Systems '96: Trotz Schwächen des Gastgebers gaben Aussteller und Besucher zumeist gute Noten

11.01.1996
MÜNCHEN: Vom 21. bis 25. Oktober fand auf dem Münchener Messegelände die Systems '96 statt. Knapp über 100.000 Besucher aus 72 Ländern, so verkündet der Veranstalter, informierten sich bei den rund 1.730 ausstellenden Unternehmen über Neuigkeiten aus der IT-Branche. Ein Erfolg? Wie man's nimmt: Die Messe München hatte ursprünglich 120.000 Besucher erwartet, viele große Namen auf der Aussteller-Liste fehlten. Doch nach einem sehr zögerlichen Start und vielen Querelen bei der Organisation verlief der Event für die Beteiligten recht angenehm, für einige sogar äußerst positiv. Aussteller und Besucher setzten sich einfach über die vielen Schwächen der Messe hinweg und taten das, weshalb sie gekommen waren: Informationen sammeln oder weitergeben und neue Kontakte schaffen.Ernst Kick muß als Projektleiter für die Systems bei der Münchener Messegesellschaft schon von Berufs wegen Zuversicht verbreiten: "Wir sind mit der Systems '96 sehr zufrieden", versichert er gegenüber ComputerPartner. "Unsere Ziele - die Messe jährlich zu positionieren, sie zu dem Herbstevent für die IT-Branche zu machen und eine Konzentration der Messelandschaft zu schaffen: Das haben wir voll erreicht!" Die Systems habe sich zu einer Veranstaltung gemausert, die den Besuch von kleineren Spezialmessen unnötig mache.

MÜNCHEN: Vom 21. bis 25. Oktober fand auf dem Münchener Messegelände die Systems '96 statt. Knapp über 100.000 Besucher aus 72 Ländern, so verkündet der Veranstalter, informierten sich bei den rund 1.730 ausstellenden Unternehmen über Neuigkeiten aus der IT-Branche. Ein Erfolg? Wie man's nimmt: Die Messe München hatte ursprünglich 120.000 Besucher erwartet, viele große Namen auf der Aussteller-Liste fehlten. Doch nach einem sehr zögerlichen Start und vielen Querelen bei der Organisation verlief der Event für die Beteiligten recht angenehm, für einige sogar äußerst positiv. Aussteller und Besucher setzten sich einfach über die vielen Schwächen der Messe hinweg und taten das, weshalb sie gekommen waren: Informationen sammeln oder weitergeben und neue Kontakte schaffen.Ernst Kick muß als Projektleiter für die Systems bei der Münchener Messegesellschaft schon von Berufs wegen Zuversicht verbreiten: "Wir sind mit der Systems '96 sehr zufrieden", versichert er gegenüber ComputerPartner. "Unsere Ziele - die Messe jährlich zu positionieren, sie zu dem Herbstevent für die IT-Branche zu machen und eine Konzentration der Messelandschaft zu schaffen: Das haben wir voll erreicht!" Die Systems habe sich zu einer Veranstaltung gemausert, die den Besuch von kleineren Spezialmessen unnötig mache.

Er hat auch einige statistische Angaben parat; die Auswertung der Aussteller- und Besucherbefragung ergab: 89 Prozent der Aussteller hätten ihre Messebeteiligung positiv bewertet, 91 Prozent der Besucher seien mit Entscheidungskompetenzen betraut, nur ein Drittel von ihnen allerdings wurde als "ausschlaggebend" bezeichnet. 75 Prozent der Besucher hätten die "Vollständigkeit und Breite des Angebots" zu schätzen gewußt; das heißt: nur 25 Prozent von den Befragten fiel auf, daß auf der Ausstellerliste eine ganze Reihe von Branchengrößen fehlten.

Totgesagte leben länger

Dell war nicht da, Compaq fehlte, Hewlett-Packard glänzte durch Abwesenheit, keine Spur von Sony, Fujitsu, Adobe oder der Software AG (trotzdem erlaubte sich die Messe München den Fauxpas, einige große Anbieter wie beispielsweise Macrotron, die sehr wohl ausstellten, im Katalog zu vergessen). Und so gab es in einigen der nach Schwerpunkten geordneten Messehallen klaffende Lücken, die nur notdürftig durch Bonbonstände oder Sitzecken darüber hinwegtäuschen konnten, daß für einige Anbieter die Systems kein Thema mehr ist.

