Sysdat GmbH

14.10.1999

Herrn Lothar HellmannHolunderweg 85-87

50858 Köln

München, 11.10.1999

Sehr geehrter Herr Hellmann,

raten Sie mal, beim Kauf welcher Produkte die deutschen Verbraucher am wenigsten auf die Marke achten. Richtig, beim Klopapier. Bei Hygienepapieren haben die Handelsmarken nach Angaben des Hauptverbands des deutschen Einzelhandels in Köln einen Marktanteil von konstant mehr als 30 Prozent. So in etwa auf diesem Niveau liegt ja auch der Marktanteil der PC-Handelsmarken. Womit die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Produktgruppen aber auch schon erschöpft sein dürften.

Nun saß ich kürzlich in einer lockeren Gesprächsrunde mit einigen Industrievertretern zusammen, und im großen und ganzen waren sich alle einig, daß die Handelsmarken im PC-Bereich von den sogenannten Premiummarken oder A-Brands in den nächsten Jahren immer weiter zurückgedrängt werden. Das mag so kommen oder auch nicht. Diese Entwicklung wird ganz entscheidend davon abhängen, wie sich die Zusammenarbeit zwischen der Industrie und dem Handel gestalten wird. Denn etwa drei Viertel der PC-Verkäufe in Deutschland gehen über den Handel. Und wenn der nicht so mitspielt, wie sich die Industrie das wünscht, dann können die Hersteller urplötzlich ganz schön im Regen stehen.

Nehmen wir einen x-beliebigen PC-Hersteller, zum Beispiel Compaq. Der neue Chef in Houston, Michael Capellas, hat angekündigt, daß er im Direktvertrieb kräftig Gas geben will. Die Reaktionen der Vertriebspartner sind entsprechend. Sie selbst haben in einem Artikel über Compaq und die Internet-Vertriebspläne des amerikanischen PC-Herstellers (Manager-Magazin, Oktober-Ausgabe) die Haltung des Handels auf den Punkt gebracht: "Wenn Compaq uns die Brötchen klaut, klauen wir sie ihnen auch.Ë Soll heißen: Wenn Compaq im großen Stile Geschäfte an Sysdat vorbeischleust, verkaufen Sie eben die Maschinen eines Konkurrenten. Auch so könnte sich das Ziel von Capellas erfüllen: Weil die Vertriebspartner weniger Compaq-Maschinen verkaufen, erhöht sich der Anteil des Direktvertriebs automatisch - mit dem Schönheitsfehler, daß das Gesamtgeschäft nicht wächst.

Zahlreiche Händler und Systemhäuser haben aus den permanenten Kursänderungen der Hersteller bereits die Konsequenz gezogen und verkaufen nur noch reine Handelsmarken wie Maxdata-Artist, Targa, Peacock oder Videoseven (ehemals Macom). Diese Hersteller sind berechenbarer, meinen sie, und fallen uns nicht in den Rücken.

Doch der Totalverzicht auf die A-Brands hat nur auf den ersten Blick etwas für sich. Denn aus Kundensicht würde sich dann folgendes Bild bieten: Im (Fach-) Handel mag es zwar ordentliche PCs geben, aber die wirklichen Premiummarken, die gibt es dort nicht. Wäre dies gut für das Image des Handels? Die Frage beantwortet sich wohl von selbst.

Deshalb braucht der Handel die A-Brands. Er braucht beides: die Premium- und die Handelsmarken. Für welchen Hersteller er sich im Kundengespräch stark macht, kann er dann ja immer noch selbst bestimmen. Aber genauso brauchen die Premiumhersteller den Handel. Denn wenn der ihnen mit seiner Macht am Point of Sale die kalte Schulter zeigt, dann, ja dann werden die A-Brand-Hersteller viele ihrer Brötchen wohl selber essen müssen.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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