Alle Jahre wieder

Streitpunkt Weihnachtsgeld



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Die Mehrzahl der deutschen Arbeitnehmer freut sich auf das sogenannte "Weihnachtsgeld". Doch einen Rechtsanspruch darauf gibt es nicht, sagt Michael Henn. Vielmehr sind viele Kriterien zu berücksichtigen.

Ob es tatsächlich Weihnachtsgeld gibt, ist nicht in das "einseitige Ermessen" des Arbeitgebers gestellt. Vielmehr sind bei derartigen Ansinnen die bestehenden Tarifverträge, etwaige Betriebsvereinbarungen, die Bedingungen des einzelnen Arbeitsvertrages oder auch vorherige Zusagen des Arbeitgebers bei der Beurteilung der Rechtslage zu beachten. Selbst wenn die vorstehenden Kriterien nicht erfüllt sind, kann ein Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes immer noch aus einer sogenannten "betrieblichen Übung" bestehen oder sich aus "arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsätzen" ergeben.

Die Zahlung eines Weihnachtsgeldes sollte ursprünglich zum Kauf von Geschenken und einem besseren Gelingen des Festes beitragen. Die meisten Beschäftigten erhalten das Weihnachtsgeld etwa in Höhe eines Brutto-Monatsgehaltes.
Die Zahlung eines Weihnachtsgeldes sollte ursprünglich zum Kauf von Geschenken und einem besseren Gelingen des Festes beitragen. Die meisten Beschäftigten erhalten das Weihnachtsgeld etwa in Höhe eines Brutto-Monatsgehaltes.
Foto: Gina Sanders - Fotolia.com

Soweit der Anspruch auf das Weihnachtsgeld im Arbeitsvertrag geregelt ist, hat der Arbeitgeber grundsätzlich nicht die Möglichkeit, dies einseitig zu ändern. Er kann allenfalls versuchen, mit dem Arbeitnehmer eine einvernehmliche Regelung über eine Änderung zu treffen.

Soweit eine einvernehmliche Änderung nicht möglich ist, kann der Arbeitgeber zwar versuchen, die Änderung der vertraglichen Regelung durch eine sogen. "Änderungskündigung" herbeizuführen. Die praktischen Schwierigkeiten und die juristischen Hindernisse bei einer solchen Änderungskündigung sind jedoch so hoch, dass dieser Weg in der Praxis wenig Aussicht auf Erfolg habe. Ähnliches gilt auch bei Bestehen von Betriebsvereinbarungen. Auch diese müssen zunächst durch den Arbeitgeber gekündigt werden, wobei dieser entsprechende "Auslauffristen" zu beachten hat.

Freiwilligkeitsvorbehalt

Möglicherweise günstiger sieht die Rechtslage für den Arbeitgeber allerdings aus, wenn der Arbeitsvertrag oder die Betriebsvereinbarung einen sogenannten "Freiwilligkeitsvorbehalt" enthält. Derartige Freiwilligkeitsvorbehalte sind juristisch bisher zulässig gewesen und lassen dem Arbeitgeber jedes Jahr die Möglichkeit offen, ob er ein Weihnachtsgeld zahlt. Ein derartiger Freiwilligkeitsvorbehalt muss jedoch klar und deutlich formuliert sein und darf später nicht abgeändert worden sein.

Auch ist es dem Arbeitgeber nicht möglich, bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern unterschiedlich zu behandeln, wenn hierfür kein sachlich gerechtfertigter Grund bestet. Allerdings gibt es inzwischen in der Rechtsprechung Tendenzen, die Wirksamkeit solcher Freiwilligkeitsvorbehalte infrage zu stellen.

Selbst wenn keine ausdrücklichen Regelungen bestehen, kann für den Arbeitnehmer gleichwohl ein (Rechts-)Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes bestehen, und zwar dann, wenn er in den vergangenen drei Jahren jeweils ein Weihnachtsgeld erhalten hat und der Arbeitgeber bei der Zahlung nicht ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass es sich um eine "freiwillige Leistung" ohne jeden Rechtsanspruch handelt.

Vor diesem Hintergrund sollten sich Arbeitgeber vor einer Streichung oder Kürzung des Weihnachtsgeldes unbedingt zur Vermeidung juristischer Auseinandersetzungen über die Rechtslage informieren, während Arbeitnehmern nur angeraten werden kann, etwaige Streichungen oder Kürzungen des Weihnachtsgeldes ebenfalls von einem Fachmann für Arbeitsrecht überprüfen zu lassen.

Weitere Infos: Michael Henn ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Präsident des VDAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart (www.vdaa.de). Kontakt: Rechtsanwälte Dr. Gaupp & Coll, Theodor-Heuss-Str. 11, 70174 Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de

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