Doris Albiez, Dell

"Stillstand managen gibt es bei mir nicht"

19.11.2015
Doris Albiez ist seit Mai 2013 Dell-Chefin in Deutschland. Ein Gespräch über den persönlichen Werdegang, die wichtigsten Aufgaben bei Dell sowie zukunftsfähige Unternehmen – und natürlich über den Channel.
Foto: Dell

Wie starten Sie in Ihren Büroalltag?
Doris Albiez: Nach dem Aufstehen mache ich es wie die meisten Menschen - ich trinke erst mal einen Kaffee. Der gehört für mich zwingend zum perfekten Start in den Tag. Damit geht's dann an meinen PC, wo ich meine Termine checke und schaue, was der Tag für mich bereithält. Ich erledige schon mal die wichtigsten E-Mails, bereite mich auf meine Termine vor und verteile die ersten Aufgaben auf meine Mitarbeiter. Mein Büroalltag beginnt also schon sehr früh am Morgen, aber genau das gefällt mir.

Sie sind Vice President & General Manager von Dell Deutschland. Was hat Sie in die IT-Branche gebracht?
Albiez: Das war reiner Zufall!

Zufall?
Albiez: Ja, Zufall. Ursprünglich wollte ich Chirurgin werden, aber leider wurde mir das nicht erlaubt. Auch wenn man sich das heute kaum mehr vorstellen kann, so gehörte ich noch zu einer Generation, bei der das Elternhaus über die Zukunft seiner Töchter bestimmte. Ich musste mich also nach etwas anderem umschauen und bin dabei auf die IT gestoßen. Das Thema war ja damals noch völlig neu, und es herrschte eine echte Aufbruchstimmung. Damals schien alles möglich, und um mich herum waren nur junge Menschen, die mit viel Spaß und Kreativität bei der Sache waren. Das hat mir einfach gefallen und ich wollte Teil davon sein. Deswegen bin ich als junger Mensch vollkommen begeistert zur IT gegangen.

Was lieben Sie an Ihrer Tätigkeit bei Dell?
Albiez: Ich bin jetzt bereits seit 30 Jahren in der IT unterwegs und habe schon in einer Reihe namhafter Unternehmen in Führungspositionen gearbeitet. In all den Jahren habe ich also viel gesehen und erlebt, aber Dell war in vielerlei Hinsicht anders. Spannend war zum Beispiel, dass Michael Dell gerade dabei war, seine Firma von der Börse zu nehmen. Das kam mir gerade recht, denn ich konnte den Begriff "Shareholder Value" selbst schon nicht mehr hören. Mir war von Anfang an klar, dass Dell nach dem Abschied von der Börse ganz anders würde agieren können - langfristig orientiert, strategisch, im Interesse der Kunden und ohne den Druck der Aktionäre. Dazu kam, dass die Aufgabe bei Dell ganz nach meinem Geschmack war. Man kennt mich als "Transformator". Das heißt, Stillstand managen gibt es bei mir nicht. Ich will Dinge verändern und aktiv gestalten. Die Tatsache, ein so großes IT-Unternehmen wie Dell zu managen, hat mich überaus fasziniert. Dass ich dazu in der Lage bin, hat man bei Dell erkannt.

Was meinen Sie mit "Stillstand managen"?
Albiez: Stellen Sie sich vor, ein Unternehmen ist an einem bestimmten Punkt angelangt. Jetzt werden Sie ins Management berufen und es wird Ihnen gesagt: "Nichts wird verändert, alles bleibt so, wie es ist. Machen Sie einfach weiter wie bisher." Das meine ich mit "Stillstand managen". Nur: Das bin ich nicht. Ich verändere Dinge gern, ich treibe Dinge voran und es liegt mir im Blut, immer kreativ zu sein. Zu transformieren heißt übrigens nicht, dass man autokratisch agiert. Im Gegenteil: Wenn man Dinge verändern will, muss man die Mitarbeiter mitnehmen. Das gelingt nur, wenn man sie überzeugt und in Entscheidungen einbezieht. Nur so kann man seine Mitarbeiter motivieren, sich voll einzubringen und sich den nötigen Veränderungen zu öffnen. Michael Dell sieht das übrigens genauso.

