Star Division-Chef Börries: "Ich bin nicht die deutsche Ausgabe von Bill Gates."

05.09.1997
HAMBURG: Der alte Kontinent Europa ist der Hamburger Star Division GmbH zu klein geworden. ComputerPartner-Autor Stefan Rohr unterhielt sich mit dem Geschäftsführer Marco Börries über seine Rolle als Unternehmer, die Expansionspläne des Softwareherstellers, die Defizite der IT-Branche und über den Konkurrenten Microsoft.? Herr Börries, Sie sind 28 Jahre alt und verfügen über ein Millionenunternehmen im IT-Bereich. Empfinden Sie sich selbst als Wunderkind im Stile von Bill Gates?

HAMBURG: Der alte Kontinent Europa ist der Hamburger Star Division GmbH zu klein geworden. ComputerPartner-Autor Stefan Rohr unterhielt sich mit dem Geschäftsführer Marco Börries über seine Rolle als Unternehmer, die Expansionspläne des Softwareherstellers, die Defizite der IT-Branche und über den Konkurrenten Microsoft.? Herr Börries, Sie sind 28 Jahre alt und verfügen über ein Millionenunternehmen im IT-Bereich. Empfinden Sie sich selbst als Wunderkind im Stile von Bill Gates?

BÖRRIES: Eigentlich gefällt mir der Vergleich überhaupt nicht, weil ich glaube, daß die Menschen einzig sind, daß jeder Mensch für sich etwas Einzigartiges darstellt und das auch sein sollte. Von daher sehe ich mich nicht als Bill Gates von Deutschland. Sondern ich sehe mich einfach als jemanden, der in den letzten zwölf Jahren ein ganz erfolgreiches Unternehmen aufgebaut hat und der jetzt vielleicht im Durchschnitt ein bißchen jünger ist als alle anderen. Wobei ich mit 28 ja nicht mehr so besonders jung bin.

? Haben Sie ein Vorbild?

BÖRRIES: Es gibt verschiedene Leute, die ich bewundere. Das sind zum Teil auch geheime Vorbilder. Also was zum Beispiel der Agnelli von Fiat gemacht hat in seinem hohen Alter, aber auch was Gates geschaffen hat. Gates hat eine Company geschaffen, die trotz der Größe doch sehr, sehr schnell agiert, zumindestens von der Zentrale aus USA heraus. Dann die HP finde ich bewundernswert. Oder Firmen wie Compaq. Es gibt ja immer wieder so eine Art Zeitvorbilder. Man versucht von anderen Leuten zu lernen, was sie falsch gemacht haben. Also von daher so ein konkretes Vorbild, das habe ich nicht. Früher waren Fahrradfahrer mein Vorbild

? Rudi Altig?

BÖRRIES: Nein, Bernard Hinault.

? Was waren Ihre ursprünglichen Berufsziele?

BÖRRIES: Ich wollte früher, mit vierzehn, fünfzehn, immer Pilot werden, aber dann kam die Firma dazwischen. Also das hier ist schon genau das, was ich machen wollte.

?Was würden Sie als Ihr größtes Glück bisher bezeichnen?

BÖRRIES: Ich glaube, daß ich sehr häufig zum richtigen Ort, zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle mit der richtigen Idee war. Also im Prinzip ist mein größtes Glück die Gabe, den Markt analytisch richtig einzuschätzen.

? Und was war Ihr größtes Pech oder die größte Enttäuschung?

BÖRRIES: Pech ist vielleicht, daß ich in Deutschland geboren bin und nicht im Amerika. Der schwierigste Platz für ein deutsches Unternehmen, Software zu verkaufen, ist in Deutschland. Wobei sich da mittlerweile aufgrund der Marktposition, die wir erreicht haben, auch sehr viel geändert hat.

? Wer war oder ist der wichtigste Mensch in Ihrem Leben?

BÖRRIES: Ganz klar, die wichtigsten Menschen sind meine Familie.

