Statt Fernsehvergnügen gibt es reichlich Kopfschmerzen

04.06.2000
Brille auf, Passwort eingeben - und schon kann er beginnen, der kabellose und mobile Kinospaß. So ähnlich verspricht es zumindest Hersteller Olympus den Besitzern der Multimedia-Brille "Eye-Trek FMD 200". Was am "Fernseher auf der Nase" wirklich dran ist, hat ComputerPartner untersucht.

Am Informationsgehalt der Verpackung der Eye-Trek FMD 200 lässt sich nichts aussetzen. Klar und eindeutig erklärt sie, dass sich im ausreichend stabilen Karton eine Brille befindet, mit der sich fernsehen lässt. Sie verschweigt jedoch, was es zusätzlich bedarf, um sich beispielsweise in der Küche dem "Tatort" widmen zu können, ohne den Fernseher dorthin schleppen zu müssen. Mindestens ein weiteres Gerät ist dafür nötig. Und dieser Spaß wird richtig teuer.

Die Olympus Optical Co. GmbH bietet die rund 85 Gramm wiegende Video-Brille Eye-Trek FMD 200 und das 75 Gramm schwere Steuergerät für rund 1.500 Mark als Single-System an, das sich lediglich für den direkten Fernsehanschluss per Kabel eignet. Wer unbedingt mobil sein will, muss weitere 400 Mark für die Sender- und Empfängereinheit "Eye-Trek Cordless TV" auf den Tisch blättern. Für User, die außerdem nicht auf Steckdosen angewiesen sein wollen, kommt noch ein Akkupack für 200 Mark dazu. Macht unter dem Strich 2.100 Mark. Dafür ist dann aber wirklich alles dabei, was der mobile Glotzer neben den Basisgeräten benötigt: Eurostecker-Adapter, AV-Kabel, Ohrhörerpolster, externe Infrarot-LED, Netzteile sowie zwei mehrsprachige Handbücher. Sollte noch etwas Geld übrig sein, sind ein Akkuladegerät für 300 Mark oder eine Tragetasche eine Überlegung wert.

Zwar lässt sich mit der Multimedia-Brille die Voyeur-Serie "Big Brother" auf dem Balkon oder im Garten verfolgen, aber für den TV- oder Video-Genuss beim Einkaufsbummel oder beim Joggen sollte man das kabellose PAL-System mit den zwei kleinen Displays nicht auf der Nase haben. Nicht nur weil dieses Körperteil aufgrund der Sichtverwehrung arg in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Ohnehin darf sich der Anwender mit der Brille nur rund 100 Meter von der Sendeeinheit entfernen, ohne dass die Übertragungsqualität leidet.

Als die Bilder laufen lernten

Beim Auspacken der Kartons fällt eines sofort auf: So gelungen das Design der spacigen Multimedia-Brille mit integriertem Stereosound auch ist, so potthässlich sind die zwei grauen, faustgroßen Plastikklötze für das Senden und Empfangen der Fernseh- oder Videosignale. Außerdem mag so mancher User angesichts der vielen Einzelteile einen Schreck bekommen. Dieser ist aber völlig unbegründet, denn das Gerät lässt sich binnen fünf Minuten einfach installieren. Zur Not helfen die reich bebilderten Handbücher weiter.

Das Olympus-Produkt eignet sich auch für Leute, die eine normale Brille tragen. Sowohl der Nasen- als auch die Seitenbügel der Eye-Trek FMD 200 lassen sich individuell einstellen und über die herkömmliche Sehhilfe stülpen. Allerdings haben Anwender mit Brillen einen Nachteil: Der Sehgenuss wird durch den größeren Abstand der Eye-Trek vom Auge getrübt, da mehr Tageslicht einfällt und die Projektionsfläche kleiner erscheint.