Momentan ändern sich ja die Anforderungen an Unternehmen besonders stark, vor allem, was die IT angeht. Worauf kommt es an, damit ein Unternehmen auch zukünftig wettbewerbsfähig bleibt?
Albiez: Wie zukunftsfähig - oder neudeutsch "future-ready" - ein Unternehmen ist, entscheidet darüber, ob und wie gut es sich im internationalen Wettbewerb behaupten kann. Soweit - so einleuchtend. Trivial ist diese Erkenntnis aber nur so lange, bis es zur Umsetzung kommt, denn da haben viele Unternehmen noch erheblichen Nachholbedarf. Und in der Tat spielt hier die Informationstechnologie eine Schlüsselrolle, denn ein Unternehmen ist nur so flexibel und innovativ wie seine IT. Ob Sie ein Haus bauen, ein Auto kaufen oder in der Firma Ihre Arbeit tun - alles ist ja in irgendeiner Form mit IT verknüpft. Und wenn ein Unternehmen - egal ob der kleine Mittelständler oder das Großunternehmen - zukunftsfähig sein will, so muss es darauf achten, dass es die Trends wie Cloud Computing, Mobility oder Big Data nicht verpasst, sondern aktiv und zu seinem Vorteil nutzt. Das soll nicht heißen, dass sich ein Unternehmen zu 100 Prozent in die Abhängigkeit von der IT begeben muss, um gut aufgestellt zu sein. Aber die IT muss eben alles liefern, damit Unternehmen im weltweiten Wettbewerb mithalten können. Viele Firmen haben dies noch nicht erkannt und müssen an dieser Stelle nachbessern. Dabei kann Dell ihnen helfen.

Wie genau unterstützt Dell die Unternehmen auf den Weg zum zukunftsfähigen Unternehmen?
Albiez: Dell ist der einzig verbleibende Anbieter von IT-Komplettlösungen, der seinen Kunden alles aus einer Hand liefern kann - vom Client über Server, Storage und Networking-Produkte bis hin zu umfassenden Lösungen für das Rechenzentrum und die Cloud, einschließlich eines umfassenden Software-Portfolios etwa für die IT-Sicherheit. Das alles ergänzen wir um professionelle IT-Dienstleistungen. Heute verfügt Dell über das umfangreichste Portfolio seiner Unternehmensgeschichte. Das heißt aber nicht, dass wir alles selber machen. Dort wo es sinnvoll ist, setzen wir auf Partner wie beispielweise SAP und Oracle.

Ein, wie ich finde, sehr wichtiger Punkt ist, dass all unsere Lösungen auf Standards basieren und vollständig offen sind. Proprietäre Lösungen werden Sie bei Dell nicht finden. Muss beispielsweise ein Interface für ein SAP-CRM programmiert werden, sind Sie als Unternehmen mit einer offenen Lösung von Dell wesentlich besser bedient als beispielsweise mit Cisco. Der Grund liegt einfach darin, dass unsere Strukturen durchweg Open Stack sind. Verwenden Firmen gar eigene Software, kommt dieser Vorteil noch mehr zum Tragen. Ein Beispiel dafür sind Krankenhäuser, die spezielle Software zur Verwaltung von Patientenakten oder für Fernoperationen verwenden. Für sie ist es viel einfacher, mit einem nicht-proprietären Hersteller zusammenzuarbeiten als mit einem, der alles zusperrt.

Müssen die IT-Strukturen eines zukunftsfähigen Unternehmens besondere Voraussetzungen erfüllen?
Albiez: Auf jeden Fall! Und hier geht der Trend eindeutig in Richtung Software-definierte Lösungen, beispielsweise Software Defined Network oder Software Defined Storage. Software-definierte Lösungen sind in Anschaffung und Einsatz wesentlich günstiger und vor allem flexibler als herkömmliche Hardware. Ein Beispiel: Sie setzen in Ihrer IT eine Storage-Maschine ein. Das Datenaufkommen wächst bekanntlich rasant. Irgendwann fallen täglich viele Terabyte oder gar Petabyte von Daten an, und Ihre Storage-Maschine ist komplett ausgelastet. Sie investieren in einen neuen Einschub, der aber schon bald wieder voll ist. Das wiederholt sich wieder und wieder. Bei Software Defined können Sie das wesentlich besser steuern. Sie müssen nicht jedes Mal viel Geld und Aufwand in eine neue Storage-Maschine für Hunderttausende von Euro investieren, sondern erweitern einfach die Kapazitäten, die sie benötigen. Mit Software Defined lösen Sie das Problem also viel eleganter. Das genau meine ich mit "future-ready", und mit solchen Themen sind wir bei Dell sensationell gut aufgestellt.

