Symantec (Deutschland) GmbH

23.09.1999

Herrn Dieter GiesbrechtKaiserswerther Straße 115

40880 Ratingen

München, 20.09.1999

Sehr geehrter Herr Giesbrecht,

haben Sie auch so gelacht? Da verschickt die japanische Fuji-Bank eine E-Mail an Kunden und Investoren, in

denen die Adressaten als "Riesentrottel" ("big stupid jerk") beschimpft werden. Diese offene Art der Kundenansprache ist nicht nur in den Geldhäusern im fernen Asien ungewöhnlich, und dementsprechend groß war das Aufsehen, das die Bank mit dieser E-Mail erregte. Sehr bald schon stellte sich aber heraus, daß es sich hierbei nicht um eine neue Qualität der Kommunikation mit den Kunden, sondern um eine Panne handelte. Das Direktorium beeilte sich, sich für diesen Lapsus zu entschuldigen: Es sei alles gar nicht so gemeint, peinlich, peinlich.

Originell die Erklärung der japanischen Banker: Nicht ein rachsüchtiger Mitarbeiter oder ein anderer Halunke,

der dem Hause schaden wolle, sei für die Beleidigung der Kunden verantwortlich, sondern - man höre und staune - ein Computervirus, der den ursprünglichen Text entstellt habe. Die vom Direktorium freigegebene Formulierung habe ganz anders gelautet. Wie genau, war zwar nicht zu erfahren, aber sicher irgendwie in der Art "Wenn Sie Ihr Geld unserem Hause anvertrauen, zeigen Sie damit, daß Sie überdurchschnittlich intelligent sind".

Dieser Virus, teilte die Bank weiter mit, stamme von einem PC, der nicht ins bankinterne Netzwerk integriert sei. Das Rechnernetz sei, beteuerte die Bank, "völlig unter Kontrolle". Aha, soso, dann ist ja alles in Ordnung. Diese Erklärung ist, meine ich, die eigentliche Beleidigung der E-Mail-Empfänger. Denn mit dieser Behauptung zeigen die Banker,

für wie dumm sie die Kunden wirklich halten (und lassen Zweifel daran aufkommen, ob die Titulierungen der Kunden als "Riesentrottel" nicht doch ihre wirkliche Meinung wiedergibt). Ebenso überzeugend wäre eine Erklärung des

Nestle-Konzerns, die Gläser mit vergifteter Babynahrung kämen nicht aus der eigenen Produktion - hier sei "alles unter Kontrolle" -, sondern stammten aus einer externen Quelle. Also alles halb so schlimm.

Kurz und schlecht: Wenn der E-Mail-Verkehr der Bank gegen Viren, wie es scheint, nicht immun ist, wie steht es dann, muß man sich fragen, mit den Finanztransaktionen? Wird hier auch mal eine Null weggelassen, ein Komma an die

falsche Stelle gesetzt oder ein Plus in ein Minus umgewandelt, weil ein Virus es so will? Gerade in Japan ist ja, wie uns ein dort ansässiger Autobauer versichert, nichts unmöglich. Überhaupt stellt sich bei dieser Gelegenheit die Frage,

wie groß tatsächlich die Bedrohung durch einen Virenbefall im Bankenwesen (und nicht nur dort) ist. Es muß ja nicht immer das Jahr-2000-Problem sein.

Bei näherer Betrachtung ist die Virus-Erklärung der Fuji-Banker also doch nicht so überzeugend, wie man zunächst denken könnte. Hätten sie den Bock doch lieber einen unzufriedenen Mitarbeiter schießen lassensollen. Aus

diesem Grunde habe ich auch meine Idee, einen "Druckmaschinenvirus" zu erfinden, wieder fallen gelassen. Das wäre der Virus, der die Texte in ComputerPartner nach der Freigabe völlig willkürlich verändert. Zwar ist der

Gedanke ganz verlockend, zerknirscht auf den Druckmaschinenvirus zu verweisen, wenn sich Herr A. wieder einmal über die seiner Meinung nach unangemessene und tendenziöse Berichterstattung in unserem Heft beschwert, anstatt

mit ihm diese ermüdenden und enervierenden Telefonate zu führen. Aber das Viren-Argument würde nur funktionieren, wenn Herr A. ein "Riesentrottel" wäre, und darauf hat ja schon die Fuji-Bank das Coypright.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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