Streit um Mehrwertsteuererhöhung

24.04.2006
Industrie und Handel bereiten sich auf die Mehrwertsteuererhöhung vor: Während der Handel Nachlässe fordert, um nicht die ganze Last dem Konsumenten aufzubürden, denkt die Industrie sogar über weitere Preiserhöhungen nach.

Von Marzena Fiok

Während Berlin bereits mit den zusätzlichen 20 Milliarden Euro jongliert, die die Mehrwertsteuererhöhung ab Januar in die Staatskasse spülen soll, steigen Handel und Industrie gerade in den Ring. Wie eine aktuelle Studie zur Mehrwertsteuererhöhung von Sempora Consulting zeigt, will fast ein Drittel der Industrie die Situation nutzen und zusätzlich zur Mehrwertsteuererhöhung auch die Preise erhöhen. Und der Handel will mit seinen Lieferanten intensiv um die Verteilung der Mehrbelastung ringen, so die Studie.

Der schwarze Peter im Preispoker liegt beim Verbraucher, der nach Meinung der Parteien die volle Last der Mehrbelastung tragen wird. Allerdings rechnen Handel und Industrie auch mit einer weiteren Zunahme des Preisbewusstseins der Verbraucher. 70 Prozent der Industrievertreter glauben sogar, dass dies letztendlich die preisaggressiven Discounter als Gewinner hervortreten lässt.

Der Handel ist auf Hamsterkäufe vorbereitet

Steigende Einzelhandelsumsätze werden von Seiten der Industrie (85 Prozent) und des Handels (73 Prozent) vor allem im letzten Quartal 2006 erwartet. Dafür prognostizieren sie sinkende Umsätze im ersten Quartal 2007. Um an den Vorteilen der von Experten erwarteten "Hamstereinkäufen" zu partizipieren, wollen Handel und Industrie schon in diesem Jahr Preisanpassungen vornehmen. Konkret werden Preissteigerungen im ersten Halbjahr 2006 von rund 10 Prozent, im zweiten Halbjahr von mehr als der Hälfte aller Befragten erwartet beziehungsweise angepeilt. Nur 30 Prozent glauben, dass die Preise erst zum Stichtag der Mehrwertsteuererhöhung - also ab dem 1. Januar 2007 - anziehen werden.

Handel sucht Alternativpartner

Mit heftigen Auseinandersetzungen ist bei den anstehenden Jahresgesprächen zwischen Handel und Industrie zu rechnen. Man ist zwar der Auffassung, dass nicht das komplette Ausmaß der Mehrwertsteuererhöhung auf dem Rücken der Konsumenten ausgetragen werden kann, doch Zugeständnisse will im Moment noch keine der Parteien machen. Betrachtet man die guten Vorsätze des Handels, so sind 55 Prozent der Befragten der Meinung, dass die Mehrwertsteuererhöhung nur teilweise an die Verbraucher weitergereicht werden sollte. 32 Prozent der Manager wollen jedoch die Last komplett an die Konsumenten weitergeben. Um das eigene Gewinnniveau zu halten beziehungsweise ausbauen zu können, wollen 64 Prozent der Handelsmanager verbesserte Konditionen in den Jahresgesprächen mit der Industrie durchsetzen. 46 Prozent denken über die Erweiterung ihres Handelsmarken-Portfolios nach. Die Auslistung von Produkten, deren Hersteller keine Nachlässe gewähren, ist für rund 30 Prozent eine Maßnahme, ebenso der verstärkte Einkauf bei ausländischen Niedrigpreisherstellern.

Industrie gibt nicht nach

Auf der Industrieseite ist die Haltung ebenfalls deutlich. Die Vertreter sehen mehrheitlich keinen Spielraum für Nachlässe. 29 Prozent wollen die Situation sogar für zusätzliche Preiserhöhungen nutzen - und gehen damit das Risiko von Absatzverlusten ein.

"Der Weg aus dem Dilemma führt über die Entwicklung einer schlüssigen Mehrwertstrategie", so Thomas J. Golly, Managing Partner der Sempora Consulting GmbH. "Nur wenn es gelingt, dem Endverbraucher zusätzlichen Produktnutzen zu bieten, wird dieser nicht mit Kaufzurückhaltung auf die Preiserhöhung reagieren."

Die vollständige Studie kann für eine Schutzgebühr von 250 Euro von Sempora Consulting, Bad Homburg, bezogen werden. Weitere Informationen: http://www. sempora.com

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