Steuerhinterziehung: Unwissenheit schützt doch vor Strafe

12.04.2006
Wer aus Unwissenheit Steuern hinterzieht, darf auf einen Freispruch hoffen.

Unwissenheit kann durchaus vor Strafe schützen, das ergibt sich zumindest aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs (Az.: 5 StR 331/04). Eine Frau war vom zuständigen Landgericht wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil in der Revision auf.

Nach den Feststellungen des Landgerichts gründete die Angeklagte - eine geschäftsunerfahrene Hausfrau - im Jahr 1998 eine Handelsagentur für Spirituosen und setzte damit die Handelstätigkeit ihres verstorbenen Ehemannes fort. Für die Jahre 1998 bis 2000 gab sie inhaltlich falsche Umsatzsteuerjahreserklärungen ab, indem sie Vorsteuern aus innergemeinschaftlichen Lieferungen geltend machte, obwohl diese umsatzsteuerfrei erfolgt waren. Für 2001 gab die Angeklagte gar keine Umsatzsteuerjahreserklärung ab.

Vor Gericht hatte die Angeklagte erklärt, sie habe "das System ihres Mannes übernommen". Sie hatte sich dabei auf einen Terminplaner ihres Mannes aus dem Jahr 1997 berufen, in den dieser Preise für Spirituosen eingetragen hatte. Nach einem Vergleich der dortigen Eintragungen mit den Angebotslisten der ausländischen Lieferanten sei für sie schlüssig gewesen, dass die niedrigeren Preise im Terminplaner - im Gegensatz zu den Angebotslisten . keine Umsatzsteuer enthalten hätten. Das Landgericht war der Ansicht, das dieser Vergleich ihr nicht die Gewissheit verschafft haben könne, sich umsatzsteuerrechtlich korrekt zu verhalten; die Angeklagte habe nicht einschätzen können, ob die Preise für Spirituosen zwischen dem Zeitpunkt der Eintragungen im Terminplaner (1997) und den Angebotslisten (Juli 1998) annähernd gleich geblieben seien. Darüber hinaus hielt es der Tatrichter auch für denkbar, "dass ihr Mann einen günstigen (Netto) Preis durch Einräumung eines Rabatts erlangt hatte".

Das sah das Bundesgericht aber anders: Diese Erwägungen beruhen auf bloßen Vermutungen des Landgerichts, die nicht durch Tatsachen belegt sind, hieß es in dem Urteil. So habe das Landgericht selbst weder die maßgeblichen Spirituosenpreise festgestellt, noch sei bewiesen worden, ob - anders als der Angeklagten selbst - ihrem Ehemann tatsächlich auch noch bis 1997 Rabatte von den Lieferanten eingeräumt worden waren. Ohne "tragfähige Tatsachengrundlage" dürfe das Landgericht aber solche Vermutungen nicht zur Widerlegung der Aussagen der Angeklagten heranziehen, so die Richter.

Außerdem hat das Landgericht sich nicht weiter mit der Frage auseinandergesetzt, wer von den Fehlern profitiert: In dem Fall war es nämlich weniger die Angeklagte, sondern vielmehr ihre Geschäftspartner, denen sie die Ware aufgrund einer wirtschaftlich schon im Ansatz verfehlten Preiskalkulation unter dem Marktpreis angeboten hatte. Dies hätte zumindest bei der Strafzumessung berücksichtigt werden müssen. (mf)

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