Systems: Am vollsten war es in der Eingangshalle

30.10.2003
Bei erneut gesunkenen Aussteller- und halbwegs stabilen Besucherzahlen war die Stimmung auf der Systems 2003 dann doch häufig besser als befürchtet. Das Fazit der Aussteller fiel jedoch so kontrovers wie selten aus. Nur in einem Punkt herrschte Einigkeit: Für die ellenlangen Warteschlangen am Eingang brachte niemand Verständnis auf. Von ComputerPartner-Redakteur Andreas Th. Fischer

In diesem Jahr konnte man den Eindruck gewinnen, fast jedes Mittel sei den Systems-Verantwortlichen recht, um nur ja die Besucherzahl auf dem Stand vom Vorjahr zu halten. 2002 fanden 73.000 Besucher den Weg in die Messehallen im Münchener Osten. Nicht unbedingt zur Freude vieler Aussteller brachte der Veranstalter diesmal rund 250.000 Freikarten in einer beispiellosen Aktion über zahllose Fachmagazine unters Volk.

Der deswegen befürchtete Ansturm der Schnäppchenjäger scheint jedoch ausgeblieben zu sein. Geisterten am Montag noch Gerüchte über Busladungen voller "Haben Sie Werbegeschenke"-Schulklassen durch die Messehallen, so beruhigte sich die Stimmung am Dienstag bereits deutlich.

"Menschenverachtende Zustände"

Auf wenig Gegenliebe stieß aber auch in diesem Jahr die Zwangsregistrierung am Eingang. Schlangen von über einhundert Metern Länge verhunzten vielen Besuchern bereits den Start in den Messetag. Neben dem Datenerhebungseifer des Veranstalters, der an den Wissensdurst mancher Behörden erinnerte, machten viele Teilnehmer die Freikartenaktion über die Medien für die Staus verantwortlich. "Unsere eingeladenen Gäste sind zum Teil umgedreht, weil sie nach eineinhalb Stunden immer noch nicht hereingekommen sind", ärgerte sich Pino von Kien-lin, Managing Director von Sophos Deutschland. "Die Messe muss Lösungen bereitstellen, dass unsere Kunden mit unseren Gastkarten auch zu uns kommen können", forderte von Kienlin unumwunden.

Während manche Besucher die morgendlichen Warteschlangen als "menschenverachtende Zustände" bezeichneten, wies Messechef Dittrich den Unmut mit leicht zynisch anmutenden Aussagen wie "Wir freuen uns über den regen Zuspruch der Besucher" zurück. Ganz konnte er die Probleme trotzdem nicht vom Tisch kehren: "Die Beschwerden sind auch bei uns angekommen. Wir haben darauf sehr schnell reagiert und den Fragenkatalog reduziert. Danach waren diese Schlangen sehr schnell aufgelöst."

Stimmen aus den Reihen der Aussteller und Besucher sprechen jedoch eine andere Sprache: "Draußen kamen Busse voller Besucher an, und in den Hallen war am Vormittag trotzdem tote Hose, weil die Leute stundenlang warten mussten. Da verärgert man den eigenen Kunden doch nur, wenn man ihn zu so einer Messe einlädt", sagte ein Aussteller, der namentlich nicht genannt werden wollte.

"In diesem Jahr habe ich die Messe erstmals nicht besucht, oder glauben Sie, dass ich mich ein bis eineinhalb Stunden in eine Warteschlange stelle, um mit der vorregistrierten Eintrittskarte Einlass zu bekommen?", schimpfte Heinrich Jodlbauer, Inhaber von Jodlbauer Elektronik Regensburg. Der Fachhändler absolvierte zwei Fahrten im Stau (Regensburg - München und zurück), zahlte sechs Euro für einen Parkschein, den er nach zehn Minuten genervt wieder einlöste, und natürlich die Benzinkosten. "In meiner Firma hätte ich Besseres zu tun gehabt", ärgerte sich Jodlbauer. Er werde keine Messen mit vorregistrierten Karten mehr besuchen, und auf die Systems könne er nun gut verzichten.

