Systemhaus-Chef Dr. Winfried Materna: Kein Schönwetterkapitän

09.05.1997
DORTMUND: Mittlerweile auf Platz 25 der Lünendonk-Liste angelangt, gehört die Dr. Materna GmbH zu den größten Softwarehäusern in Deutschland. Im Gespräch mit der ComputerPartner-Mitarbeiterin Katja Gutowski verrät Winfried Materna das Geheimnis seines Erfolgs und erklärt, warum es ihn in die Ferne zieht.

DORTMUND: Mittlerweile auf Platz 25 der Lünendonk-Liste angelangt, gehört die Dr. Materna GmbH zu den größten Softwarehäusern in Deutschland. Im Gespräch mit der ComputerPartner-Mitarbeiterin Katja Gutowski verrät Winfried Materna das Geheimnis seines Erfolgs und erklärt, warum es ihn in die Ferne zieht.

? Herr Dr. Materna, viele Ihrer Systemhauskollegen stecken in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Ihre Firma befindet sich hingegen noch immer auf Höhenflug. Was machen Sie anders als die Konkurrenz?

MATERNA: Einer unserer Schlüsselerfolgsfaktoren ist sicherlich unsere technologische Kompetenz und Unabhängigkeit. Wir bieten dem Kunden ein breitgefächertes Angebot. Modeerscheinungen interessieren uns nicht, wir schwimmen nicht auf irgendeiner Internet-, Unix- oder Windows-NT-Welle. Ein weiterer wichtiger Bestandteil unseres Geschäftskonzeptes ist die Fokussierung auf zwei Segmente: Anwendungsentwicklungen und Kommunikationstechnik. Beispiel Network-Computing: Kein Netzwerk macht Sinn ohne Applikationen, keine Applikation ohne Netzwerk.

Ein Wort noch zu unserer Branche: Die meisten von uns sind doch jahrzehntelang Schönwetterkapitäne gewesen. Der Markt wächst immer noch mit sechs bis acht Prozent. Oder gucken Sie sich die boomende Telekommunikation an. Davon können die Stahlbranche oder der Einzelhandel nur träumen. Schwere See kennen wir doch gar nicht, wir sind wenig krisenerprobt.

? Soll das heißen, Sie sehen sich als Kommandant eines gemütlichen Ausflugsdampfers?

MATERNA: Ganz gewiß nicht. Zur Zeit beschäftige ich mich mit der schwierigen Aufgabe, ein vernünftiges Controllinginstrument für das Projektgeschäft zu installieren. Es gibt kein System, das unser Produktionsgut, die Entwicklungsleistung, vernünftig abbildet. Außerdem haben wir inzwischen über 400 Mitarbeiter. Allein diese Größe bringt Probleme mit sich, schwächt das Unternehmen, erzeugt Reibungsverluste. Zwar haben wir nach wie vor flache Hierarchien, unsere Leute sind alle multifunktional und ich bin kein Alfried Krupp, der meint jede Schraube aufheben zum müssen. Ich finde es wichtig, Aufgaben zu delegieren und Mitarbeitern Verantwortung zu übertragen. Aber eine Firma dieser Größenordnung braucht klare Organisationsstrukturen. Im letzten Jahr haben wir deshalb restrukturiert und führen die einzelnen Geschäftsbereiche als Profitcenter. Wesentliche Teile des Einkommens sind jetzt erfolgsabhängig. Erfolgsentscheidend ist, die Balance zu halten zwischen wirtschaftlichen Überlegungen und der Erhaltung von kreativer Freiheit der Mitarbeiter. Jeder muß die Möglichkeit haben, sein Potential zu nutzen, Trends zu erkennen, Denkanstöße aufzunehmen und weiterzuentwickeln. Die besten Ideen entstehen oft beim Kunden selbst.

? Wie steht es denn um den Ideenreichtum Ihrer Kunden in puncto Internet?

MATERNA: Zu unserem Leidwesen eher flau. Untersuchungen haben gezeigt, daß in den USA 80 Prozent der 500 größten Unternehmen im Internet vertreten sind, in Deutschland sind es nur 60 Prozent - der Top 100 wohlgemerkt. Bei den kleineren Firmen sind es sogar nur vier Prozent. Der Kern unserer Klientel ist der gehobene Mittelstand, der will von uns als Anbieter erstmal den konkreten wirtschaftlichen Nutzen vorgerechnet haben. Zur Zeit ist das kein leichtes Unterfangen.

? Spielt das Alter Ihrer Kunden da auch eine Rolle?

MATERNA: Ja, sicherlich. Vor allem die Herrschaften aus meiner Generation tun sich schwer mit den rasanten Entwicklungen in der EDV-Landschaft. Die sich überschlagenden Innovationszyklen sind für unser Geschäft total schädlich. Größter Hemmschuh ist die mangelnde Benutzerfreundlichkeit der Produkte. Sie sind nach wie vor überfrachtet mit Funktionalität, sind nicht selbsterklärend. Viele Chefs um die 50 wollen lieber bewahren statt erneuern und haben einen Heidenrespekt vor der Technik. Das bremst die Entwicklung.

? Wohin führt Ihr bisher ungebremster Vorwärtsdrang? Wie sieht die Dr. Materna GmbH in zwei Jahren aus?

MATERNA: 1999 sind wir viel internationaler aufgestellt, als heute. Dann haben wir Niederlassungen in Europa, Amerika und Asien. Zur Zeit beschäftigen wir hier bereits zwei US-Amerikaner und produzieren kleine Software-Bestandteile in Indien. Wir sehen vor allem den asiatischen Markt als einen Bereich mit extrem hohem Wachstumspotential an.

Die Innovationen finden in einer viel höheren Geschwindigkeit statt, in Singapur gehen jetzt alle Bürger ans Netz, das ist hier noch undenkbar. Aber erstmal üben wir in Europa für den Weltmarkt.

? Große Pläne! Haben Sie keine Angst, sich zu verheben?

MATERNA: Nein, Wachstum und Größe machen mir keine Angst. Mein Ziel war nie die schnelle Mark. Ich hege keine Verkaufs- sondern Expansionsabsichten.

Unsere Branche ist wenig krisenerprobt. Schwere See kennen wir doch gar nicht.

Firmenchef Materna: "Wir üben in Europa für den Weltmarkt."

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