Stimmungsbarometer im IT-Fachhandel 1998

21.01.1999

MÜNCHEN: Wirtschaftskrisen, Ausverkauf der Distributoren, Hersteller, die zunehmend direkt verkaufen wollen - dem deutschen IT-Handel blieb 1998 wenig erspart. Obwohl einige mit diversen Blessuren ins neue Jahr gingen, scheint das Gros der Händlerschaft das Jahr des Tigers gut überstanden zu haben.Das vergangene Jahr hatte es in sich: Die letzten Broadline-Distributoren fielen unter US-Regentschaft, und als es für sie nichts mehr Neues zu kaufen gab, kungelten die neuen Besitzer eben untereinander mit ihren Neuererwerbungen. Zum zweiten rollten diverse Wirtschaftskrisen den Weltmarkt auf: Asien, Rußland, zuletzt noch Südamerika. Und der Handel wurde zusehends bombardiert mit Meldungen von boomenden Internet-Verkäufen sowie wachsenden Ambitionen von PC-Herstellern im Direktvertrieb. Da stellt sich die Frage: Was hält der IT-Handel in Deutschland eigentlich von diesen Entwicklungen?

Ausverkauf der Broad-Line-Distributoren

ComputerPartner gab eine Umfrage in Auftrag - rund 170 Vertriebsunternehmen nahmen die Möglichkeit wahr, ihrem Unmut über die Sperenzchen des Marktes in 1998 Luft zu machen.

Die Auswahl an Distributoren für den Handel hat sich unter den Broadlinern stark reduziert. Derzeit hält sich der Anteil an besorgten IT-Händlern und -Vertreibern, die dadurch keinerlei Auswirkungen für ihr Geschäft befürchten, allerdings mit jeweils 47 Prozent die Waage. Doch generell, so meldet das Marktforschungsunternehmen Techconsult in Kassel, das die Umfrage durchführte, wachse die Kritik an der Monopolisierung der Broadliner im Handelssektor. Die meisten Sorgen bereiten den Befragten der "mangelnde Wettbewerb" und - damit verbunden - "die Ausnutzung der Monopolstellung" (31 Prozent der Antworten). Besonders die Computershops bezeichnen die Situation als "sehr kritisch" (60 Prozent). Kurios dabei: Abgesehen von einigen wenigen Systemhäusern, die die Konsolidierung des Distributionsmarktes begrüßen

(acht Prozent), finden sich ausgerechnet bei den Computershops immerhin noch drei Prozent, die sich über die Entwicklung richtig freuen können. Für Kauf-/Versandhäuser und Bürovollsortimenter macht die geringere Anzahl der Distributoren zu 50 Prozent keinen Unterschied.

Tendenz zum Direktvertrieb:

Systemhäuser sauer

Besonders Systemhäuser/VARs (62 Prozent) und Büro-/Vollsortimenter ließen bei der Frage nach der zunehmenden Tendenz der Computerhersteller, ihre Produkte direkt an den Endkunden zu bringen, richtig Dampf ab. "Wir haben jahrelang die Kundenkontakte vor Ort gepflegt - und jetzt fallen uns die Hersteller in den Rücken", war laut Techconsult ein häufig genanntes Argument.

"Erst bauen sie uns auf, dann übergehen sie uns", so klagen viele der Befragten.

Weniger erbost zeigen sich die anderen Handelssegmente. Rund 60 Prozent der Computershops finden die Entwicklung "akzeptabel" oder messen ihr keine Bedeutung zu, ähnlich die Zahlen bei den Kauf-/Versandhäusern. Die Händler, die mit dem Direktvertrieb der Hersteller leben können, setzten dabei selbstsicher auf ihren "festen Kundenstamm" oder hoffen, durch das bei ihnen verbleibende Servicegeschäft ihre Schäfchen ins trockene zu bringen.

Krisenjahr 1998: Kaum Auswirkungen auf den IT-Handel

Obwohl gerade zum Ende des Jahres 1998 aus diversen Wirtschaftsveröffentlichungen klar wurde, daß sich die diversen Wirtschaftskrisen in Asien, Rußland und Südamerika auch in der deutschen Wirtschaft stärker niedergeschlagen haben, als ursprünglich von Experten erwartet, zeigt sich der IT-Handel weitgehend unbeeindruckt. Einzig die Computershops scheinen einige Blessuren davongetragen zu haben - zehn Prozent der Befragten meldeten, die Krisen hätten sich "massiv bemerkbar" gemacht. Der Grund liegt auf der Hand: Da viele Shops sich auf den Vertrieb von Importware - vornehmlich "No-Names" - verlegt haben, bekamen sie vor allem die stockenden Lieferzeiten und merkliche Preiserhöhungen zu spüren.

Computer Online verkaufen - warum eigentlich nicht?

Ziemlich entspannt blickt die Branche auf die rasanten Entwicklungen im Bereich Online-Vertrieb. Insgesamt nur zwölf von 168 befragten Unternehmen sehen eine Bedrohung im Verkauf übers Web, immerhin 94 sehen in dem neuen Vertriebsmedium "eine Chance für den Handel". Die meisten werden das Internet als zusätzlichen Vertriebskanal einsetzen, und 14 Prozent hoffen auf größere Umsätze durch den Onlineverkauf. Fast ein Drittel will vor allem seine Kunden von den größeren Kommunikationsmöglichkeiten profitieren lassen und sie per Internet betreuen. Kritikpunkte nennen vor allem die Händler, denen der Online-Vertrieb bislang wenig bringt: Die Internet-Zugänge seien schlicht noch viel zu dünn gestreut, so ihr Fazit. (du)

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