Hybride Grafiklösungen

Strom sparen durch Abschalten

28.01.2008
AMD und Nvidia haben einen Weg gefunden, eigenständige Grafikkarten und fest verbaute Grafikchips auf Mainboards gemeinsam zu nutzen. Dadurch kann einerseits die Leistung in Multimedia-Anwendungen gesteigert und andererseits eine Menge Strom gespart werden.

Von Boris Böhles

Wie kann man die Strom sparenden Vorteile eines auf dem Mainboard integrierten Grafikchips und die Geschwindigkeit einer im gleichen System steckenden schnelleren Grafikkarte gleichzeitig ausnutzen? Das haben sich offenbar auch AMD und Nvidia, beides Hersteller von Grafikkarten und Mainboard-Chipsätzen, gefragt und präsentieren die Verfahren "Hybrid-Crossfire" beziehungsweise "Hybrid-SLI". Die Techniken ermöglichen es, Onboard-Grafik und diskrete Grafikkarte entweder einzeln oder gemeinsam zu nutzen.

Kurz gefasst

Hersteller: AMD, Nvidia

www.amd.de, www.nvidia.de

Produkte: Grafiklösungen Hybrid-Crossfire und Hybrid-SLI

Produktgruppe: Komponenten

Verfügbarkeit: erstes Quartal 2008

Preise: je nach Konfiguration sehr unterschiedlich

+ spart Strom

+ mehr 3D-Rechenleistung

- vorerst nur mit AMD-CPUsmöglich

- nicht kompatibel zu ältererHardware

Meine Meinung: Einen Kommentar zu den Hybrid-Grafiktechnologien lesen Sie auf Seite 3 dieser Ausgabe.

Wenn im Hybrid-Power-Modus von Nvidia die diskrete Grafikkarte abgeschaltet wird, muss der Monitor am Mainboard angeschlossen werden.
Wenn im Hybrid-Power-Modus von Nvidia die diskrete Grafikkarte abgeschaltet wird, muss der Monitor am Mainboard angeschlossen werden.

Bei beiden Lösungen ist es möglich, die Leistung von Onboard-Chip und Grafikkarte zu koppeln und so die Grafikleistung des Systems zu erhöhen oder ausschließlich auf den Onboard-Chip zurückzugreifen. Bei Letzterem lässt AMD die Grafikkarte "ruhen" und taktet sie deutlich herunter, während Nvidia sogar in der Lage ist, die diskrete Grafikkarte inklusive Lüfter komplett abzuschalten. AMD plant, die komplette Deaktivierung eventuell in künftigen Notebooks möglich zu machen. Ob dies auch bei Desktops geschieht, ist unklar.

Sollen beide Grafikchips gemeinsam genutzt werden, funktionieren die Crossfire- beziehungsweise SLI-Kopplungen zur Leitungssteigerung nur mit nicht allzu leistungsfähigen Grafikkarten. Und das macht auch Sinn. Denn: Da bei beiden Technologien die Bilder von den Chips abwechselnd hintereinander berechnet werden, müsste eine High-End-Grafikkarte zu lange auf eine Bildberechnung des Onboard-Grafikchips warten, sodass beide Chips zusammen langsamer agieren würden als die einzelne High-End-Karte.

Ebenfalls für beide Lösungen gilt: Die Hardware muss die Technik unterstützen. Man kann also nicht wahllos jedes Grafikkartenmodell mit beliebigen Onboard-Grafikchips kombinieren. Bei AMD muss es zum Start einen "RS780G"-Chipsatz in Kombination mit einer der neuen Einsteigergrafikkarten aus der HD34x0-Serie sein.

Die Hybrid- Crossfire-fähige Grafikkarte ATI Radeon HD3470 von AMD
Die Hybrid- Crossfire-fähige Grafikkarte ATI Radeon HD3470 von AMD

Bei Nvidia gestaltet es sich ein wenig komplizierter, da das Abschalten der Grafikkarte ("Hybrid-Power" genannt) erst ab der kommenden Geforce-9-Serie funktionieren wird, ein SLI-Verbund von Onboard-Grafikchip und Grafikkarte ("Geforce-Boost" genannt) aber mit den bereits erhältlichen Einstiegskarten "Geforce 8400 GS" und "8500 GT" möglich ist. Als Mainboard ist ein Modell der "nForce-700a"-Serie mit "nForce 730a"-, "750a"- oder "780a"- oder "Geforce 8200" (Micro-ATX)-Chipsatz für AMD-CPUs nötig. Bis auf den 730a, der nur Geforce-Boost unterstützt, sind alle genannten Chipsätze auch Hybrid-Power-tauglich. Chipsätze, die Hybrid-SLI in Verbindung mit Intel-Prozessoren unterstützen, sollen im Sommer auf den Markt kommen.