Die "wenig durchdachte Leitung des Besucherstroms" bemängelte auch Christof Beiter, Geschäftsführer der Max Kranz oHG. "Es kann doch nicht sein, dass die Organisatoren aus dem Debakel der vorigen Systems nichts gelernt haben", so Beiter weiter. "Wie lange werden sich die Besucher dieser schrumpfenden Messe die zwangsweise Mitarbeit bei der Datenerfassung noch gefallen lassen?", fragte Beiter in einem Leserbrief an ComputerPartner, den er auch an die Messeleitung schickte. "Es würde mich nicht wundern, und ich könnte es nicht einmal bedauern, wenn solche Maßnahmen den Ruf der Systems weiter schädigen und zu einem baldigen Ende dieser Messe beitragen würden", so Beiter unumwunden.

Wenn er nicht einen wichtigen Termin gehabt hätte (Berufung zum ComputerPartner-Chefredakteur h.c.), wäre auch Dieter Hoffmann von Hoffmann Network Consulting KG trotz einer 700 Kilometer langen Anreise am Eingang schnurstracks wieder umgedreht. Dem Chef der Münchener Messegesellschaft, Klaus Dittrich, empfahl Hoffmann, sich doch einmal selbst in die mehrfach durch die Eingangshalle gewundenen Schlangen zu stellen, um das System "hautnah miterleben zu können, wie an den Terminals rechts und links Besucher ratlos und verzweifelt mit den Tücken der Registrierung kämpfen". Wenig verständlich fand Hoffmann den Mechanismus, wie der "glückliche Besucher, der von dem System akzeptiert wurde", dann endlich zu seiner Eintrittskarte kam: Nach erfolgreicher Registrierung wurde automatisch ein Ticketprinter am Kopfende der Terminalreihen angeworfen, und "die junge Dame an diesem Drucker brüllte den Namen des Besuchers wie an der Börse durch die Halle". Messechef Dittrich gab Hoffmann den freundlichen Hinweis, sich doch einmal Messen in Hannover, Düsseldorf, Frankfurt oder sonst wo anzusehen: "Sie werden sehen, es geht auch anders."

Großes Aufatmen

Wer es dann endlich in die Messehallen geschafft hatte, war dann jedoch nicht selten positiv überrascht, auch wenn die Stimmung bei den Ausstellern unterschiedlich war. "Für uns hat sich die Systems im Hinblick auf die Neukunden-Akquise immer gelohnt. Die Messe ist für uns nach wie vor interessant, weil sie in einer Region stattfindet, in der wir sonst nicht vertreten sind", sagte Anke Kugies, Vorstand der COS Distribution AG. Als "ideale Gesprächsplattform für den Mittelstand" schätzt sie auch Wolfgang Ebermann, Direktor Mittelstand und Partner bei Microsoft, ein. "Wir sprechen dort mit Kunden, die vor einer Kaufentscheidung stehen." Als geeignetes Mittel zur Bestandskundenbindung bezeichnete Helmut Haslbeck, Geschäftsführer von Trendmicro Deutschland, die Systems. Der Hersteller von Antivirensoftware hatte einen der größten Stände in der IT-Security-Area aufgebaut. Wenn die Kosten-Nutzen-Relation nach der Messe aber nicht stimme, werde man sich überlegen, in Zukunft als Mitaussteller bei einem der Distributoren oder gar auf eine Roadshow auszuweichen, so Haslbeck.

IBM rechnet nach ersten Auswertungen mit etwa 30 Prozent mehr Leads als im Vorjahr. "Wenn wir aber nicht für jeden investierten Euro zehn zurückbekommen, stellen wir die Systems auf den Prüfstand", sagte Jörg Peters, Direktor Marketing EMEA bei Big Blue. Verlässlichere Daten als früher verspricht sich Peters vom Versuch der Messegesellschaft, mittels Barcodes Besucher zu erfassen und zu qualifizieren.

