Systemhäuser in Deutschland: Stimmungslage

27.06.2002
Der Konkurrenzdruck unter den Systemhäusern wird stärker - einerseits durch die sinkenden Margen beim Wiederverkauf von Hardware, andererseits durch die derzeitige maue wirtschaftliche Lage am IT-Markt.

Fusionen und Pleiten beherrschten die deutsche Systemhausszene im vergangenen Jahr. Und es sieht nicht so aus, als ob sich an dieser Dynamik dieses Jahr etwas ändern sollte. Die überwältigende Mehrheit, nämlich neun von zehn der von ComputerPartner befragten Systemhäuser, rechnen auch 2002 mit weiteren Akquisitionen und Insolvenzen in der eigenen Branche.

So werden wieder mal die Großen die Kleinen schlucken, wobei aber auch die schiere Größe keine Überlebensgarantie bietet. Hier stellt die 2001 insolvent gegangene M+S ein warnendes Beispiel dar. Aber auch Debis wurde geschluckt - von T-Systems -, und Systematics ging im EDS-Konglomerat auf. Einige dieser Konzerne werden von den unabhängigen Systemhäusern weiterhin als wichtige Wettbewerber im Markt angesehen. Für ein Viertel der befragten Systemhäuser ist die TelekomTochter einer der Mitspieler am Markt (Mehrfachnennungen waren möglich), und 15 Prozent glauben, dass EDS dort eine Rolle spielt.

Für die Hälfte der hiesigen Top-Systemhäuser befindet sich aber der Feind in den eigenen Reihen: Es ist die aktuelle Nummer eins GE Compunet, knapp verfolgt von der neuen Nummer zwei Bechtle. 40 Prozent der Sys-temhäuser halten gar Softwareanbieter selbst und Systemintegratoren für Mittbewerber. Und mehr als jeder Fünfte fürchtet die Konkurrenz von lokalen oder anderen überregionalen Systemhäusern. Genauso viele sehen aber auch IBMs Service-Division in ihren Revieren wildern, und immerhin jeder Achte nimmt an, dass dort auch Siemens Business Services (SBS) präsent ist.

Was besonders überrascht: Der Direktanbieter von PC-Systemen Dell scheint gar nicht so oft die Wege der etablierten Systemhäuser zu kreuzen. Nur jedes Zehnte von ihnen hat diese Erfahrung bereits hinter sich gebracht.

<b>Wachstum trotz des schlechten Investitionsklimas </b>

Um die Stimmungslage des IT-Fachhandels in Deutschland genau zu erfassen, haben wir die größten Systemhäuser gefragt, wo sie gerade jetzt der Schuh am meisten drückt. Die Unternehmen durften dabei ihre drei größten aktuellen Sorgen nennen und diese auch gewichten. Dabei kam heraus, dass für beinahe die Hälfte der hiesigen Systemhäuser das derzeit schlechte Investitionsklima und die damit einhergehende unbefriedigende Auftragslage die größten Probleme darstellen.

Sinkende Margen und daraus resultierende rückläufige Ertragslage nennen mehr als ein Viertel der Systemhäuser als ihre zweitgrößte Sorge, für fast genauso viele ist sie auch das größte Geschäftshindernis. Erst an dritter Stelle der wichtigsten Probleme taucht der zunehmende Wettbewerbsdruck auf. Dagegen ist mangelnde Liquidität für die großen Systemhäuser offenbar kein Problem.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass mehr als 80 Prozent der von uns befragten Systemhäuser das derzeitige wirtschaftliche Klima als schlecht erachten. Mehr als 60 Prozent dieser Unternehmen sind auch mit ihrer Ertragslage nicht zufrieden. Und es sieht nicht so aus, als ob sich dieser Zustand noch dieses Jahr ändern sollte. Mehr als drei Viertel der Systemhäuser glaubt nicht mehr an eine konjunkturelle Erholung in 2002. Jedes fünfte Top-Systemhaus sieht sogar eine Rezession in Deutschland aufkommen. Mehr als die Hälfte glaubt, dass alles so bleibt wie im Vorjahr, sprich: keiner oder ein nur geringer Gewinnzuwachs in 2002. Im Moment nimmt nur eins von vier Systemhäusern an, dass die Neigung der Kunden, in IT-Infrastruktur zu investieren, dieses Jahr zunehmen wird.

Ein etwas positiveres Bild ergibt sich, wenn man die großen Systemhäuser nach ihren Umsatzerwartungen für dieses Jahr befragt. Dann wollen diese Unternehmen deutlich stärker (17,8 Prozent) oder leicht stärker (31,1 Prozent) als der Markt wachsen. Vier von zehn Systemhäusern haben sich fest vorgenommen, genauso stark wie der Markt zu wachsen. Wenn sich aber dieser Markt rückläufig gestaltet, relativieren sich diese Aussagen natürlich. Dennoch ist hier eine vorsichtig optimistische Tendenz auszumachen: Nur 11,1 Prozent der befragten Systemhäuser rechnen mit einem Umsatzrückgang.

<b>Mehr Neueinstellungen als Entlassungen </b>

Einen eher zwiespältigen Eindruck gewinnt man, wenn man die Personalplanung der führenden Systemhäuser Deutschlands für das laufende Jahr genauer unter die Lupe nimmt. Demzufolge sieht es für die Zukunft gar nicht so schlecht aus, denn nur jedes fünfte Unternehmen plant, seine Belegschaft zu reduzieren. Dafür wollen fast 43 Prozent der Sys- temhäuser neue Mitarbeiter einstellen, der Rest möchte den Personalstamm konstant halten. Netto würde diese Entwicklung zu mehr Arbeitsplätzen führen - was allerdings angesichts sinkender Margen und abnehmender Pro-Kopf-Umsätze bei einigen großen Systemhäusern bezweifelt werden darf.

Dennoch setzt sich diese positive Einschätzung der künftigen Aussichten auch bei der Beurteilung der eigenen Wachstumschancen fort. So glauben mehr als 93 Prozent der von uns befragten Systemhäuser, dass sie auch dieses Jahr wachsen werden - und das trotz der angespannten wirtschaftlichen Lage. Den meisten Unternehmen scheint aber das Geld für Übernahmen zu fehlen. Nur etwas mehr als ein Viertel von ihnen glaubt, noch dieses Jahr Akquisitionen tätigen zu können. Der Rest möchte ausschließlich aus eigener Kraft wachsen.

Dies wiederum steht im krassen Widerspruch zur Einschätzung der Wettbewerber. Denn dort rechnet man sehr wohl mit Fusionen und Insolvenzen. Also scheint das Gros der deutschen Systemhäuser die eigene aktuelle geschäftliche Situation güns- tiger einzuschätzen als den Markt insgesamt. (rw)

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