Stückweise PC: Barebone-Systeme auf dem Prüfstand

11.09.2003
Vorhang auf für den achten Vergleichstest von Mini-PCs: Wir haben Barebone-Systeme für die Intel-P4-Plattform einem Praxistest unterzogen.

Unter rein optischen Aspekten ist nur das Shuttle-Modell in seiner würfelartigen Bauform auf den ersten Blick als PC-System identifizierbar. Bei den übrigen Kandidaten könnte es sich ebenso um Hifi-Systeme aus den späten 90er Jahren handeln: MSI setzt ziemlich eindeutig auf den Look moderner Kompakt-Anlagen, während die Zuordnung beim Soyo-Modell schwerer fällt. Soyo verwendet zwei Metallgehäuse, die über- oder nebeneinander aufgestellt werden können.

Alle Kandidaten basieren auf der Pentium-4-Plattform mit Sockel 478. Somit kann, mit Ausnahme des Systems von Shuttle, maximal ein P4 mit 3,06 GHz zum Einsatz kommen. Während MSI und Soyo auf den nicht mehr ganz frischen SiS-651-Chipsatz setzen, ist der Shuttle mit dem brandaktuellen Intel-865G-Chipsatz bestückt. Alle Kandidaten bieten eine integrierte Grafik, wobei die Bild- und Darstellungsqualität unterschiedlich ausfällt.

Wer den Mini-PC auch als Audio-Anlage einsetzen will, der wird am besten mit dem MSI bedient: Ab Werk gibt es ein Stereo-Radio mit einem Display an der Front. Optional kann ein CD/DVD-Laufwerk geordert werden, welches dann normale Musik- und MP3-kodierte CDs und DVDs wiedergibt - ohne dass der PC gestartet werden muss. Ansonsten bieten MSI und Shuttle 5.1-Audio - Soyo hat nur Stereo-Sound zu bieten und landet damit etwas im Abseits. Für Foto-Freunde gibt es beim MSI eingebaute Kartenleser für die bekannten Speicherformate, sodass die umständliche Datenübertragung per USB-Kabel entfällt.

Alle Barebone-Systeme wurden mit identischer Hardware ausgestattet, wobei die Wahl diesmal mit Absicht nicht auf die absoluten Top-Komponenten fiel: Intel Pentium 4 mit 2,8 GHz (ohne Hyperthreading) für 133 MHz FSB-Takt, 512 MB DDR-400-Speicher (CL2.0), 40 GB fassende Festplatte von Maxtor und eine ATI-Grafikkarte Radeon 9700 Pro.

MSI Mega PC: Wohnzimmer-PC mit kleinen Macken

Unter allen Testteilnehmern ist der MSI Mega PC auf den ersten Blick als Audio-System auszumachen. Ein großes Display an der Front in Kombination mit einem Drehregler und dem Gehäuse aus Aluminium erinnern eher an eine Kompaktanlage. MSI hat in der Tat ein Stereo-Radio integriert, welches auch bei ausgeschaltetem PC funktioniert. Die unterdurchschnittliche Empfangsleistung (hoher Rauschanteil) lässt sich allenfalls durch die im Lieferumfang befindliche Wurfantenne erklären, wobei die Verbindung mit einem Kabelanschluss den Tuner vollkommen kalt lässt. Nicht ganz durchdacht wurde das Bedienkonzept des Radios, so dass ein Blick ins Handbuch nötig wird. Bei konventionellen Hifi-Anlagen gehört eine intuitive Bedienung zum Standard.

Morgenmuffel könnten eine Weckfunktion des Radios vermissen, wobei die Bezeichnung "Timer" beim ersten Kontakt ein Vorhandensein dieses Features vermuten lässt. Interessant dagegen ist der Einsatz des optionalen CD/DVD-Laufwerks, sodass sich normale Musik- und MP3-kodierte CD/DVDs abspielen lassen - wohlgemerkt ohne den PC starten zu müssen. Eine Einschränkung besteht allerdings: Es können nur die beiden CD/DVD-Laufwerke von MSI verwendet werden, ansonsten entfällt dieser Modus.

Insgesamt überzeugt das Barebone-System mit einer sehr guten Verarbeitung, die nur durch die billig wirkende Klappe an der Front getrübt wird. Beim Einbau der Komponenten kommt es auf eine strikte Reihenfolge an: Zuerst wird die Festplatte installiert - danach können Prozessor, CPU-Kühler, Speicher und Grafikkarte folgen. Gut gewählt: Die Kabellängen für Festplatte und CD-ROM-Laufwerk sind perfekt abgestimmt.

