Statt an die Nasdaq Gang an den Frankfurter neuen Markt

18.02.1999

MÜNCHEN: Aufregende Software wird nicht nur in den Vereinigten Staaten hergestellt, sondern auch hierzulande. Die Münchner Blaxxun Interactive AG entwickelt seit 1995 eine vielversprechende Software für Internetanwendungen."Wir legen Wert darauf, als Multimedia-Kommunikations-Lösungsanbieter gesehen zu werden", positioniert Vorstandsvorsitzender Franz Buchenberger die Blaxxun Interactive AG mit Sitz in München und San Francisco. Das Produkt "Community Plattform" dient laut Firmenphilosophie dazu, "das Datennetz nicht nur sichtbar, sondern auch durchwanderbar und erlebbar zu machen".

Jeder, der sich schon einmal in einer "Webcommunity" (zum Beispiel www.colonycity.com) aufgehalten hat, kann sich vorstellen, worum es geht: die räumliche Darstellung von Internet-Inhalten. Statt reiner Textdarbietung schafft die Plattform zwei- oder dreidimensionale Räume, in der sich Online-Nutzer treffen, schwätzen, spielen, sich informieren oder sonstwie die Zeit vertreiben. Aktive Teilnehmer bauen sich sogar selbst Häuser in der Netzstadt, werden dort Bürgermeister oder im Stadtrat aktiv.

Konzentration auf drei Bereiche

Doch die Plattform eignet sich nicht nur für diese "Communities". Das Prinzip, Umgebungen zu schaffen, durch die man sich bewegen kann, kommt den wichtigsten menschlichen Sinnen entgegen: dem Sehsinn und dem Sinn fürs Spielerische.

Buchenberger will sich mit "Community Plattform" auf drei Geschäftsfelder konzentrieren: auf den Handel im Internet, auf Communities und auf das virtuelle Zusammenarbeiten. Mit der Firma Tecoplan AG entwickelte das Unternehmen beispielsweise bereits eine virtuelle Werkstatt, in der über das Internet das Zusammenbauen von Bauteilen diskutiert und gleichzeitig dreidimensional dargestellt werden kann. Dieses Produkt ist für Hersteller interessant, deren einzelne Teile weltweit zugeliefert werden. Ein Autohersteller kann so prüfen, ob der in Japan hergestellte Sitz mit der in Italien gefertigten Tür kollidiert. Dazu treffen sich die Ingenieure im Netz und fügen die Teile mittels eines CAD-Simulationstools zusammen. Über Blaxxuns Plattform können sie sich austauschen. Die Version 4.0 (siehe auch Seite 24) vertont eingegebenen Text und gibt ihn als Sprache aus. Tecoplan hat kürzlich den Innovationspreis der deutschen Wirtschaft für die virtuelle Werkstatt erhalten.

Um noch in diesem Jahr für den Bereich "Commerce" eine fertige Lösung anbieten zu können, spricht Blaxxun derzeit mit einem Shopanbieter, dessen Namen das Unternehmen noch nicht preisgibt. Vorstellbar wäre dann ein dreidimensionales Einkaufszentrum, in dem sich der Online-User mit einem "Avatar" (einer virtuellen Figur) durch einen Laden bewegt, in dem die Waren wie in einem echten Kaufhaus präsentiert werden.

Spezifische Lösungen noch in diesem Jahr

Aktiv ist der Softwareanbieter auch bei Produkten für neue Finanzdienstleistungen über das Internet. Zusammen mit der GEFM, einer Tochter der Deutschen Bank, hat Blaxxun bereits eine virtuelle Hauptversammlung realisiert. Die Vorträge der Redner werden dabei per Kamera im Netz übertragen. Gleichzeitig kann sich der Aktionär den Kursverlauf oder sonstige aktuelle Informationen aufrufen. Abstimmen per Internet ist derzeit noch nicht erlaubt, an einer Regelung wird aber gearbeitet.

Der Vertrieb dieser spezifischen Lösungen soll nach den Vorstellungen von Buchenberger über Value Added Reseller erfolgen. Die Plattform vertreibt die Softwarefirma, die durch amerikanisches und deutsches Venture Capital finanziert wird (Kapitalausstattung rund zwölf Millionen Dollar), direkt. Nach Angaben von Buchenberger ist der Solution-Bereich bereits profitabel, der Produktbereich wegen der hohen Entwicklungskosten noch nicht. Umsatzzahlen gibt der Software-Anbieter nicht nach außen.

Einen direkten Mitbewerber sieht der Vorstandsvorsitzende nicht. "Der Mitbewerb deckt immer nur Teilbereiche unserer Palette ab." Deswegen glaubt er, daß Blaxxun ein bis zwei Jahre Vorsprung vor der Konkurrenz hat. Vom ursprünglichen Ziel, an die amerikanische Technologiebörse Nasdaq zu gehen, sind die Unternehmenslenker wieder abgekommen. Jetzt haben sie den Frankfurter Neuen Markt ins Visier genommen. Ein fester Termin für den Börsengang steht allerdings noch nicht fest. (is)

Nicht nur Finanzdienstleistungen bekommen eine neue Dimension: Mit Blaxxuns Software bewegen sich Online-Nutzer als "Avatare" durch den virtuellen Raum.

Franz Buchenberger, Vorstandsvorsitzender der Blaxxun Interactive AG ist überzeugt, daß die virtuelle Hauptversammlung in spätestens zwei Jahren zum Standard-Service-Angebot von Firmen zählen wird.

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