Sun Microsystems bietet "das große ’P’ an - Produkte"

12.02.1999
GRASBRUNN: Hört man Sun Microsystems, so denkt man in erster Linie an Java und Solaris. Doch die Firma von Guru Scott McNealy ist weit mehr als eine Programmiersprache und ein Betriebssystem. Und sie hat ein ausgeklügeltes Partnerprogramm, das es wert ist, einmal genauer unter die Lupe genommen zu werden.

Sun Microsystems ist eine relativ junge Firma. Gegründet wurde sie 1982 im kalifornischen Santa Clara. Erst zwei Jahre später wurde Sun Deutschland eröffnet. "Wir hatten von Anfang an das Netzwerk im Auge", erklärt Burkhard Hensel, Vertriebsdirektor bei Sun Deutschland. Das Konzept von Scott McNealy ging anscheinend sofort auf, denn schon nach sechs Monaten arbeitete sein Baby profitabel, obwohl es damals noch ein One-Product-Unternehmen war. Im Jahr 1983 konnte Sun bereits einen Gewinn von 40 Millionen Dollar melden.

Heute ist Sun in mehr als 170 Ländern durch Distributoren vertreten, in 57 Ländern der Erde hat das Unternehmen eigene Niederlassungen für Verkauf, Service und Support. Der Umsatz beläuft sich im Fiskaljahr 1999 auf rund 11,7 Milliarden Dollar, gut eine Milliarde Dollar blieb als Gewinn vor Steuern übrig.

Die Firma ist inzwischen vielschichtig - acht Divisions gibt es derzeit (siehe Kasten). Dazu gehören sicherlich die Geschäftsbereiche für Java und Solaris, aber auch der Bereich Computer Divisions und Embedded Services. "Es ist verwunderlich, daß wir nach außen eher den Ruf einer Softwarefirma haben. Dabei machen wir nur einen Bruchteil unseres Umsatzes mit Software", schmunzelt Hensel. Aber er kann damit leben. "Wir bieten das große ’P’ an - Produkte. Da gehört auch Basissoftware dazu. Wenn die bekannt ist, soll es uns recht sein", ergänzt er. In Deutschland erwirtschaftete Sun im letzten Geschäftjahr einen Umsatz von 1,3 Milliarden Mark - 26,9 Prozent mehr als im Vorjahr.

Mitbewerber haben die Scotties viele - kein Wunder bei einer solch riesigen Produktpalette. "Viele unserer Konkurrenten wie IBM zum Beispiel sind auch gleichzeitig unsere Partner", erläutert Hensel.

MITBEWERBER SIND KOOPERATIONSPARTNER

Zu den wichtigsten zählt der Vertriebsdirektor Hewlett-Packard oder SGI, wobei er relativiert: "SGI ist nicht mehr so wichtig."

Auch Compaq spielt für Sun Deutschland eine Rolle im Kampf um Marktanteile und Umsatz. Allerdings schränkt Hensel ein: "Noch vor ein paar Jahren hatte ich den größten Respekt vor diesem Unternehmen, aber seit dem Kauf von Digital Equipment... Compaq wird früher oder später zum Service-Provider."

Der Lieblingskonkurrent ist allerdings nach wie vor Microsoft. NT und Unix haben zwar mittlerweile ihre Ecken und Zielgruppen gefunden, die sich nicht mehr so heftig überschneiden. "Wir haben unterschiedliche Positionen, wie wir Geschäfte betreiben", erklärt Hensel, "aber unsere Ziele überkreuzen sich immer wieder." Den letzten Handschuh warf Sun selbst mit der Übernahme von Star Division im Oktober dieses Jahres. Auch wenn Geschäftsführer Helmut Krings bei Abschluß des Geschäftes betonte, es sei keine Herausforderung von Seiten Suns, wurde dies doch im Hause Microsoft so aufgenommen. Und inzwischen steht Sun auch zu diesem Schachzug. Mit der Übernahme hat sich Sun ein Office-Paket und das nötige Know-how besorgt - genau die richtige Voraussetzung zur Umsetzung des neuen ".com"-Konzeptes. Um die Marktanteile von Staroffice zu forcieren, gab es das Office-Paket kostenlos über das Internet. Mit riesigem Erfolg, wie es scheint. Denn schon in den ersten zwei Monaten wurde die Software über eine Million Mal weltweit heruntergeladen.

