Tablet PC: "Nur ein teueres Notebook"

05.02.2004
Die von Microsoft und einigen Hardwareherstellern Ende 2002 vorgestellten Tablet PCs spielen neben den Notebooks immer noch die Rolle eines Mauerblümchens. ComputerPartner fragte die Marktteilnehmer nach den Gründen. Von ComputerPartner-Redakteurin Beate Wöhe

Im November 2002 läutete Microsoft mit der "Microsoft Windows XP Tablet PC-Edition" eine neue Ära des Mobile-Computing ein. Sowohl der Softwaregigant als auch die Hardwarehersteller versprachen sich viel von den neuen Geräten.

Die Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Weniger als 100.000 Tablet PCs wurden in den ersten zwölf Monaten nach Angaben des Marktforschungsinstituts Canalys in der EMEA-Region (Europa, Mittlerer Osten, Afrika) verkauft. In Deutschland setzten die Hersteller im vierten Quartal 2003 insgesamt 22.660 Tablet PCs ab (siehe Grafik).

Der Global-Player IBM nimmt nach wie vor Abstand zu den Tablet PCs. "Aufgrund des derzeitigen Produktdesigns sind die Tablet PCs nur für kleine Zielgruppen und hoch spezialisierte Einsatzgebiete konzipiert. Daher sehen wir zurzeit keine großen Wachstumschancen für das Projekt Tablet PC", sagt ein IBM-Sprecher.

Auch Endkunden können die Geräte, wie es aussieht, noch nicht so richtig einordnen. "Während der Händlerkanal sehr gut informiert ist, gibt es bei den Endkunden massive Defizite. Die Kunden sehen den Unterschied und die Vorteile zum Notebook einfach nicht deutlich genug. Daher ist ein Tablet PC für viele Endkunden nichts weiter als ein teueres Notebook mit ein paar zusätzlichen Features", berichtet Erwin Heinze, Sales Manager bei View Sonic, nach zahlreichen Gesprächen mit deutschen Fachhändlern. Auch Notebook-Traditionalist Toshiba ist sich dieser Tatsachen bewusst: "Von der Position eines Anbieters von Convertible Tablet PCs ist es wichtig, den Kunden die Zusatzfunktionalität eines solchen Gerätes aufzuzeigen", sagt Thomas Kissel-Müller, Marketing Director Deutschland und Österreich bei Toshiba.

Was zählt, ist die Lösung und nicht das Gerät

Bei der Alternative zwischen Notebook und Tablet PC muss der Fachhändler gemeinsam mit dem Kunden etwas weiter in die Tiefe gehen. "Uns war es zu Beginn des Projektes völlig egal, ob wir unsere Arbeit mit einem Notebook, einem Tablet PC, einem PDA oder sogar einer digitalen Armbanduhr erledigen. Wichtig war für uns der Nutzen", bringt Miguel Cabrer, IT-Direktor des Krankenhauses Son Llàtzer auf Mallorca, die Kundenbedürfnisse auf den Punkt.

Falsche Einstiegsstrategien scheinen einer der Gründe für das langsame Wachstum des Tablet-PC-Marktes zu sein. "Microsoft versuchte, das Produkt über seine universellen Einsatzmöglichkeiten zu vermarkten. Eine derartige Herangehensweise ist nicht nur kostenintensiv, sondern erschwert es, den unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Segmente gerecht zu werden", analysiert Wolfgang Jung, Director Computer Systems und Displays bei der Ingram Micro Distribution GmbH die Situation.

Ein weiterer Hemmschuh sei nach wie vor "die zum Teil fehlende Bereitschaft der Hersteller, Tablet PCs als Teststellung für beschränkte Zeiträume zur Verfügung zu stellen", kritisiert Anke Kugies, Vorstand der COS Distribution AG.

Microsoft wäscht in Verbindung mit dem schleppenden Wachstum seine Hände in Unschuld: "Die aktuell verfügbaren Erhebungen ermittelten einen verhältnismäßig kleinen Anteil von Tablet PCs am Notebook-Markt zwischen einem und fünf Prozent. Dies lag hauptsächlich daran, dass vor einigen Monaten die Eigenschaften der Hardware noch nicht zufrieden stellend waren", sagt Bastian Braun, Product Solution Manager Windows Client.

Dem Ruf der Hardwarehersteller nach weiteren Sprachen will Microsoft auf jeden Fall nachkommen. "Demnächst wird eine italienische Variante erscheinen." Weitere Sprachversionen befänden sich in der Entwicklung. Aufgrund der möglichst perfekten Handschriftenerkennung benötige dies jedoch entsprechend Zeit.

Dass sich die Geräte nicht wie PCs und Notebooks von der Stange kaufen lassen, erfährt der Fachhandel tagtäglich. "Der Tablet PC setzt beim Kunden spezielle Lösungen und Softwareanpassungen voraus. Diese Geräte sind überwiegend für stehenden oder gehenden Einsatz prädestiniert", berichtet Wolfgang Schäfer, Geschäftsführer des Systemhauses Brünings + Sander GmbH aus eigener Erfahrung.

Auch FSC ist der Meinung, dass sich die teils hohen Erwartungen an die Marktentwicklung vor allem deshalb nicht erfüllt haben, weil es noch nicht genügend Anwendungen gibt, die die Vorteile der Stift-basierenden Eingabe ausnutzen. "Den Durchbruch auf breiter Front erwarten wir in etwa zwei Jahren", schaut Peter Eßer, Executive Vice President Volume Products and Supply Operations bei FSC, in die Zukunft.

Microsoft prämiert Lösungen für Tablet PCs

Derzeit organisiert der Betriebssystemhersteller Microsoft den Wettbewerb "Tablet PC Challenge", der die besten und innovativsten Business-Lösungen für den Tablet PC mit Geld- und Sachpreisen im Wert von über 100.000 Euro auszeichnet.

Dass der Absatz der Tablet PCs durch eine Preisreduzierung angekurbelt werden könnte, sieht die Mehrzahl der Hersteller nicht. Die Preise seien in den vergangenen Monaten bereits reduziert worden. "Einzelkomponenten wie die Chassis mit integriertem Drehmechanismus oder das Touch-Display waren von jeher teurer in der Beschaffung", hält Ingram-Micro-Manager Jung den Herstellern die Stange.

Anderer Meinung zu diesem Thema ist jedoch André Tegtmeier, Product Manager Mobile Computing bei Acer. Er sagt: "Sobald nur noch ein geringfügiger Aufpreis gegenüber einem herkömmlichen Notebook anfällt, wird die Nachfrage massiv ansteigen. Für einen geringen Aufpreis ist man eher bereit, ein Zusatz-Feature zu erwerben, dessen Nutzen erst nach einiger Zeit an Bedeutung für einen selbst gewinnt."

Der Betriebssystemhersteller Microsoft weiß, was für die nahe Zukunft der Tablet PCs auf der To-do-Liste steht und ist zuversichtlich: "Gemeinsam arbeiten wir da-ran, auch das Image des Tablet PC von einem reinen Hardwareangebot hin zu einer Gesamtlösung mit vielen Produktivitätsvorteilen zu ändern."

Meinung der Redakteurin:

Die Euphorie der Marktteilnehmer im Tablet-PC-Markt hat sich gelegt. Jetzt heißt es, aus den ersten Erfahrungen zu lernen. Microsoft muss weiter am Betriebssystem feilen und nach zusätzlichen Softwarelösungen suchen. Die Hardwarehersteller müssen sich in diesem Fall vom Geräteverkauf lösen und den Nutzen für den Endkunden erkennen und umsetzen.

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