Für den Einbau einer AGP-Grafikkarte gibt es nur wenig Platz: Freunde von 3D-Action-Spielen können maximal eine ATI-Radeon oder eine Geforce Ti verwenden. Eine Geforce FX (mit Kühlkörpern auf der Rückseite) ist einfach zu massiv und passt aufgrund der Länge nicht.

Für eine effektive CPU-Kühlung liefert MSI gleich ein spezielles Exemplar mit, wobei Probleme bei der Demontage auftreten können. In unserem Fall klebte der Prozessor am glattflächigen Kühlkörper fest und wurde ohne Öffnung des Hebels aus dem Sockel herausgerissen. Ernsthafte Schäden gab es nicht, jedoch lässt sich dieser Fehler in Anbetracht der Konstruktion kaum vermeiden.

Ein anderes Thema betrifft die Festplatte, welche in Sandwich-Bauweise mit dem CD/DVD-Laufwerk untergebracht ist. Infolge zu geringer Luftzirkulation erwärmt sich die Festplatte stark und wird zusätzlich von den benachbarten Komponenten aufgeheizt. Im Test zeigte das große Netzteil eine Temperatur von mehr als 55 Grad Celsius an, sodass innerhalb des Gehäuses Temperaturen von bis zu 48 Grad Celsius auftreten. Unter dem Strich bleibt ein interessantesBarebone-System mit kleinen Macken.

Shuttle XPC SB61G2: Top-Ausstattung mit Schwächen

In punkto Verarbeitung und Materialanmutung hat Shuttle der Konkurrenz noch immer etwas voraus - auch wenn es sich nur um Nuancen handelt. Schließlich verkauft Shuttle nach wie vor die meisten Barebone-Systeme. Der Hersteller mit der längsten Historie hat gegenüber den Mitbewerbern mehr Erfahrung und hatseine Mini-PC-Reihe stetig verbessert. Zumindest was den optischen Auftritt und die Oberflächenhaptik betrifft. Hinzu kommen geringe Toleranzen beim vollständig aus Aluminium gefertigten Gehäuse und fühlbare Qualität bei den Bedientasten.

Der Anwender kann aus einem Sortiment von verschiedenen Blenden wählen, um einen farblich abgestimmten PC zu erhalten. Ohne Schrauben lässt sich das Gehäuse mittels Rändelschrauben innerhalb weniger Sekunden öffnen. Während an der Gehäusefront Anschlüsse wie USB 2.0, Firewire (klein) und Audio zur Verfügung stehen, sind an der Rückseite Netzwerk, Grafik, Vierfach-USB-2.0, 5.1-Sound und optische SP/DIF-Schnittstellen vorhanden.

Der Innenaufbau ähnelt stark den Vorgängermodellen - zur Ausstattung gehört eine Heatpipe-Kühlung des Prozessors. Letztendlich ist der Shuttle XPC SB61G2 mit der modernsten Hardware (basierend auf der Platine FB61 mit Intel 865G Chipsatz) des gesamten Testfeldes ausgestattet. Eine optimale Performance lässt sich nur im Zusammenspiel mit einer CPU für 200 MHz FSB-Takt erreichen, da dann auch schneller Dual-DDR-400-Speicher voll zum Tragen kommt.

Das thermische Konzept des Shuttle ist nicht ausgereift. Besonders beim Einsatz einer schnellen CPU (ab 2,8 GHz) im Zusammenspiel mit einer leistungsfähigen AGP-Grafikkarte(ATI Radeon 9700 Pro), einer Festplatte mit 7200 Umdrehungen pro Minute und einemCD-Laufwerk zeigen sich die Grenzen dieses Mini-Systems. Da ausschließlich der Lüfter der Heatpipe für Zirkulation sorgt, erreicht der Luftstrom nicht die Festplatte. Die Folge ist ein Hitzestau (Sandwich-Anordnung), sodass im Dauerbetrieb Ausfälle zu erwarten sind. Zudem steigt das Betriebsgeräusch mit steigender Drehzahl des großen Lüfters drastisch an. Da hilft die Temperatursteuerung im Bios auch nicht weiter, die nur bei niedriger Last des Systems ihre Wirkung zeigt.

Während des Testbetriebs war es häufig zu beobachten, dass die Drehzahl permanent hoch- und runtergeregelt wurde. Empfindliche Anwender könnten schnell genervt sein. Dagegen hat Shuttle bei der Northbridge-Kühlung nicht gespart und setzt auf einen aktiven Kühler. Insgesamt betrachtet bietet Shuttle die beste Verarbeitung in Kombination mit der modernsten Hardware. Bis auf einen Gigabit-LAN-Anschluss (100 Mbit/s ab Werk) sind sämtliche Schnittstellen vorhanden. Dass Shuttle den XPC eher als PC im Arbeitszimmer sieht, zeigt sich an Details wie beispielsweise der fehlendenAbdeckung der Komponentenschächte.