? Der Jugendlichkeit in Verbindung mit Karriere wird in unserer Gesellschaft eher immer noch skeptisch und zum Teil auch ironisch begegnet. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

BÖRRIES: Ganz unterschiedliche. Positive wie negative. Ich habe Leute gehabt, die fanden das unheimlich gut, was ich gemacht habe, die haben das auch unterstützt. Ich habe auch Leute getroffen, die haben das nicht ernst genommen. Aber das ist schon sehr, sehr lange her. Irgendwann, nach einer gewissen Zeit, kapieren die Leute, daß man nicht mehr weggeht. Also ich bin in dieser Branche schon seit zwölf Jahren, und es gibt nicht mehr viele Leute, die seit zwölf Jahren in Deutschland in diesem Zirkel drin sind. Die sind entweder in Rente gegangen oder haben was anderes gemacht. Von daher ist es eigentlich so, daß ich schon zu den "Dinosauriern" gehöre.

? Fällt es Ihnen nicht schwer, einem Mitarbeiter, der altersmäßig Ihr Vater sein könnte, Anweisungen zu geben oder diesen vielleicht einmal zur Rede zu stellen?

BÖRRIES: Überhaupt nicht. Damit habe ich noch nie ein Problem gehabt. Bei uns in der Firma ist es egal, ob Sie jung oder alt oder ob Sie männlich oder weiblich sind. Wichtig ist, daß Sie sich ins Team eingliedern und dort mitarbeiten. Da wird jeder gleich behandelt. Sicher geht man mit Leuten, die älter sind, anders um als mit Gleichaltrigen, aber nicht in der Sache.

? Wie macht sich ein Marco Börries den Kopf wieder frei? Durch was schöpfen Sie Kreativität, Motivation und neue Vision nach einem langen Arbeitstag?

BÖRRIES: Manchmal durch Essen gehen. Durch Schlafen, manchmal durch ein bißchen Sport oder lesen. Wobei es natürlich nicht immer gelingt, den Kopf frei zu machen. Vor allen Dingen will man das auch ab und zu nicht. Wir sind jetzt gerade wieder in so einer Phase. Da möchte man eigentlich so viel wie möglich schaffen, so viel wie möglich zu Ende denken. Das hängt immer davon ab, wie man drauf ist.

? Kommen wir zum Unternehmer Marco Börries. Wann wurde die Idee oder Vision für Ihre Firma von Ihnen geboren? Kam die so über Nacht? War das ein Blitzeinfall?

BÖRRIES: "Blitzeinfall" ist sicher nicht das richtige Wort. Ich habe 1984 einen Schüleraustausch in die USA gemacht, und da kommt ein Großteil der ganzen Ideen her, da habe ich gesehen, wie Software-Firmen entstehen. Damals waren die Leute auch relativ jung, die die Software-Firmen gemacht haben. Nicht so jung wie ich damals, aber da habe ich viel über junge Unternehmer in Silicon Valley gelesen. Das fand ich gut. Und dann bin ich halt rüber gegangen und habe Public Domain- und Shareware-Produkte mit meinem damaligen Computer wieder mitgebracht. Und da ging das eigentlich so los. Dann ging es bald darum, sich damit auch einen gewissen Erwerb zu schaffen. Dann kam der Schneider-Computer, der damals mit Amstrad gemacht worden ist, und da kam die Idee, warum nicht hingehen und sich Leute suchen, die

Software schreiben und diese dann zu vermarkten. Das war ein fließender Übergang, und dann ging es relativ schnell. Ich hatte eigentlich diese Zwischenschritte mit den kleineren Produkten, die wir so neun Monate lang hatten, nur als Starthilfe benutzt, um

für einen dann Textverarbeitung zu machen. Wir haben gleich von Anfang an, 1985, StarWriter 1 ausgeliefert. Das war ein CPM-Produkt, was dann auch 200 Mark gekostet hat. Das haben wir auch über 12.000 Mal verkauft, was schon viel war. Ich wollte nicht diese Gim

mick-Software machen, sondern direkt in die professionelle Software rein.

? Wie sah es mit dem Startkapital aus? Hat Ihnen Papa auf die Sprünge geholfen?

BÖRRIES: Das Startkapital war am Anfang das Geld, was ich nebenbei verdient hatte. Und dann mein Konfirmationsgeld. Man braucht für eine Software-Firma nicht viel Startkapital. Die Software-Firmen haben die Angewohnheit, daß, wenn sie vernünftig geführt und erfolgreich

sind, sehr, sehr kapitalunintensiv sind, weil halt die Deckungsbeiträge ganz hoch sind. Das heißt, Sie müssen einfach schauen, daß Sie mehr Geld einnehmen als Sie ausgeben. Ich sage das mal so ganz einfach.