Doch in dem Punkt scheiden sich die Geister, und nach dem Motto "Totgesagte leben länger" positionierte sich der diesjährige Messeevent eigentlich gar nicht so schlecht - wenn auch nicht so glorreich, wie die Veranstalter glauben machen wollen.

"Meiner Einschätzung nach kritisieren vor allem die Aussteller die Messe als ,Regionalmesse Oberbayern, die nicht dabei waren", springt beispielsweise Erwin Nützl für die Veranstaltung in die Bresche. Das Geschäftsleitungsmitglied der Seemüller Computer in München war da, wo es zur Sache ging: "In den Hallen 14, 16, 18, 24 und 25: da hat Messe stattgefunden."

Recht hat er. Denn während in diesen Hallen ab Mittwoch der Bär tanzte, blieben andere bis zum Schluß der Messe verödet. Die ersten beiden Messetage waren insgesamt so dünn besucht, daß dem einen oder anderen Aussteller ganz mulmig zumute wurde. So brachen beispielsweise die Mitarbeiter von SEV Gesellschaft für Software, Entwicklung und Vertrieb mbH aus Markgröningen bereits am Dienstagabend ihren Gemeinschaftsstand mit Bull in Halle 24 ab. Vielleicht lag das aber auch am Hersteller, denn auch Bull-Partner WSH Waiblinger Softwarehaus GmbH war nicht ganz zufrieden. Hans Joachim Löffler, der Assistent der Geschäftsleitung des Unternehmens: "Montag war ganz tote Hose, aber heute, am Dienstag, ist auch nicht viel mehr los. Wir hatten gestern drei Gespräche mit Interessenten, heute sind es acht oder neun. Was ist das schon?" Trotzdem will er nächstes Jahr wieder kommen, um "Präsenz zu zeigen", dann allerdings nicht als Partner am Stand eines Hardwareherstellers.

Am eindeutigsten faßte Bernd Lenz, Marketingmanager bei Tektronix Video & Networking, die Stimmung der ersten beiden Messetage zusammen: "Die Luft war noch nie so gut wie dieses Jahr und die Teppiche noch nie so breit. Wir werden uns schwer überlegen, ob wir nächstes Jahr wieder auf die Systems gehen, so ist sie für uns unattraktiv."

Doch ab Mittwoch wurde alles besser. Das Fachpublikum strömte und die Stimmung an den Ständen stieg. Der Renner unter den Besuchern war die Halle 14, die ganz unter dem Motto "Online/New Media" stand. Hier kamen direkt CeBIT-Gefühle auf, so stauten sich die Massen vor den Ständen, die Vorträge im Amphitheater in der Mitte der Halle waren immer bestens besucht.

Augenfällige Stände gab es kaum zu bewundern, auf Befremden stieß allerdings der Vebacom-Bunker, der sich direkt neben der Telekom plazierte und dem Besucher eher nahelegte, einen großen Bogen um das feindlich anmutende Stand-Terrain zu schlagen.

Dealers only kam bei den Händlern gut an

In Halle 24 erstaunte eine mit vertikal aufgehängten weißen Fahnen abgegrenzte Fläche den unvorbereiteten Besucher. "Dealers Only" war dort in großen Lettern zu lesen und aufgemalte Pfeile wiesen den gewundenen Weg zum Eingang des Händlertreffpunkts. "Insgesamt waren rund 10.000 Fachhändler auf der diesjährigen Systems", versichert Kick. "Etwa 7.000 davon waren im Dealers Only."

10.000 Händler waren auf der Systems '96

Wahrscheinlich wären es mehr gewesen, hätten sie den Weg dahin gewußt. "Auf das Dealers Only bin ich aus reinem Zufall gestoßen", bestätigt beispielsweise Johann Balleis von Balleis EDV Hard + Soft in Aindling-Hausen. "Ich bin zwar vorher schon an den weißen Fahnen da vorbeigesaust, aber erst, als ich den Comteam-Stand da drin sah und reingelassen wurde, habe ich gesehen, daß da was für Händler war."