Beschaffung von Know-how ist das Hauptmotiv für Akquisitionen im Hause Sun. "Wir konzentrieren uns auf das, was wir können - auf unsere Kernkompetenz. Alles andere kaufen wir dazu oder wir schließen Kooperationen ab", so Hensel.

Auch bei den Partnern legt Sun viel wert auf Know-how. Kein Wunder, denn der "Innovations"-Anbieter macht rund eine Milliarde Umsatz nur über den indirekten Kanal. "Wir wurden nie über die Ladentheke verkauft", grinst Hensel. "Unsere Produktpalette ist viel zu vielschichtig und komplex. Wir haben ein gut ausgebautes Partnernetz und einen funktionierenden Inhouse-Vertrieb", ergänzt er. Der Direktvertrieb bei Sun ist allerdings nicht dazu da, um direkte Geschäfte mit den Kunden zu machen, sondern um die Marke Sun im Markt zu verbreiten. "Unser Endkundenvertrieb kümmert sich darum, daß soviel Sun in genamte Kunden kommt, wie möglich", schildert Hensel sein Konzept. Signalisiert ein Kunde beispielsweise Interesse an einer Komplettlösung, scannt der Vertrieb den Bedarf und nimmt Kontakt zum Partnervertrieb auf. Dort werden die Partner, vornehmlich Systemhäuser, Softwarehäuser oder VARs, gepflegt und verwaltet. Der Partnervertrieb sucht nun genau die Partner aus, die sich für das Projekt eignen, und gibt den Kontakt weiter. "Die Kunden haben so beides - den Kontakt zu uns als Hersteller und zu einem Sun-Partner bei ihnen um die Ecke", so Hensel. "Und die Partner bekommen genau die Leads, die ihrem Know-how entsprechen und die auch zu Umsatz führen."

Bundesweit hat Sun derzeit rund 650 Partner, die sich je nach Know-how in Software- und Vertriebspartner aufteilen. Zur Kategorie Software gehören jene, die ausschließlich von ihnen entwickelte oder lizenzierte Software vertreiben. Die Vertriebspartner haben sowohl Software als auch Hardware im Portfolio. Sie übernehmen beim Kunden die komplette Projektabwicklung, angefangen bei der Planung über Implementierung, den darauffolgenden Support sowie die Schulungen. Die Vertriebspartner werden wiederum unterteilt in System-Remarketer. Sie vertreiben Lösungen für die verschiedenen Branchen oder Bereiche und arbeiten in der Regel international. Systemintegratoren haben das Know-how für große komplexe Projekte. Außerdem gibt es noch die klassischen VARs und OEMs.

DIE KRIEGSKASSE IST PRALL GEFÜLLT

Das Unternehmen war von Anfang an für einige immer wieder ein Grund zur Skepsis. Zu futuristisch waren immer wieder die Visionen von Sun-Guru McNealy. Auch jetzt wirft das neue Konzept ".com" - Portale seien in Zukunft die Cashcows - bei einigen Insidern große Zweifel auf. Dennoch: Die Umsatzentwicklungen geben Sun recht. Und auch wenn die Netzwerkcomputer bislang nicht der Renner geworden sind, geht das Unternehmen unbeirrt seinen Weg. Für das nächste Jahr sind neben der Umsetzung von ".com" weitere Akquisitionen geplant. "Unsere Kriegskasse ist mit rund 3,5 Milliarden gefüllt. Ob wir alles davon ausgeben und wofür, wissen wir allerdings noch nicht - und wenn, dann wird es nicht verraten", schmunzelt Hensel. (gn)

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