? Was waren Ihre größten Anfangsprobleme?

BÖRRIES: Sicherlich am Anfang eine Brand-Recognition aufzubauen. Also den Namen aufzubauen. Das war weniger die ersten sechs Monate sondern eher danach.

? Wenn Sie heute noch einmal starten müßten, hätten Sie unter den gegebenen Marktumständen Ihrer Meinung nach noch die gleichen Chancen?

BÖRRIES: Vermutlich nicht. Jedenfalls nicht noch einmal mit denselben Produkten. Die Wege sind inzwischen doch sehr eingefahren. Wenn ich heute noch mal anfangen müßte, ich würde sicherlich andere Sachen nehmen. Grundsätzlich bin ich überzeugt davon, daß es in unserer

Branche immer wieder Möglichkeiten gibt.

? Wird man eigentlich als Unternehmer geboren oder ist Erfolg Glückssache?

BÖRRIES: Ich glaube nicht so sehr an Glück, das einfach passiert. Ich glaube daran, daß man sich das Glück erarbeitet, daß man sich selber in die Situation bringt, wo man dann Glück haben kann und das dann auch aufgreifen muß. Als Unternehmer geboren, so ein bißchen glaube ich das schon. Ich glaube, daß ich wirklich Talent zum Unternehmer habe.

? Wieviele Stunden arbeiten Sie in der Woche?

BÖRRIES: Zwischen sechzig und achtzig. Siebzig im Schnitt, würde ich sagen.

?Und Ihre Mitarbeiter?

BÖRRIES: Das ist ganz wunderbar. Wir haben Leute, die arbeiten vierzig Stunden, wir haben Leute, die arbeiten fünfzig Stunden, wir haben Leute, die arbeiten sechzig Stunden, wir haben auch Leute, die arbeiten so viel wie ich.

? Wie lautet der Kernsatz Ihrer Unternehmensphilosophie?

BÖRRIES: Das ist für uns ganz einfach der Satz, den wir auch unter unseren Logo haben 'Make your ideas work'.

? Kommen wir zum Unternehmen Star Division. In diesem Jahr wollen Sie auch in den USA aktiv werden. Wie sieht es damit aus?

BÖRRIES: Gut. Sehr gut sogar. Ich komme gerade aus den USA, habe dort die ersten fünf Leute eingestellt. Wir werden bis zum Juni noch weitere zehn bis fünfzehn einstellen. Da läuft alles nach Plan. Ich denke, daß wir so am 6. Juni die Geschäftstätigkeit aufnehmen werden.

? Ist das auch der Stichtag für Ihren Börsengang?

BÖRRIES: Nein, das ist nicht der Stichtag für den Börsengang.

Wir werden im Gegenteil Ende des zweiten oder Anfang des dritten Quartals ein Private Placement vornehmen. Mit der Unterstützung einiger großer Partner soll es uns gelingen, den Weltmarkt zu erobern. Wenn das vernünftig durchgezogen wird, und auch unsere Offices nicht nur in den USA, sondern parallel auch in London, Paris

und Italien vernünftig laufen, dann werden wir an die Börse

gehen.Das wird aber nicht vor dem Ende dieses, Anfang nächsten Jahres sein.

? Wie bewerten Sie die Chance Ihres Unternehmens innerhalb des Wettbewerbs zu Microsoft?

BÖRRIES: Relativ gut. Wir hatten 1986 einen sauberen PC-Einstieg. 1986 war Deutschland das einzige Land der Welt, wo Microsoft mit MS-Word für DOS 70 Prozent Marktanteil hatte. Das heißt, seit zwölf Jahren leben wir in einem Markt, wo Microsoft die Marktführerschaft hat. Und wir haben es seit zwölf Jahren geschafft, konsequent unseren Marktanteil zu steigern und zwar erheblich zu steigern. Vor uns und auch nach uns hat das kein anderes Unternehmen der Welt geschafft: In einem Markt, wo Microsoft mal die Dominanz gehabt hat, große Marktanteile zu gewinnen.

? Welchen Marktanteil hat Star Division?

