Systemhäuser - Spezialisten fürs Allgemeine

22.05.2003

In ihrer Studie "Zukunftssicherung deutscher Systemhäuser. Herausforderungen - Entwicklungen - Trends" (Seite 25 dieser Ausgabe) lässt die Unternehmensberatung Wieselhuber & Partner an den IT-Systemhäusern in Deutschland kaum ein gutes Haar. Die meisten Systemhäuser, so der Eindruck, den die Studie vermittelt, sind nicht marktgerecht aufgestellt und werden von Amateuren geführt. Daher seien es in erster Linie "hausgemachte Gründe", die zu den gegenwärtigen Problemen zahlreicher Systemhäuser geführt hätten. Als Ausweg aus der schwierigen Lage empfiehlt die Unternehmensberatung neben Verbesserungen der Unternehmensorganisation die Spezialisierung auf Branchen inklusive der erforderlichen "Lösungskompetenz", also die Integration spezieller Anwendungssoftware in das Leistungsangebot.

Obwohl die Studie vieles Richtiges, aber seit langem Bekanntes enthält, schüttet sie mit ihrer Empfehlung, Systemhäuser müssten spezielles Branchen-Know-how inklusive der entsprechenden Anwendungssoftware aufbauen, das Kind mit dem Bade aus. Was der Autor der Studie den Systemhäusern in letzter Konsequenz empfiehlt, ist die Preisgabe des Geschäftsmodells "Systemhaus". Ebenso könnte man dem Lebensmitteldiscounter empfehlen, sich aufgrund der niedrigen Handelsmargen in seinem Produktsortiment zum Feinkostanbieter oder Partyservice umzuwandeln.

Der Kardinalfehler der Wieselhuber-Studie liegt in einem unklaren Systemhausbegriff. Der Autor kritisiert vor allem, dass sich diese Unternehmen als "branchenübergreifende Alleskönner" aufstellen und nicht, wie es seiner Meinung nach richtig wäre, als Branchen- und Lösungsspezialisten. In Wahrheit aber gehört die Positionierung als "branchenübergreifender Alleskönner" zur Begriffsdefinition des Systemhauses - allerdings mit der wesentlichen Einschränkung, dass sich dies lediglich auf die IT-Infrastruktur und die entsprechenden Dienstleistungen bezieht.

Das Systemhaus hat in der IT-Landschaft eine ähnliche Aufgabe wie der Lebensmitteldiscounter in unserem Alltag: Beide sind diejenigen Marktspieler, welche die Grundversorgung sicherstellen. Der Gründer von Compunet, Jost Stollmann, hat sein Unternehmen einmal völlig zu Recht als "Aldi der IT-Branche" bezeichnet. Wer mehr benötigt als die Grundversorgung, der muss sich an den Spezialisten wenden.

Die Antwort der Systemhäuser auf die gegenwärtigen Herausforderungen kann nicht darin bestehen, kein Systemhaus mehr zu sein. Es ist völliger Unsinn, dass das Geschäftsmodell Systemhaus keine tragfähige Basis mehr hat. Ein Systemhaus, das sich auf die Erbringung von Infrastrukturdienstleistungen, auf die Beratung, Planung, die Beschaffung und die Installation von Infrastruktur konzentriert, das auch die Wartung und Desktop-Services übernimmt, erbringt Leistungen, die nach wie vor nachgefragt werden, und es muss Unternehmen geben, die diese Leistungen erbringen.

Auch die Empfehlung der Wieselhuber-Studie, Systemhäuser sollten statt der üblichen Praxis, durch Akquisitionen lediglich die "Erhöhung der Kundenmasse" zu betreiben, lieber "werthaltige" Zukäufe von Software- und Beratungsunternehmen vornehmen, kann nicht überzeugen. Man muss hier nur an den zugegebenermaßen abgedroschenen Satz erinnern, dass man sich schließlich auch keine Kuh kauft, wenn man einen Liter Milch benötigt. Partnerschaften mit Spezialisten aus der Softwarebranche ohne kapitalmäßige Verbindung sind für die Systemhäuser sicher die bessere Lösung.

Das Ziel der Systemhäuser muss wie bei jedem anderen Unternehmen darin bestehen, das, was sie tun, zu perfektionieren. Hier ist sicher noch viel möglich. Die Änderung des Geschäftsmodells kann dagegen immer nur die Ultima Ratio sein.

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