Stehen Internetfirmen wieder bessere Zeiten bevor?

20.09.2001
Die Zahl der Internetnutzer steigt kontinuierlich und damit auch die Zahl der potenziellen Kunden. Diejenigen Internetunternehmen, welche die Krise überlebt haben, dürfen sich Milliardenumsätze teilen.

Regelmäßig informieren diverse Internetseiten wie beispielsweise Dotcomtod. com oder Fuckedcompanys.com über den Krankheitszustand und den Untergang der New-Economy-Unternehmen. Geht es nach dem Willen der Analysten, können sich diese Seiten jedoch bald selbst begraben. Denn obwohl es bei den Internetunternehmen weiterhin Pleiten gibt, glauben viele Experten, die Trendwende sei bereits in Sicht.

Eine Umfrage der "Financial Times Deutschland" unter 20 VentureCapital-Gesellschaften und Unternehmensberatungen ergab, dass die Experten wieder optimistischer in die Zukunft sehen. Zwar schätzen sie die Lage als allgemein schwierig ein, aber für einige Bereiche sehen sie durchaus Chancen zur Reorganisation. Vor allem E-Commerce-Unternehmen, die ihre Dienste an Geschäftskunden (Business-to-Business, B-to-B) richten, und Internetdienstleistern wie etwa Web-Agenturen stünden rosigere Zeiten bevor (siehe Grafik "Erholungschancen"). "Die Lage ist ernst, aber sie wird besser. Der Markt wird sich erholen", meint Internetanalyst Peter Barkow von der Investmentbank HSBC Trink-aus & Burkhardt.

Erwartung an Dotcoms passt sich der Realität an

Positiv für diese Gruppe ist auch, dass die Zahl der Internetnutzer steigt. Laut einer Studie von NFO Infratest ist allein in Deutschland ihre Zahl in den vergangenen sechs Monaten um 11,6 Prozent auf 27,6 Millionen (43 Prozent) gestiegen. Marktforscher IDC schätzt, dass bis zum Jahr 2004 in Europa 60 Prozent der Bevölkerung oder 233 Millionen Menschen das Internet nutzen.

Trotz vieler Pleiten weiter hohe Umsätze

Den Umsatz via E-Commerce beziffert IDC dann auf eine Billion Dollar. "Die Pleiten der Dotcoms haben nicht gerade zum guten Ruf von Internet und E-Business beigetragen. Dennoch hat es beiden - den Konsumenten und den Unternehmen - geholfen, ihre Erwartungen an das, was das Internet wirklich leisten kann, anzupassen", meint Daniel O#Boyle Kelly, Program-Manager bei IDC. Optimistisch sehen auch die Forscher der Gartner Group den B-to-B-Bereich. Sie erwarteten ein durchschnittliches Wachstum von 90 Prozent im Jahr und für 2004 einen Umsatz von 6.000 Milliarden Dollar.

Laut IDC hat der Business-to-Consumer (B-to-C)-Sektor in Europa zwar ein viel versprechendes Wachstum hinter sich, doch glauben die Analysten, dass sich die Wachstumsraten nicht in die Zukunft übertragen lassen. Mit 12,2 Milliarden Dollar hat sich der Online-Umsatz in diesem Bereich im Vergleich zum Jahr davor verdoppelt. Die Marktforscher von E-Marketer prognostizieren in diesem Bereich ein weltweites Wachstum von jährlich 60 Prozent auf insgesamt 428 Milliarden Dollar im Jahr 2004.

Beste Chancen für Hersteller von Internetsoftware

Bei den Dotcom-Neugründungen haben laut dem Umfrageergebnis der Financial Times Deutschland die Hersteller von Internetsoft-ware die besten Erfolgsaussichten (siehe Grafik "Software-Startups"). Auch die Unternehmensberatung Bain & Company bescheinigt diesen New Economists gute Chancen. Denn die so genannten Web-Enabler verdienen relativ früh durch Beratungs-, Service- und Softwareerlöse. Bain & Company fand zudem heraus, dass gegen Ende vergangenen Jahres bereits acht Prozent der Web-Enabeler profitabel waren. Im Vergleich dazu: Im B-to-C-Segment arbeiteten zwei, im B-to-B-Segment fünf Prozent profitabel.

Das Finanzierungsmodell der Zukunft ist für die Unternehmensberater das Venture Capital; Börsengang und Bankkredit sind hingegen weniger gefragt (siehe Grafik "Finanzierung"). Viele Dotcoms gehen zudem Kooperationen mit Old-Economy-Unternehmen ein oder verkaufen Firmenanteile. So arbeitete beispielsweise der Internetbuchhändler Buch.de mit der Kette Phönix-Montana zusammen. Der Spielzeughändler Mytoys.de hat die Mehrheit an den Otto-Versand abgegeben, und beim Computerversand Cyberport ist der Medienkonzern Burda eingestiegen.

Für die Mehrheit der Old-Economy-Unternehmen ergibt sich durch diese Kooperationen die Gelegenheit, ihr Defizit im E-Business zu beheben.

"Umgekehrt haben gerade die Besten unter den jungen E-Business-Firmen den Wert von Partnerschaften und Allianzen mit etablierten Unternehmen klar erkannt", meint Bain-Partner und Leiter der E-Commerce-Aktivitäten Roman Zeller. Er fand heraus, dass die Dotcoms heute wieder verstärkt Wert auf Tugenden der Old Economy wie Kostenkontrolle und Produktivitätsorientierung, effiziente Organisation und vor allem Branchen- und Managementerfahrung legen. (ce)

www.ftd.de

www.trinkaus.com

www.nfo.de

www.idc.de

www.gartner.com

www.bain.de

www.emarketer.com

ComputerPartner-Meinung:

Die Dotcoms haben endlich gelernt, dass ein guter Einfall alleine nicht ausreicht, um zu überleben. Wer seine Kosten nicht in den Griff bekommt und vom Management gerade so viel Ahnung hat, dass er das Wort schreiben kann, geht den Bach hinunter. Andererseits sehen die Old-Economy-Unternehmen, dass ihnen die Internet-Startups bezüglich neuer Vertriebsmöglichkeiten viel beibringen können. Somit sind Kooperationen eine sinnvolle Ergänzung des Geschäftsmodells, von der beide Partner profitieren. (ce)

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