Die Vorteile

Viele Office-Anwendungen wie zum Beispiel Briefe schreiben oder im Internet surfen benötigen nur einen Bruchteil der Leistung einer modernen Grafikkarte. Diese ist in solchen Fällen schlichtweg unterfordert und verbraucht, selbst wenn sie "nichts" zu tun hat, unnötig viel Strom. Ein auf dem Mainboard integrierter Grafikchip reicht für diese Einsatzzwecke völlig aus und arbeitet deutlich sparsamer.

Umgekehrt ist die Leistung dieser Onboard-Chips beispielsweise in Spielen oder bei der Wiedergabe von hoch auflösenden Videos mangelhaft. Eine eigenständige Grafikkarte muss her.

Gerade für Notebooks sind diese Umstände problematisch, da die Akku-Laufzeit vom Stromverbrauch des Gesamtsystems abhängt. Das heißt: Ein Notebook mit schneller Grafikkarte hat im Office-Betrieb eine kürzere Akku-Laufzeit als ein Notebook mit einem leistungsschwachen Onboard-Grafikchip. Mit den Hybridlösungen können Hersteller nun Systeme assemblieren, die sowohl lange Akku-Laufzeiten im Office-Betrieb garantieren als auch für ein Spielchen zwischendurch geeignet sind.

Desktops unterliegen dieser Problematik nicht, allerdings kann sich der durch Verwendung von Onboard-Grafik geringere Stromverbrauch spürbar positiv auf die Stromrechnung auswirken. Denn das Verfahren ist auch finanziell für Anwender sinnvoll. Die Einsparungen durch Verwenden von Onboard-Grafikchips im Gegensatz zu eigenständigen Grafikkarten liegen im doppelstelligen Watt-Bereich, abhängig von der jeweils verwendeten Grafikkarte. Nvidia beispielsweise verwendete eine modifizierte "Geforce 8800 GT"-Karte, um Hybrid-Power zu demonstrieren. Im Desktop-Betrieb waren es rund 40 Watt, die das System nach dem Abschalten der Grafikkarte weniger verbrauchte.

Hybrid-Crossfire und Hybrid-SLI sind ausschließlich unter Windows Vista möglich. Ältere Microsoft-Betriebssysteme oder "Mac OS" von Apple werden nicht unterstützt. Ein Display kann grundsätzlich entweder an die Schnittstelle des Mainboards oder an die diskrete Grafikkarte angeschlossen werden. Allerdings kann bei Nvidia an der Schnittstelle der diskreten Grafikkarte keine Hybrid-Power genutzt werden kann, da diese dabei abgeschaltet wird. Will man Hybrid-Power verwenden, muss also die Mainboard-Schnittstelle genutzt werden. AMD hat dieses Problem (noch) nicht, da die autarke Grafikkarte nicht deaktiviert wird.

Fazit

AMD oder Nvidia - welche der beiden Hybridlösungen besser ist, lässt sich nicht so einfach beantworten. Tatsache ist, dass mit beiden Technologien viel Strom gespart werden kann und Fachhändler neue Verkaufsargumente geliefert bekommen. Momentan sind die Lösungen leider nur für AMD-Prozessoren zu haben. Das schränkt die Systemalternativen ein. Zumindest Nvidia wird aber wie bereits erwähnt im zweiten Quartal eine Lösung für Intel-Plattformen präsentieren.

Für Assemblierer und Wiederverkäufer lohnt es sich in jedem Falle, Hybridsysteme zusammenzubauen beziehungsweise sie zu testen. Ein Demonstrationsrechner mit einer Stromverbrauchsanzeige bietet sich besonders an, um Kunden von der Technik zu begeistern. Denn sie bietet einen echten Mehrwert gegenüber bisherigen Systemen.

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