Steria schluckt Integris - Notverkauf statt freundlicher Übernahme

29.11.2001
Der französische Computerkonzern Bull steht vor der schwersten Krise seiner Unternehmensgeschichte: Der Aktienhandel wurde ausgesetzt, der Vorstandsvorsitzende hat den Rücktritt angekündigt. Der Verkauf der Dienstleister-Tochter Integris soll die Lage stabilisieren.

Am Sommer wurde erstmals über einen bevorstehenden Verkauf der Bull-Tochter Integris an die französische Steria-Gruppe gemunkelt. Inzwischen wurden die Gerüchte bestätigt: Zum Jahresende wird Bull die Integris-Bereiche "Systemintegration" und "Outsourcing" in Europa (außer Frankreich) aus dem Konzern ausgliedern und an Steria übergeben. Der Verkauf erfolgt über Aktientausch: Für die Sparten im Wert von rund 190 Millionen Euro erhält die Bull-Gruppe entsprechende Steria-Anteile und dürfte damit danach etwa 15 Prozent des Aktienkapitals des IT-Dienstleisters besitzen. Außerdem sieht der Vertrag auch vor, dass Steria Verbindlichkeiten von Bull in Höhe von maximal 57 Millionen Euro übernehmen soll.

Das Geld können die Franzosen gut gebrauchen: Die Geschäfte sind im vierten Quartal eingebrochen, die Aussichten für 2002 offenbar alles andere als rosig. Die Großaktionäre lehnen Vorschläge für den Einstieg eines neuen finanzkräftigen Aktionärs dennoch ab. Vor einigen Tagen beantragte die Firmenleitung bei der Pariser Börse die Aussetzung ihrer Aktien vom Handel. Der Bull-Vorstandsvorsitzende Guy de Panafieu möchte - sobald der Aufsichtsrat einen Nachfolger gefunden hat - zurücktreten. Der Bull-Konzern befindet sich finanziell in der Klemme, aus dem lang geplanten Deal könnte ein Notverkauf werden. Denn als wichtigste Maßnahme zur Stabilisierung der Situation wurde die Übergabe von Integris an den Wettbewerber Group Steria SCA auserkoren.

Notverkauf stärkt Steria-Gruppe

Mit der "freundlichen Übernahme", die von langer Hand geplant ist, dürfte aber vor allem die Position des bisherigen Wettbewerbers Steria gestärkt werden. Als eine der Top-20-Firmen im französischen IT-Dienstleistungsmarkt hat die Gruppe bislang rund 82,5 Prozent ihres Umsatzes auf dem Heimatmarkt realisiert. Nach der Übernahme der europäischen Integris-Aktivitäten will man das Geschäft auch stärker auf andere Länder ausweiten: Die Umsatzprognose der Steria-Gruppe für 2002 wird auf etwa 1,3 Milliarden Euro beziffert - wovon 65 Prozent außerhalb Frankreichs generiert werden sollen. Die Geschäftstätigkeiten des Unternehmens verteilen sich dabei relativ ausgewogen auf Nord- und Südeuropa und die drei Geschäftsbereiche Systemintegration, Managed Services (Outsourcing) und Consulting.

Neuer Player im deutschen Dienstleister-Markt

Der Integris-Verkauf dürfte sich auch auf die deutsche IT-Dienstleis- ter-Szene auswirken: Schließlich drängt mit der neu formierten Steria-Gruppe ein weiterer internationaler Anbieter in den hiesigen Markt. Bisher war Steria in Deutschland mit einem Umsatz von etwa zehn Millionen Euro zwar nur mäßig erfolgreich, doch das soll sich ändern: "Wir streben in Deutschland eine Position unter den ersten 20 an", sagt HansDieter Ernst, derzeit noch Chief Executive Officer (CEO) von Integris, künftig auch Leiter der Steria-Gruppe in Deutschland. In Deutschland erhofft man sich den nötigen Schwung für das Europa-Geschäft: "Die Steria-Gruppe zählt heute zu den Top 30 der IT-Dienstleister in Europa. Nach Übernahme der Integris-Aktivitäten, wollen wir zu den Top-Ten aufschließen", so Ernst. Das Umsatzziel für die neue europäische Organisation wird für 2002 auf 1,3 Milliarden Euro beziffert. 25 Prozent davon sollen auf Kunden aus dem Bereich Banken und Versicherungen, jeweils 30 Prozent auf öffentliche Verwaltung und Fertigungsindus-trie sowie 15 Prozent auf das Segment Telekommunikation entfallen. Nach Ablauf der Integrationsphase wird die neue Unternehmensgruppe voraussichtlich am 1. Januar 2002 ihre Geschäfte auch in Deutschland in vollem Umfang aufnehmen können.

www.integris-gmbh.de

www.steria.de

ComputerPartner-Meinung:

Für Integris ist der Verkauf mehr als ein Hoffnungsschimmer: Innerhalb der - seit 30 Jahren erfolgreichen - Steria-Gruppe kann der Dienstleister sein Potenzial besser entwickeln. Auch die Analys-ten schätzen die Entwicklung positiv ein: Dank der gemeinsamen französischen Herkunft dürften In-tegrationsprobleme weitestgehend ausbleiben. Integris besitzt hier bereits einen loyalen - mittelständischen - Kundenstamm. Gemeinsam gilt es nun, die Großkunden zu überzeugen. (mf)

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