Ein anderer Hersteller, der zuerst gar nicht auf die Messe gehen wollte, nicht um Kosten zu sparen, sondern um seiner Standbesatzung "Depressionen aufgrund einer erwarteten totalen Leere zu ersparen", war dann doch froh. Insgesamt sei es doch "ganz gut" gelaufen, war von dem Unternehmen zu hören. Mit der Messe und dem Publikumszulauf war auch Steve Chen, Managing Director bei der KYE Systems Europe GmbH, zufrieden. KYE gehört zu den wenigen Herstellern, die jetzt schon für das kommende Jahr gebucht haben. Über die Menge und Güte der Leads zeigte sich Evelyn Angel, Pressesprecherin von Computer Associates, überrascht. Man erlebe die Systems, obwohl man selbst keinen Stand habe, als interessant und gut besucht. Beste Laune auch bei Kyocera Mita, weil sie "quasi die einzigen seien, die hier noch komplette Druckerlösungen präsentieren. Die Kunden kommen also gar nicht an uns vorbei."

Beutelratten auf der Pirsch

"Für uns war die Systems immer recht wichtig", sagte Michaela Harlander, Geschäftsführerin des Firewall- und IDS-Herstellers Genua. "Wir betreiben hier Stammkundenpflege, bemerken in diesem Jahr aber auch eine ganz andere Publikumszusammensetzung als früher. Wir würden es bedauern, wenn die Systems ei-ne Privatkundenveranstaltung wird", so die promovierte Diplomphysikerin. Damit spielt sie auf die "Beutelratten" unter den Besuchern an. "Mir kommt es vor, als seien die typischen ,Samstagsbesucher‘ jetzt schon da", fand Claudia Mann, bei Infinigate zuständig für Marketing und Kommunikation. "Aber die Systems ist für uns eine Art Heimmesse; wenn wir aus Düsseldorf wären, würden wir es uns drei Mal überlegen, hierher zu kommen", so Mann. Keine Einwände gegen jugendliche Besucher hat Andreas Hellriegel, Vertriebschef Europa bei Overland Storage: "Das sind vielleicht in zehn Jahren unsere Kunden." Mit der Messe an sich war Hellriegel - "bei zurückgeschraubten Erwartungen" - zufrieden. "Es wird wieder richtiges Business gemacht", so Hellriegel. Verschnupft war dagegen Detlev Rick, Senior Product Manager bei MCE: "Es könnte besser laufen, wir sind nicht zufrieden."

Fachhändler vermisst

Enttäuschend war zum zweiten Mal in Folge der Dealers-Only-Bereich, der eines der Alleinstellungsmerkmale der Systems war. Im Gegensatz zu den allen Besuchern offen stehenden Hallen, in denen sich schon mal die Menschen drängten, herrschte dort meist gähnende Leere. Kein Wunder, dass jemand sagte, dass Dealers-Only wohl nur Sinn mache, wenn die Messe groß sei und viele Besucher da sind, damit die Händler ihre Ansprechpartner finden. "Wenn sie aber klein ist und insgesamt nur wenige Besucher da sind, sollte man lieber keinen eigenen Händlerbereich definieren."

2004 vielleicht gar nicht mehr dabei ist Ingram Micro: "Uns drängt sich mehr und mehr die Frage auf, welche Bedeutung den Großmessen in unserer Branche heute noch zukommt. Einige große Hersteller haben dies bereits für sich beantwortet und ihren Auftritt abgesagt. Wir sind hier noch in der Diskussion", sagte Robert Beck, Geschäftsführer Product Management bei dem Broadliner. Das Dealers-Only-Konzept sei in diesem Jahr nicht wirklich aufgegangen; neben dem Besuchermangel in dem abgetrennten Bereich kritisierte Beck auch einen "spürbar geringeren Anteil derjenigen Besucher, die sich professionell dem Thema IT widmen". Das Konzept eines qualifizierten Händlerbe-reichs wollte Beck jedoch nicht generell in Frage stellen.

Nicht genug Wiederverkäufer auf der Messe waren es Philippe Janssens, General-Manager und COO bei Data Center Technologies. "Wir suchen noch Partner. Dafür ist es besser, mit Technikpartnern auf Roadshows zu gehen. Die Systems ist aber immer noch besser als die Cebit", so Janssens. Auch wenn sich die Messegesellschaft über solche Aussagen freuen dürfte, hat sich eines klar gezeigt: Die Systems ist eine Regionalmesse für den süddeutschen Raum, der Kampf gegen die Cebit ist längst verloren.

Einen Kommentar zur Systems 2003 lesen Sie auf Seite 8.

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