Systemhaus-Markt: Angriff aus Hamburg

22.03.2001
Nach dem Platzen der geplanten Deutsche Systemhaus AG 1998 war es lange Zeit still geworden um das Hamburger Systemhaus ECS AG. Jetzt setzt Vorstandschef Bernhard Bellmann zur bundesweiten Expansion an.

Als Marco Knöpp, Uwe Pies, Jacques Diaz und Michael Wick, allesamt Niederlassungsleiter des Systemhauses M+S Elektronik AG in Niedernberg, ihrem Arbeitgeber Hans-Ulrich Mahr Mitte November letzten Jahres geschlossen die Kündigungen auf den Tisch legten (ComputerPartner 42/00, Seite 16), schwirrten sogleich zahlreiche Gerüchte durch die Branche. M+S-Konkurrenten, welche die Manager abgeworben haben sollten, wechselten sich ab, andere glaubten zu wissen, dass sich das Quartett selbstständig machen werde. Doch diejenigen, die es wussten, hielten dicht, und wer es wissen wollte, tappte im Dunkeln. Jetzt scheint sich das Geheimnis zu lüften.

Nach ComputerPartner-Informationen werden die vier ehemaligen M+S-Manager ab dem 1. April auf der Gehaltsliste des Hamburger Systemhauses ECS AG stehen. Eine echte Überraschung. Die ECS hatte wohl keiner auf der Liste. Bernhard Bellmann, Gründer und Vorstandschef des Hamburger Unternehmens, wollte gegenüber ComputerPartner zu den Gerüchten keine Aussage machen. Dennoch gilt die Verpflichtung des Quartetts als sicher.

Vier neue Niederlassungen

Dafür spricht die Tatsache, dass Bellmann, wie auf der ECS-Homepage zu erfahren ist, "im Zuge der Expansion unserer Geschäftsaktivitäten auf das gesamte Bundesgebiet" zum 1. April Mitarbeiter sucht, und zwar für die Standorte Berlin, Frankfurt, Düsseldorf und München. Die Stellen der Niederlassungsleiter sind nicht ausgeschrieben. Kann es ein Zufall sein, dass Michael Wick die M+S-Niederlassung in Berlin, Uwe Pies die in Düsseldorf und Marco Knöpp die in München geleitet hat? Ob Jacques Diaz die Frankfurter ECS-Niederlassung aufbauen soll, ist derzeit nicht klar.

Bei ECS also stehen die Zeichen auf Angriff. Derzeit beschäftigt das 1991 gegründete Unternehmen nach eigenen Angaben mehr als 120 Mitarbeiter und setzt über 80 Millionen Mark um. Die Anzahl der Mitarbeiter soll in diesem Jahr, vor allem in Folge der Neugründung der vier Niederlassungen, um etwa 40 Prozent ansteigen.

Fragt sich, woher ECS-Chef Bellmann die finanziellen Mittel für diese Expansion bekommen hat. Das Stammkapital von einer Millionen Mark, das die ECS nach Angaben der Wirtschaftsauskunft Creditreform hat, wird dazu sicher nicht ausreichen. Auch hierzu machte Bellmann gegenüber ComputerPartner keine Aussage.

Lehren der Vergangenheit

Der Grund für die Verschlossenheit des norddeutschen Unternehmers: Schon einmal, 1997, hatte er sich mit vier Kollegen aus der Systemhausszene weit aus dem Fenster gelehnt und eine sensationelle Fusion von fünf Konkurrenten verkündet. Ein halbes Jahr später waren die Ankündigungen zerplatzt wie ein bunter Luftballon. Alles nur heiße Luft.

Zur Erinnerung: Auf der Systems 1997 hatten die Systemhäuser Hauser Computer (München), Horn & Görwitz (Berlin), PSB (Ober-Mörlen), Computer Partner (Kempten) und eben ECS angekündigt, sich zu einem großen Unternehmen zusammen zu schließen. Schon der geplante Name des neuen Unternehmens machte klar, welche Rolle den Gründervätern vorschwebte: "Deutsche Systemhaus AG". Etwas anderes als die Marktführung im Systemhausgeschäft kam eigentlich gar nicht in Frage (ComputerPartner 17/97, Seite 1 und 24/98, Seite 8).

Doch die Freude war verfrüht: Weil man sich über wesentliche Fragen der Fusionsbedingungen und die Strategie nicht einigen konnte, wurde das Projekt abgeblasen. Daraufhin fusionierte Computer Partner mit Hauser Computer (inzwischen wiederum von Einsteinnet übernommen), PSB marschierte im Alleingang an den Neuen Markt, und die Systemhausabteilung von Horn & Görwitz gehört seit kurzem zur Bechtle-Gruppe.

Und ECS? Nach dem Scheitern der Fusion meldete sich Bellmann noch einmal mit der Bemerkung zu Wort, er mache sich nun auf die Suche nach einem institutionellen Anlager, der sich finanziell an dem Unternehmen beteiligt. Und dann war es lange Zeit still um die ECS aus Hamburg. Diese Zeit der Stille nähert sich offenkundig ihrem Ende.

ComputerPartner-Meinung:

ECS-Chef Bellmann hat Mut. Denn seine Expansion kommt spät. Vielleicht zu spät. Andere Systemhäuser haben viel früher ihren Aktionsradius vergrößert und Plätze besetzt. Vor diesem Hintergrund ist ECS ein Nachzügler. Bellmann braucht gegenüber den Anwendern gute Argumente, damit ihm diese in den neuen Standorten eine Chance geben. Denn dort ist ECS ein Nobody. Und ob die Kontakte der ehemaligen M+S-Niederlassungsleiter wirklich so viel Wert sind, muss sich erst noch erweisen. Bellmann hat aber einen gut klingenden Ansatz mit hoher Werbewirkung: Er positioniert sich als Spezialist für "Cost Cutting Solutions". (sic)

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