Stühlerücken bei IBM

10.07.1999

BÖBLINGEN: Wieder einmal verläßt ein PC-Chef von IBM seine Position, kaum daß man sich an ihn gewöhnt hat. Knall auf Fall wechselt Christian Hildebrandt zur Abteilung Industrie und Pharmazie ISU innerhalb von Big Blue.Irgend etwas scheint mit dem Chefsessel in der IBM-PC-Abteilung nicht zu stimmen. Ist er gar so unbequem, daß es niemanden lange darin hält? Oder fühlt sich jeder darin gleich zu Höherem berufen? Sicher ist: Christian Hildebrandt nahm erst im Frühjahr 1998 darin Platz - und sucht jetzt schon wieder das Weite. Seinen Vorgänger im Amt, Jürgen Renz, - man erinnere sich an seine Berufung an die Seite von IBM-Chef Lou Gerstner und seine kleinlaute Heimkehr als Chef eines Vertriebspartners des Unternehmens - hatte es auch nur knapp zwei Jahre gehalten. Davor wiederum hatte Helmut Jost seine Escom-Aktivitäten für nur knapp fünf Monate unterbrochen, dann wurde ihm der Sessel ebenfalls zu ungemütlich, und er kehrte reumütig zu Escom zurück. An seinen Vorgänger, Hermann Caffier, erinnert man sich kaum noch.

Die Vertriebspartner von Big Blue sind zum größten Teil noch nicht informiert. Bei Computacenter beispielsweise hieß es auf Anfrage von ComputerPartner noch zuversichtlich: "Was wir von Hildebrandt halten, wird sich in der nächsten Woche zeigen, da ist ein Meeting anberaumt. Aber was wir von ihm im April gehört haben, läßt sich ganz gut an", so Marketingleiter Roland Thiemann. Da Hildebrandt aber ab sofort nicht mehr in der Personal Systems Group, sondern als Leiter der Industrie und Pharmazie ISU (Industry Solution Unit) innerhalb der IBM im Bereich schaltet und waltet, sei dahingestellt, wer den Termin nächste Woche wahrnehmen wird. Im Gespräch ist beispielsweise Winfried Schäfer, der bislang im Bereich RS/6000 aktiv war.

Hildebrandts Wechsel wird von den Partnern, die davon gehört haben, ohne großes Bedauern aufgenommen. "Er war meiner Ansicht nach nie mit ganzem Herzen dabei, wenn es um die Hardware ging", faßt der Vertriebsleiter eines Handelspartners seine Eindrücke zusammen. So und so ähnlich lauten die meisten Stellungnahmen. Doch seine Erfolge mag man ihm nicht absprechen. Ex-C2000-Chef Joachim Prinz beispielsweise hat den Werdegang Hildebrandts (siehe Kasten) recht genau verfolgt: "Am Anfang hat er sich wohl eher schwer getan. Aber die Geschäftsentwicklung, die Zahlen sprechen in jedem Fall für ihn. Ich hatte da einen positiven Eindruck."

Kaum einer der Befragten aber mag sich einen Seitenhieb verkneifen: "Alles war irgendwie auf sein Weiterkommen, auf seine Karriere innerhalb der IBM ausgerichtet", so der Geschäftsführer eines bedeutenden IBM-Handelspartners. Die Palette der Adjektive reicht von "ehrgeizig" bis hin zu "karrieregeil".

Allzu viel Widerspruch würde Hildebrandt dem wohl nicht entgegensetzen. In einem Gespräch mit ComputerPartner im Sommer hatte er frank und frei erklärt: "Ich bin ja noch jung - natürlich will ich weiterkommen. Und die Hardware ist nicht der Bereich, aus dem ich ursprünglich komme. Eine leitende Position in der Software oder im Großkundenbereich kann ich mir durchaus noch vorstellen." Das erklärt auch, warum Hildebrandt sich mit dem neuen Job zufrieden gibt, der im klassischen Sinn eher einen Sidestep als einen Karrieresprung nach oben bedeutet. Sein Vorgänger in der Position in der ISU Martin Jetter, Director of Manufactoring Industries, gilt IBM-Kennern zufolge als "guter Mann, sehr strukturiert", den nun der Ruf aus USA an die Seite von Lou Gerstner ereilte. Und da sähe sich Hildebrandt sicherlich auch ganz gerne. (du)

Christian Hildebrandt hat als IBMs PC-Chef eine gute Figur abgegeben.

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