Stimmung zwischen Apple und den Clone-Herstellern verschlechtert sich zusehends

09.05.1997
CUPERTINO: Das war schwer zu verdauen, was Steve Jobs den Gläubigen der Apple-Gemeinde auf der MacWorld in Boston zugemutet hat.Das Kriegsbeil mit Erzfeind Microsoft ist begraben, eine Meilenstein-Allianz verkündet. Eine Kooperation mit dem Erzfeind soll Apple retten.

CUPERTINO: Das war schwer zu verdauen, was Steve Jobs den Gläubigen der Apple-Gemeinde auf der MacWorld in Boston zugemutet hat.Das Kriegsbeil mit Erzfeind Microsoft ist begraben, eine Meilenstein-Allianz verkündet. Eine Kooperation mit dem Erzfeind soll Apple retten.

Steve Jobs und Bill Gates kennen sich schon lange. In den frühen Tagen des Personalcomputers hat Jobs einmal Gates mit 10.500 Dollar aus der Patsche geholfen. Nun haben einige Telefonanrufe im Juli genügt, um Gates umgekehrt um Hilfe zu bitten. Auf der MacWorld in Boston hat der zurückgekehrte, aber nach wie vor titellose Apple-Chef Steve Jobs mit Bill Gates eine virtuelle Friedenspfeife geraucht und eine Allianz künftiger Zusammenarbeit verkündet.

Der Deal: Microsoft erklärte sich bereit, für 150 Millionen Dollar Apple-Aktien ohne Stimmrecht erwerben. Im Gegenzug will Apple Microsofts Web-Browser Internet Explorer auf dem Macintosh-Rechner installieren. Diese überraschende Ankündigung löste unter vielen Mac-Enthusiasten helle Empörung aus. Als Bill Gates während der Jobs-Rede auf der Leinwand erschien, um die in solchen Fällen artigen Grußworte abzuliefern, wurde er mit Pfiffen und Buhrufen empfangen.

Industriebeobachter sind sich einig: Microsoft will nicht, daß Apple untergeht. Dafür gibt es alleine schon den pragmatischen Grund, daß Software für Apple-Rechner etwa 400 Millionen Dollar in die Kasse bringt. Doch es kann Microsoft grundsätzlich nicht daran gelegen sein, daß eine Firma wie Apple aus der Computerindustrie verschwindet. In diesem Fall würde Microsoft als Alleinherrscher im PC-Markt weit mehr Probleme haben als heute.

Kartellbehörden haben ein Auge auf Microsoft

In der Tat, etwa zwei Wochen nach Boston hieß es, daß die Kartellbehörde des US-Justizministeriums ein Auge auf das Abkommen geworfen hat. Microsoft hat dies nicht bestätigen, jedoch lakonisch eingeräumt, daß dies in der Zukunft durchaus der Fall sein könnte. Bestätigt dagegen hat der Softwaregigant, daß Washington Unterlagen im Zusammenhang mit der Übernahme einiger kleinerer Unternehmen im Themenbereich "Streaming Media" angefordert habe. Bei den von Microsoft ganz oder teilweise erworbenen Unternehmen handelt es sich um VXtreme aus Sunnyvale (Videostreaming) und Progressive Networks (Real Audio und Video) aus Seattle.

Als zweiten wichtigen Schritt des Rettungsversuches von Apple hatte Jobs kurz vor der MacWorld den Aufsichtsrat (board of director) ausgewechselt und wichtige Führungskräfte aus der PC-Industrie an Bord geholt. Neben Jobs, der nun ebenfalls Mitglied des Aufsichts-rates ist, haben nun Oracle-Chef Larry Ellison sowie Bill Champell vom Finanzsoftwarespezialisten Intuit (Quicken) eine Stimme in diesem wichtigen Führungsgremium. Dazu kommt Jerry York, einer der ehemaligen Finanzchefs von IBM und Chrysler. Geblieben sind Edgar Woolard, Chairman von Dupont sowie Gareth Change, Senior-Vicepresident von Hughes Electronics.

Mit diesem Schritt gelang es Apple-Mitgründer Jobs, eine ungewöhnliche Rettungsmannschaft zusammenzustellen, die bekannte Führungskräfte an den Computerpionier bindet. So sollen die Erzfeinde Bill Gates und Larry Ellison verhindern, daß Apple untergeht. Die bisherigen Mitglieder Katherine Hudson, Bernhard Goldberg und A.C. Mike Markkula haben Apple verlassen. Hauptaktionär Markkula war seit der Gründung von Apple Mitte der 70er Jahre die graue Eminenz des Computerpioniers. Auf seinen Einfluß ging es zurück, daß praktische alle Apple-Chefs, unter ihnen auch Jobs, gefeuert wurden.

