Systems zwischen Anspruch und Wirklichkeit

24.10.2002

So schlafmützig wie die missmutige Willkommensstimme am U-Bahnhof Messestadt West kam vielen Besuchern und Ausstellern die diesjährige "Systems" in München vor. Geradezu gespenstisch leer präsentierte sich der Eingangsbereich. Der auf einen Massenandrang ausgelegte Cordon blieb genauso ungenutzt wie die meisten der schmucken, aber totenblass wirkenden Reihen von Mac-Terminals für die Besucherregistrierung. Und so blieb es meist nur bei dem Plan, ein genaues Besucherprofil zu erstellen, was bei einigen Händlern eh für Verärgerung sorgte. So manch einer hat sogar die Vermutung geäußert, dass die Systems-Leitung Adressdaten meistbietend verkauft, um so ein kleines Nebengeschäft zu machen.

Aber nicht die Registrierung steht hier auf dem Prüfstand, sondern das Konzept der Systems selbst als wichtige Entscheidermesse. Und ob die Messe bei dem rapiden Aussteller- und Besucherschwund der letzten beiden Jahre ihrem Anspruch gerecht wird, darin gehen die Meinungen weit auseinander. Die wichtigste Frage ist jedoch: Hat die Messe in diesen Zeiten, wo selbst die Cebit um Aussteller buhlen muss, überhaupt noch eine Existenzberechtigung? Wie die "Süddeutsche Zeitung" Microsoft-Chef Kurt Sibold zitiert, waren auf der Systems 2002 eindeutig mehr Entscheidungs- als Tütenträger zugegen. Tatsächlich waren die Themen in den acht Hallen so gewählt, dass Luftballons schwenkende Privatanwender, auch als "Beutelratten" bezeichnet, weit gehend außen vor blieben. Vielfach gelobt wurde vonseiten der Aussteller auch die Qualität der Fachbesucher und Gespräche. Insofern ist das Konzept der Systems als Entscheidermesse vordergründig schon aufgegangen.

Aber was ist das für eine - sich sogar als internationales Ereignis in Szene setzende - Entscheidermesse, wenn viele Aussteller, darunter HP, Oracle und etliche Global Player, einfach ausbleiben? Und daran knüpft sich natürlich auch die Frage, warum so viele ferngeblieben sind. Antworten darauf gibt es genügend: Die Einen berufen sich auf die anhaltende IT-Krise, andere auf eigene Partnerveranstaltungen, die ihnen einfach wichtiger sind. Wieder andere finden, dass die Systems zu regional ist oder in der Vergangenheit zu wenig auf ihre individuellen Bedürfnisse eingegangen ist.

Einiges hat sich schon gebessert. Aber noch immer beschweren sich Aussteller darüber, dass die Messeleitung sich hinsichtlich der Standvergabe, Standmieten und einiger Regeln immer noch zu unflexibel zeige. So wurden Hersteller wegen unerlaubter Standparty abgemahnt, nur weil sie nach erfolgreichem Geschäftsabschluss in kleinem Kreis eine Flasche Bier öffneten.

Das "Dealers only", das angeblich 10.000 Fachbesucher angezogen haben soll, war im Vergleich zu den Vorjahren meist gähnend leer und für viele Händler einfach unattraktiv. Themenparks, wie sie die Systems praktisch erfunden haben will, beschränkten sich in der Regel auf ein Sammelsurium von Ausstellern, die thematisch irgendwie zugeordnet werden konnten, statt für eine bestimmte Problemstellung wie etwa IT-Security oder Web-Services verschiedene Lösungen aus Hard- und Software zusammenzuführen. Hierdurch könnte sich die Systems ein echtes Alleinstellungsmerkmal schaffen. Doch solange das fehlt, wird die Messe wohl weiter in die Regionalliga abrutschen, wenn nicht sogar ganz vom Erdboden verschwinden.

Klaus Hauptfleisch

khauptfleisch@computerpartner.de

Zur Startseite