Standpunkt

14.01.1999

Die Europäische Kommission will die Entsorgung von "Elektroschrott" europaweit einheitlich regeln. Die Bundesregierung hat ihrerseits eine entsprechende Verordnung auf der Tagesordnung. Bereits Anfang Februar will der Bundesrat das Regelwerk im Wortlaut festklopfen. Eine solche Regelung ist längst überfällig. Noch bevor in Bonn oder Brüssel überhaupt der erste Federstrich an einem Gesetz getan wurde, hatten sich die IT-Anbieter in dieser Sache an einen Tisch gesetzt. 1995 wurde die Arbeitsgemeinschaft CYCLE gegründet. In einem echten Sitzungsmarathon erarbeiteten die Firmen unter Federführung des Fachverbands Informationstechnik im VDMA und ZVEI ein tragfähiges Konzept zur Rücknahme und Entsorgung von IT-Altgeräten. Erstmals wurde das von den Umweltverbänden vehement geforderte Prinzip, die Entsorgungskosten im Verkaufspreis zu berücksichtigen und nicht dem Letztbesitzer aufzuerlegen, berücksichtigt.Seither stehen die Unternehmen in den Startlöchern. Wir befinden uns seit nunmehr drei Jahren in der surreal anmutenden Situation, den Gesetzgeber wieder und wieder bitten zu müssen, endlich aktiv zu werden. Nun ist es soweit. Und das Ergebnis dient weniger der Umwelt, schon gar nicht dem Verbraucher, sondern vor allem der Subvention ineffizienter Entsorgungsstrukturen. Kann es zulässig sein, daß, wer heute einen Computer kauft, die Kosten für die Entsorgung der Alt-PCs seines Nachbarn trägt? Allein diese Klausel wird die deutschen PC-Käufer etwa 2,5 Milliarden Mark kosten.

In den USA und asiatischen Ländern löst der aktuelle noch interne Entwurf der Europäischen Kommission nur Kopfschütteln aus. Computer haben sich zu einer Kulturtechnologie entwickelt, deren breiter Einsatz über die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften, Gesellschaftsmodellen und Bildungssystemen entscheidet. Deutschland hinkt im europäischen und Europa im weltweiten Vergleich ohnehin hinterher. Die Verbreitung von PCs erreicht in Deutschland gerade einmal 50 Prozent des amerikanischen Niveaus oder der Werte Australiens, Singapurs oder Finnlands. Die Pro-Kopf-Investitionen in Informations- und Kommunikationstechnik liegen in Deutschland bei durchschnittlich 2.500 Mark und in den USA bei über 4.000 Mark pro Jahr. Wenn nun die Geräte gerade im Low-End-Bereich um bis zu 15 Prozent teurer werden, fallen wir international abermals zurück. Vor allem darf nicht sein, daß jene Unternehmen, die vorausschauend und klug planen und deshalb dauerhaft am Markt sind, die Zeche derer bezahlen, die kurze Erfolge feiern und dann wieder verschwinden. Zukunftsgerichtete Abfallpolitik muß der Industrie Anreize setzen, bereits im Produktdesign Umweltaspekte zu berücksichtigen. Sie muß ökologische Innovation belohnen und Wettbewerb schaffen im Entsorgermarkt. Ein zweites DSD (Duales System Deutschland, Anm. d. Red.) brauchen wir nicht.

Insbesondere der Handel und Systemhäuser müssen bereits bei der Erarbeitung der neuen Regularien einbezogen werden. Denn der Handel ist von dem neuen Abfallrecht mit am stärksten betroffen. Nämlich dann, wenn er Geräte selbst konfiguriert oder assembliert, also zum Produzenten oder "Erstinverkehrsbringer" wird. Und dann, wenn ein Kunde die Rücknahme des alten zur Bedingung für den Kauf eines neuen Gerätes macht. In Brüssel ist aber der deutsche IT-Handel nicht vertreten. Und in Deutschland hat er seine Interessen bislang verbandlich nicht gebündelt und äußert sich zu den Vorhaben der Bundesregierung bislang nicht. Die aktuellen Gesetzesvorlagen können einige Händler Kopf und Kragen kosten.

Dr. Bernhard Rohleder, Geschäftsführer Fachverband Informationstechnik im VDMA und ZVEI

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