Diejenigen, die hinfanden oder dort ausstellten, waren von der Insel inmitten des Trubels der Halle 24 allerdings sehr angetan. So auch Andreas Gruber, im Vertrieb der DobTec Datentechnik Vertriebs GmbH in Taufkirchen: "Das ganze Konzept ist nicht schlecht. Prima war, daß wir uns um Bewirtung und Küche gar nicht zu kümmern brauchten. Aufträge generieren wir auf der Messe ja nicht mehr, aber als Kontaktbörse und für Gespräche ist das ein gutes Forum." Ein Wermutstropfen allerdings sei gewesen, daß die Vorträge auf der Bühne "die Gespräche drumherum gelähmt" hätten. Auch Hans-Joachim Schella, Vertriebsleiter der Acetec in Wiesbaden, der im Dealers Only ausstellte, zog eine positive Bilanz: "Das Publikum hier war von der Qualität her wirklich sehr gut. Wir hatten allerdings mit mehr Quantität gerechnet. Als Kontaktbörse ist das auf jeden Fall eine gute Idee".

Messeorganisation durch Veranstalter haarsträubend

Doch fast alle Aussteller in dem Bereich, die mit sich und dem Publikum sehr zufrieden waren, bemängelten die zum Teil haarsträubenden Organisationsprobleme im Vorfeld der Messe. Von viel zu hohen Preisen war die Rede, von willkürlich gekürzten Ausstellungsflächen und ständigen Reibereien mit der Projektleitung. So ist einem Aussteller beispielsweise die bestellte Ausstellungsfläche erst auf zwei- und kurz darauf auf nur noch ein Drittel des zuerst vereinbarten Platzes zusammengestrichen worden. Projektleiter Kick gibt sich zerknirscht: "Für 1996 war ja nur eine bestimmte Fläche vorgesehen und wir mußten entscheiden: Je mehr Aussteller, desto vielseitiger ist doch auch das Angebot für die Besucher. Im nächsten Jahr werden wir die Fläche bestimmt weiter ausbauen."

Das Gros der Händler wünscht eine eigene Halle

Die Lösung der meisten Probleme hieße für viele Händler und Aussteller im Dealers Only: "Eine eigene Händler-Halle auf der nächsten Systems, das wäre prima", wie Andreas Gruber von DobTec zusammenfaßt. "Wir hätten mehr Platz und feste Wände anstelle der weißen Fahnen, an denen man nichts aufhängen darf. Und dann würde das ganze Gesuche nämlich aufhören. Uns haben im nachhinein viele gefragt, wo wir denn eigentlich waren."

Denn da liegt ein weiterer Schwachpunkt in der Organisation: Viele Händler erfuhren erst auf der Systems von der Einrichtung "Dealers Only". Manche waren nur gekommen, weil sie eine Einladung ihres Distributors bekommen hatten. Macrotron-Chef Michael Kaack kann sich stolz an die Brust heften, allein für sein Unternehmen rund 4.000 Fachhändler angeschrieben und eingeladen zu haben. "Wir haben den Veranstaltern da einiges an Arbeit abgenommen", flachst er.

Doch das kann ja nicht der Sinn der Sache sein. Mit nur wenigen Ausnahmen gerieten alle Befragten, die im Grunde mit der Messe ganz zufrieden waren, in Rage, wenn es um die Veranstalter ging. "Die Systems ist auch dieses Jahr eine Regionalmesse", wetterte beispielsweise Werner Niebel, der Direktor Channel Sales von Informix. "Man muß über das Konzept nachdenken, um sich zu entscheiden: Will man eine Fachhandels- oder eine Publikumsmesse? Beides geht auf Dauer nicht." Sein Fazit: "Wir überlegen, ob wir im nächsten Jahr wiederkommen." Und auch von Händlerseite hagelte es Schelte für die Projektleiter. Ein Fachhändler aus dem süddeutschen Raum, der nach eigenem Bekunden seit 40 Jahren in der Branche ist, formulierte so deutlich, daß er nicht genannt werden möchte. Doch seine Aussage steht stellvertretend für die meisten Kritikpunkte seiner Kollegen: "Wir waren zum ersten Mal als Aussteller dabei - als Partner eines Druckerherstellers. Hier kann man gute Gespräche führen und wirklich arbeiten. Aber ob wir wiederkommen, sei noch dahingestellt. Bei der Vorbereitung hat uns die Projektleitung das Leben schwer gemacht. Diese Mannschaft schafft es noch, auch diese Messe zu beerdigen. Es gibt keine klare Positionierung - ist das jetzt eine Regionalmesse oder was? Die Logistik ist schlecht, die Organisation stimmt nicht. Die Preise für Aussteller sind im Verhältnis teurer als auf der CeBIT! Das ist doch für die meisten Händler überhaupt nicht drin: 100.000 Mark für 100 Quadratmeter oder so. Da lade ich doch meine Kunden lieber ins Bierzelt ein."

(du)

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