Personalpolitik wurde positiv aufgenommen

Die personalpolitischen Schritte wurde von der Apple-Gemeinden von der Wall Street positiv aufgenommen. Innerhalb einer Woche verdoppelte sich der Kurs der Apple-Aktie von 13 auf 26 Dollar. Beunruhigt hat dagegen die Fan-Gemeinde, was Jobs in Boston nicht sagte. Der De-facto-Steuermann des angeschlagenen Apple-Schiff vermied es nämlich auf der MacWorld bewußt, zwei Themen anzuschneiden: Die Zukunft des geplanten, völlig neuen Betriebssystems Rhapsody und eine Stellungnahme zur künftigen Lizenzpolitik für Mac-Clones.

Das Wort Rhapsody kam zu Erstaunen aller Zuhörer nicht über seine Lippen. Dabei war gerade dieses Thema wichtigster Bestandteil seiner Rückkehr zu Apple (als Berater). Dafür hatte der gefeuerte Gilbert Amelio Jobs Softwarefirma Next Inc. für 430 Millionen gekauft. Rhapsody sollte, auf der Basis des Betriebssystems Nextsoft und Openstep entwickelt, im kommenden Jahr auf den Markt kommen mit dem Ziel, Apple technisch wieder zu Microsofts Betriebssystem Windows aufrücken zu lassen oder dieses gar zu übertreffen.

Die Luft zwischen Apple und dem Clone-Lager wird dicker

Ebenfalls beunruhigend das Thema Clone-Politik. Die Stimmung zwischen Lizenzgeber Apple und den Clonern hat sich zunehmend verschlechtert. Einen ersten Höhepunkt erreichte die angespannte Situation Ende Mitte August. Am Freitag den 15. August hatte Apple die Clone-Hersteller in einem Schreiben wissen lassen, daß es bis auf weiteres keine Clone-Systeme testen und zertifizieren werde, die nach den CHRP-Spezifikationen (Common Hardware Reference Platform) gebaut wurden. Nach den Lizenzabkommen ist es jedoch den Clone-Herstellern untersagt, nicht zertifizierte Computer in den Handel zu bringen. Mit diesem Schritt versucht Apple somit zu verhindern, daß Clone-Hersteller Rechner neuester Bauart in den Handel bringen, während Apple sein jüngstes Angebot an Maschinen gerade auf die Vorzüge der CHRP-Plattform aufbaut.

CHRP (sprich "tschirp) war in den letzten Jahren von Apple, IBM und Motorola gemeinsam entwickelt worden mit dem Ziel, Computer für das Mac-Betriebssystem herzustellen, die aus standardisierten Bauteilen bestehen und nicht aus speziellen Hardwareteilen, die von Apple entworfen wurden. Die neue Plattform sollte es Clonern erleichtern, rascher und preisgünstiger Mac-kompatible Rechner zu bauen und so die Basis für das Betriebssystem MacOS zu verbreitern. Ursprünglich sollten auf CHRP-Maschinen auch die Betriebssysteme OS/2 und Windows NT laufen. Doch im Laufe der Entwicklung haben sich IBM und Microsoft wieder aus dem Projekt zurückgezogen.

Bereits vor dem Schreiben vom Freitag hatte Apple den Clone-Herstellern erheblich zugesetzt, in dem es ihnen praktisch die Installation des neuen Betriebssystems MacOS Version 8 verweigert oder zumindest verzögert. Apples Verweigerung des Systems für neue Clone-Maschinen war somit ein erster massiver Bruch in der gesamten Lizenzpolitik. Nach Ansicht von Marktbeobachtern ist mit dem jüngsten Schritt der CHRP-Verweigerung nun das gesamte, mühsam aufgebaute Lizenznetz in Frage gestellt. Ob diese neue Entwicklung direkt etwas mit der in Boston verkündeten Kooperation mit Microsoft zu tun hat, ist im Moment noch nicht auszumachen. Es gilt jedoch als gesichert, daß Steve Jobs ein Gegner der Lizenzpolitik ist.

Rudi Kulzer

Das Überleben der Macintosh-Company scheint vorerst gesichert: Der Schulterschluß des ehemaligen Erzrivalen Microsoft an Apple löste einen Kurssprung der Aktie aus. Dennoch erfolgte anschließend eine deutliche Korrektur aufgrund der eher bescheidenen Ergebniserwartungen.

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