Steuervorteile für E-Commerce-Anbieter

17.06.1999

KÖLN: Die Zahl der E-Commerce-Transaktionen steigt täglich. Doch ist das Internet wirklich ein rechtsfreier Raum? Über steuerliche und rechtliche Rahmenbedingungen im Cyberspace informiert im folgenden Beitrag Rosemarie Portner*.Bis zum Jahr 2001 wird sich nach Schätzungen von Marktforschern der E-Commerce-Umsatz allein in Europa von derzeit 2,5 Milliarden auf 25 Milliarden Mark verzehnfachen. Das Volumen der gesamten Internet-Dienstleistungen steigt bis 2004 von 17,9 auf fast 100 Milliarden Mark.

Schon diese Zahlen dokumentieren, daß der Handel per Mausklick auch unter steuerlichen Aspekten zusehends relevant wird. Wie der globale Austausch von Waren und Dienstleistungen im Internet ertrags- und umsatzsteuerlich zu behandeln ist, ist im Detail zwar noch nicht abschließend geklärt. Als sicher gilt zumindest, daß eine Revolution im nationalen und internationalen Steuerrecht, wie sie insbesondere englischsprachige Expertisen prophezeiten, wohl nicht stattfinden muß, um Doppel- oder wettbe-werbsverzerrende "Keinmalbesteuerungen" zu vermeiden. Das herkömmliche Instrumentarium wird zur Zeit zumindest als ausreichend betrachtet. Gegebenenfalls sind die Regeln zu modifizieren.

Der Gang vor den Kadi kann vermieden werden

Die Finanzverwaltungen fürchten ein hohes Verschleierungspotential - virtuelle Transaktionen seien mit herkömmlichen Ermittlungs- und Erhebungsmöglichkeiten kaum zu erfassen. Kennzeichnend für E-Commerce-Transaktionen ist, daß Verkäufer und Kunde anonym bleiben können. Daran ändert auch die Internet Protocol Adress nichts, denn diese läßt lediglich eine Identifizierung des Rechners zu, nicht aber der Person.

Pläne, eine pauschale Bit-Steuer auf den Datenaustausch zu erheben, oder territoriale Konzepte, Ursprungsregeln und Einkommens-quellen neu zu bestimmen, sind zwar zur Zeit vom Tisch, können aber wieder aufleben, wenn sich die Besteuerungsprobleme nicht in den Griff bekommen lassen. Ebenso ist es deutschen Steuerbehörden nicht gestattet, in den Datenbanken des Unternehmens nach Geschäftsvorgängen zu fahnden - ein Entwurf zur Änderung der Abgabenordnung, der die Datenfahndung legitimieren könnte, liegt allerdings bereits vor.

E-Commerce-Betreibern ist daher zu raten, Geschäftsvorgänge durch Handels- und Kommunikationsprotokolle genau zu dokumentieren sowie Daten und Belege vorzuhalten - und das im Eigeninteresse, damit der Fiskus nicht zu neuen Steuern greift.

Server allein sind noch keine Betriebsstätte

Erhebliche Schwierigkeiten bereitet die Einordnung der neuen Technik unter die einschlägigen Vorschriften des Einkommenssteuerrechts. Es stellt sich beispielsweise die Frage, ob auch die technischen Voraussetzungen hinreichend klare Anknüpfungspunkte für eine Besteuerung bieten. Besonders problematisch sind die Begriffe "Betriebsstätte", die Bestimmung der Einkunftsart sowie die Verrechnungspreisbestimmung zwischen verbundenen Unternehmen.

Wer die Vorteile der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) nutzen will, sollte seinen Server im steuersatzniedrigen Ausland installieren. Allerdings: Ein Server allein reicht nicht zur Annahme einer Betriebsstätte. Vor Ort müssen auch ein paar wenige, aber wichtige Mitarbeiter präsent sein, die eigenverantwortlich und maßgeblich zum Auslandsergebnis beitragen.

Besteht schließlich ein DBA, gelten die im jeweiligen Land gültigen Steuersätze - in Holland 35 Prozent, in Großbritannien 30, in einigen Kantonen der Schweiz gar nur 20 Prozent. Sollte allerdings der Server in einem Land installiert werden, mit dem kein DBA existiert, bleibt die Steuerpflicht in der Bundesrepublik in voller Höhe bestehen (Welteinkommen).

Konzernleistungen kaum Differenzierbar

Um eine Gewinnzuordnung im steuergünstigen Ausland zu beschränken, arbeitet das internationale Steuerrecht bei verbundenen Unternehmen (echten Mutter- und Tochtergesellschaften) mit dem Grundsatz des Fremdverhaltens. Die Muttergesellschaft muß ihrer Betriebsstätte im Ausland erbrachte Leistungen und Lieferungen zu Preisen in Rechnung stellen, als hätte sie ein fremder Dritter geliefert.

Das setzt eine eindeutige Zuordnung der am Endprodukt erbrachten Leistungen verschiedener Beteiligter voraus. Und gerade das ist beim E-Commerce kaum möglich. Über alle Welt verteilte Arbeitseinheiten können online am gleichen Produkt arbeiten. Vereinfacht läßt sich sagen, daß Massenware mit eindeutigem Marktpreis bei der Preisgestaltung kaum Spielraum bietet, um eine steueroptimierte Gewinnallokation durchzuführen. Spezial- und Individualangebote wie komplexe Investitionsgüter oder High-Tech-Ware bieten dagegen Möglichkeiten, Kosten und Gewinnaufschlag individuell zu kalkulieren - und das durchaus mit steuerlich positiven Effekten.

Umsatzsteuervorteile bis ins nächste Jahrtausend

Vorteilhaft, wenngleich wohl nicht mehr lange während, ist auch der Umstand, daß ein umsatzsteuerrechtlich komplett online abgewickeltes Geschäft als "sonstige Leistung" und nicht als "Lieferung" angesehen wird. Nicht verkörperte Waren gelangen dabei in Form von Daten auf den PC des Endverbrauchers, der sie dort herunterlädt, zum Beispiel CDs, digitale Bücher und Zeitungen, Kataloge, Filme und ähnliches.

Umsatzsteuer fällt dabei nur am Sitz des Herstellers oder Lieferanten an. Insbesondere aus den USA kommen günstigere Angebote auf den deutschen Markt - die USA kennen keine Umsatzsteuer, wie sie in den EU-Staaten üblich ist. Diesen Umstand können sich auch deutsche Anbieter via USA zunutze machen.

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat ausdrücklich festgestellt, daß es sich dabei nicht um eine Umgehung oder einen Mißbrauch gemäß Paragraph 42 der Abgabenordnung handelt - ein Tatbestand des Mißbrauchs sei dem Umsatzsteuerrecht, das innerhalb der EU vereinheitlicht ist, fremd.

Seitens der EU ist jedoch geplant, daß die Umsatzsteuer künftig bei Leistungen aller Art am Verbrauchsort anknüpfen soll. Das statuiert die Pflicht sämtlicher Lieferanten - egal aus welchem Land - grundsätzlich in der Bundesrepublik Umsatzsteuer zu verlangen. Am Ende müssen und werden wohl weltweit gleiche Besteuerungsregeln im Bereich E-Commerce gelten. Global Business und nationale Regeln - das paßt eben nicht.

*Rosemarie Portner ist Rechtsanwältin, Steuerberaterin und

Partnerin in der Sozietät Oppenhoff & Rädler, Linklaters & Alliance

in Köln.

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