Dieser Mangel wird auch dadurch nicht gelindert, dass sich über das Steuergerät Kontrast, Helligkeit und Farbe auf den zwei Farb-TFT-Displays, die eine Auflösung von jeweils 180.000 Pixeln besitzen, individuell einstellen lassen. Dagegen haben Anwender ohne Brille bei der Benutzung des Eye-Trek-Modells den Eindruck, als säßen sie im Abstand von zwei Metern vor einem Großbildfernseher mit einer Bildschirmdiagonalen von 130 Zentimetern. Einzelhändler sind gut beraten, ihren Kunden unmissverständlich klarzumachen, dass die Bildqualität des kabellosen Systems nicht an die eines 100-MHz-Fernsehers heranreicht, denn es "pixelt" oder "schneit" doch verhältnismäßig heftig. Hersteller Olympus betont bei seinem Gerät eindeutig die Mobilität. So ist es in der Regel kein Problem, sich seinen Sonntagskrimi anzuschauen, auch wenn der Standplatz des Fernsehers, Videorekorders oder des DVD-Players zwei Räume entfernt ist. Sollte die Übertragungsqualität darunter leiden, lassen sich die AV-Antennen der Sende- und Empfängereinheit justieren.

Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker

Nicht ohne Grund hat der Hersteller dem Steuergerät einen passwortgeschützten Zugang spendiert, denn für Kinder unter 16 Jahren ist das System ungeeignet, da es sich schädlich auf das Wachstum und die Entwicklung ihrer Augen auswirken kann. Auch sonst lesen sich die Warnhinweise des Herstellers wie der Beipackzettel eines Medikaments: "Personen mit Herzstörungen, hohem Blutdruck, Sichtfeldeinschränkungen oder Beeinträchtigungen der Augenausrichtung dürfen das Gerät nicht benutzen." Symptome wie Schwindelgefühl, Benommenheit oder Unwohlsein seien ebenso möglich.

Diese Hinweise kann ComputerPartner bestätigen, denn bereits wenige Minuten nach dem Aufsetzen der Brille klagten unsere Testpersonen über genau diese Symptome. Händler sollten ihre Kunden daher darauf hinweisen, dass die TV-Brille nicht für jeden geeignet ist und gesundheitliche Schäden nach sich ziehen kann. Sie werden es ihnen mit einem Bonuspunkt in Sachen Vertrauen danken. Hätte die ComputerPartner-Wertung auch eine Kategorie "Gesundheitliche Risiken", stünde in diesem speziellen Fall die Note fest: eine glatte Sechs.

Was die Händlerunterstützung betrifft, hält sich Olympus sehr bedeckt. Außer einer Hotline-Nummer (0 08 00/67 10 83 00) für technische Probleme soll es auf Anfrage auch Schulungen und werbeunterstützende Maßnahmen geben. Fest steht, dass der Hersteller demnächst eine weitere Brille mit der Bezeichnung "Eye-Trek FMD 700" anbietet. PAL-, NTSC- sowie RGB-Kompatibilität, eine optische Verbesserung der TFT-Displays und mehr Einstelloptionen sind die wesentlichen Unterschiede gegenüber dem 200er-Modell. (mm)

<b>Kurzgefasst</B>

Gemeinsam mit der Sender- und Empfängereinheit Eye-Trek Cordless TV erlaubt die mit zwei Farb-TFT-Displays ausgestattete Fernseh- und Video-Brille Eye-Trek FMD 200 die kabellose Übertragung der PAL-Signale eines TV-, Video- oder DVD-Geräts im Umkreis von bis zu 100 Metern. Allerdings kann der mobile Fernsehgenuss auch zu Symptomen wie Schwindel oder Übelkeit führen und ist für Kinder unter 16 Jahren verboten.

ANBIETER:

Olympus Optical Co. GmbH

Wendenstrasse 14-16

20097 Hamburg

Tel.: 0 40/2 37 73-0

Fax: 0 40/2 37 73-636

www.olympus.de

www.eye trek.de

PREIS:

Brille: 1.498 Mark

Sender- und Empfängereinheit: 399 Mark

Akkupack: 199 Mark

Akkuladegerät: 299 Mark

jeweils empfohlene Verkaufspreise inklusive Mehrwertsteuer

VERTRIEB/DISTRIBUTOREN:

in erster Linie Fotogroßhändler, aber auch PC-Distributoren, zum Beispiel Ingram Macrotron

WERTUNG:

Gerät: 4

Lieferumfang: 5

Handbuch: 3

Ease-of-Use: 3

Händler-Support: 3-4

CP-TIPP: 4

(Bewertung nach Schulnoten)

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