BÖRRIES: Wir hatten laut IDC 1995 einen Marktanteil von 21,9 Prozent. Wir erwarten 1996 einen Marktanteil von weit über 30 Prozent. Es bleibt abzuwarten, wie hoch die Zahlen sein werden. Wir können beweisen, daß wir 1996 in Europa eine Million Star-Office verkauft haben, davon zirka 860.000 in Deutschland.

? Und was ist mit Lotus? Haben Sie diesen Wettbewerber für OS/2-Applikationen abgehängt?

BÖRRIES: Machen die OS/2-Applikationen? Das soll sich jetzt nicht überheblich anhören, aber wenn Sie sich die "Inside OS/2" vornehmen, da taucht, glaube ich, Lotus in der Umfrage, welche Programme gewählt werden, gar nicht mehr auf. Also die Frage "Machen die überhaupt OS/2?" ist hier schon berechtigt.

Es gibt zwar immer noch einige Großkunden, die verzweifelt darauf warten, eine konkurrenzfähige OfficeSuite von Lotus für OS/2 zu

bekommen, nur werden es immer weniger.

? Was bedeutet für Star Division die Rückkehr der Apple-Gründer Jobbs und Wozniak?

BÖRRIES: Für Star Division bedeutet das eigentlich wenig. Ich sehe es mit einem lachenden und einem weinende Auge, weil ich seit 1984 Mac-Fan bin. Ich finde es schade, was mit dem Mac passiert ist. So lange es den Mac nun als eigenständiges Betriebssystem noch geben wird, besteht unser Commitment. Wir stellen jetzt Anfang April die neueste Office-Version 4.0 als Beta-Version für den Macintosh vor. Wir sind auch schon dabei, StarOffice für Rhapsody zu entwickeln. Ob wir es nachher ausliefern werden, hängt davon ab, ob Rhapsody jemals auf den Markt kommen wird.

? 1995 hieß es, daß Ihnen die Verbindung zu IBM jährlich einen Umsatz von 40 Millionen Dollar einbringt. Was ist denn nun wirklich daraus geworden?

BÖRRIES: Jährlich stimmt nicht. IBM hatte 1994 und 1995 weltweit nicht-exklusive Vertriebsrechte an unseren Produkten für alle Plattformen erworben und dafür einen nicht unerheblichen, zweistelligen Millionen-Dollar-Betrag gezahlt. Diese Rechte mußten dann aber wiederum an uns zurückgeben werden, weil IBM Lotus gekauft hat und in der vertraglichen Konstellation mit uns deshalb diese Rechte nicht nutzen durfte. Dann gab es verschiedene Verbindungen, weil IBM uns gerne nutzen wollte. Diese Sache ist jetzt aber schon zwei Jahre her, da ist soviel drüber geschrieben worden. Ich möchte auch nicht zuviel drüber sagen, weil ich auch nichts drüber sagen darf. Das war jetzt vielleicht schon wieder sogar ein bißchen zuviel. Nur soviel: Dieses Geschäft mit IBM war für uns ein signifikant gutes Geschäft. Wir haben danach mit einzelnen Ländergesellschaften der IBM Verträge geschlossen. In Deutschland, wo wir einige zehntausend Versionen zusammen mit IBM an Großkunden von IBM ausgeliefert und gemeinsam vertrieben haben, waren wir sehr erfolgreich. IBM ist für uns ein guter Partner und wird auch weiterhin ein guter Partner sein. Diese Verbindung mit IBM war wie ein Ritterschlag. Und diesen Ritterschlag, den bekommt man nicht entzogen, nur weil dann aufgrund von irgendwelchen Zukäufen Sachen anders passieren, wie sie vielleicht mal ursprünglich geplant waren. Wir sind da eher als der Gewinner hervorgegangen, wenn man sich die heutigen Marktanteile anschaut.

? Und die Zusammenarbeit mit Vobis in Sachen StarWriter, hat sich die gelohnt?

BÖRRIES: Auf jeden Fall. Mit Vobis arbeiten wir sehr viel zusammen. Wir haben mittlerweile europaweit mit Vobis sehr, sehr gute OEM-Geschäfte. Vobis ist da für uns ein wichtiger Partner im Consumer-Bereich.

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