern. (kk)

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