Sie sprechen ja mit vielen verschiedenen Firmen. Wie sind Ihrer Meinung nach deutsche Unternehmen international aufgestellt?
Albiez: Deutsche Unternehmen - insbesondere die mittelständischen Betriebe - sind in vielerlei Hinsicht Vorbild und Vorreiter für Europa. Was die wenigsten wissen: Frankreich und Großbritannien haben jahrzehntelang - und letztlich erfolglos - versucht, unseren Mittelstand zu kopieren, da sie erkannt haben, dass diese Unternehmen das Rückgrat unserer Wirtschaft sind. Unser Mittelstand trägt uns immer dann, wenn es der Industrie nicht so gut geht. Leider vergessen wir das oft. Was mir persönlich ganz gut gefällt ist, dass die Nachfolgegeneration wirklich Lust hat, diese Unternehmen auch zu übernehmen und deren Zukunft zu sichern. Offensichtlich trägt diese Generation das Unternehmer-Gen in sich. Viele davon haben zudem wirklich tolle Ideen, um das Ganze auch auf solide Füße zu stellen.

Das klingt spannend. Was werden aus Ihrer Sicht innovative IT-Entwicklungen in naher Zukunft sein?
Albiez: Ich glaube, dass es bei IT-Innovationen künftig vor allem darum gehen wird, uns das Leben zu erleichtern. Die Spracherkennung wird wesentlich verbessert werden. Auch diese Google-Cars, die wir derzeit noch belächeln, werden in naher Zukunft vermutlich selbstverständlich sein. Wir werden Roboter sehen, die mehr und mehr automatische Arbeiten übernehmen. Und im B2B-Bereich kommt Software Defined - in ganz großen Schritten.

Software Defined? Ist das denn nicht schon da?
Albiez: Nein, zumindestnicht in dem Maße, wie es sein müsste. Die Technologie ist da, aber bei der Umsetzung stehen wir noch am Anfang. Und was natürlich nicht vergessen werden darf, ist die Cloud. Sie wird sich immer stärker durchsetzen.

Gerade bei Cloud-Anwendungen tun sich deutsche Unternehmen aber nach wie vor schwer. Meinen Sie, das wird sich ändern?
Albiez: Ich denke, dieses Verhalten wird sich in Zukunft verändern, und wir werden ein echtes Umdenken erleben. Die Cloud wird sich nach meiner Einschätzung auf breiter Front durchsetzen, in all seinen verschiedenen Facetten. Das ist nur eine Frage der Zeit.

Und was ist mit dem Channel?
Albiez: Auch hier werden wir große Veränderungen sehen, denn auch der Channel muss sich deutlich anpassen. Nehmen wir mal die heutigen Managed Service Provider als Beispiel: Bereits heute machen viele Systemhäuser schon im kleinen Stil einen On-Premise- und einen Off-Premise-Support für ihre Kunden. Ein Mittelständler vertraut dem kleinen Systemhaus, das sein Data Center beispielsweise im Schwäbischen Wald gebaut hat und das man sich, wenn man will, auch einmal anschauen kann, deutlich mehr als einer Amazon, die die Cloud irgendwo hat. Diese typischen Managed Service Provider sind ja schon heute recht stark, aber sie werden künftig enorm an Bedeutung gewinnen. Letztlich werden sie die Kaufentscheidungen treffen, denn den Endkunden interessiert immer weniger, welche Hardware er kauft. Ihn interessiert nur noch, dass seine Business-Probleme gelöst werden, und dabei vertraut er seinem Systemhaus. Das wird noch sehr spannend werden.

Wie unterstützt Dell in diesem Zusammenhang die Distributoren?
Albiez: Wir sind da ziemlich stark unterwegs. Dell hat spezielle MSP-Programme aufgesetzt, schult die Distributoren entsprechend und unterstützt sie in allen relevanten Themen. Aber auch die Distribution wird sich auf Veränderungen einstellen und sich in Teilen neu erfinden müssen. Die Distributionskonzepte, die wir heute sehen, wird es zwar noch ein paar Jahrelang geben, aber sie werden sich verändern, jedes Jahr ein bisschen.

Wenn Sie das alles jetzt so stark bewegt - können Sie sich da noch Ziele setzen, etwa für 2020?
Albiez: Ziele bis 2020? Also ich möchte auf jeden Fall erreichen, dass Dell in Deutschland unter den Top zwei oder drei mitspielt. Das ist ein sportliches Ziel, aber ich bin sicher, wir werden das schaffen.

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