Soyo Mini Dragon 651: angestaubter Hifi-Charme

Ein interessantes Konzept verfolgt Soyo, indem der Hersteller das Barebone-System auf zwei Gehäuse aufteilt. Somit entsteht auf den ersten Blick der Eindruck, dass es sich etwa um eine Mini-Hifi-Anlage handeln könnte. Die Gehäuse unterscheiden sich in ihrer Bauhöhe und können neben- und übereinander angeordnet werden. Das flachere Gehäuse enthält neben der Hauptplatine die wichtigsten Komponenten zum Betrieb, während im zweiten Chassis zusätzliche Laufwerke wie 3,5-Zoll-Festplatte, DVD/CD-ROM oder Floppy Platz finden. Dabei erfolgt der Datenaustausch mit dem Hauptgerät per USB-2.0-Verbindung mit dem beiliegenden Kabel.

Da es sich bei dem Testgerät um ein Vorserienmuster handelt, funktionierte der Bootvorgang per USB noch nicht, sodass die Tests am IDE-Anschluss durchgeführt wurden. Bemerkenswert ist die Legacy-free-Ausführung, so dass keine ISA-Schnittstellen wie PS/2 für Tastatur und Maus vorhanden sind. Die Stromversorgung für beide Gehäuse erfolgt über ein externes Netzteil.

Im Vergleich zu den übrigen Testkandidaten, die größtenteils leichtes Aluminium einsetzen, verwendet Soyo beim Gehäuse konventionelles Stahlblech. Bei näherer Betrachtung kann man sich des billigen Eindrucks nicht erwehren: Hinter einer klapprigen Kunststoffklappe an der Front finden sich Anschlüsse für USB 2.0, Audio und Firewire. Die Laufwerksabdeckung des klobigen zweiten Gehäuses erinnert eher an schlechtes Kinderspielzeug. Zudem wurde die Farbgebung der Frontpanels nicht dem Gehäusedesign angepasst.

Im Innern des Systems bietet sich die höchste Komponentendichte unter allen Testkandidaten, wenn eine AGP-Grafikkarte und eine 2,5-Zoll-Festplatte installiert sind. Wie ECS und MSI setzt auch Soyo auf den etwas betagten SiS651-Chipsatz für die Intel P4-Plattform. Allerdings gibt es im Mini-Dragon-System nur einen einzigen DIMM-Slot für maximal DDR-333-Speicher. Bei der Aufrüstung des Speichers bis auf maximal 1 GB muss in jedem Fall das Modul getauscht werden.

Soyo setzt bei der CPU-Kühlung auf eine Heatpipe-Lösung. Zusätzlich befinden sich insgesamt drei Lüfter im Gehäuse, die für gute Luftzirkulation sorgen. Über die großen Lüftungsschlitze an der Oberseite erfolgt der Wärmetransport, wobei ein zusätzlicher Staubschutz angebracht wäre. Qualitätsorientierte Anwender kritisieren die Sicherung der Gehäusehaube mit Hilfe von Kunststoffstiften: Hier sollte der Hersteller nachbessern. Während ECS, MSI und Shuttle allesamt 5.1-Audio anbieten, hat Soyo lediglich Stereo-Sound (Zweikanal) integriert.

Fazit: Kein System ist perfekt

Die drei getesteten Barbone-Systeme kosten zwischen 179 Euro (ECS) und 349 Euro (Shuttle). Shuttle bietet mit dem XPC SB61G2 die modernste Hardware: Dual-Channel für DDR 400, FSB 800, Hyperthreading-Support, Serial-ATA-Support. Wäre nicht die Einschränkung hinsichtlich der thermischen Belastbarkeit, könnte man das System weiterempfehlen.

MSI hat mit dem Mega PC ein interessantes Produkt im Angebot, für das die gleichen Einschränkungen wie bei Shuttle gelten. Zusätzlich gibt es Mängel bei einigen Details. Mit einer Ausnahme ist die Verarbeitung sehr gut.

Das Mini-Dragon-System von Soyo befindet sich noch im Beta-Stadium. Im Test war es nicht möglich, per USB 2.0 und der Festplatte im zweiten Gehäuse zu booten. Die Idee der beiden Gehäuse ist gut, die Umsetzung noch nicht ganz gelungen. Den Interessenten schreckt vor allem der Billig-Look ab.

Den vollständigen Test, einschließlich der Benchmark-Ergebnisse und zahlreicher Detailaufnahmen der Mini-PCs finden Sie unter:

www.tomshardware.de/praxis

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