Taiwan zementiert Position als Low-Cost-IT-Industrie

18.06.1998

TAIPEH: Neben der Cebit in Deutschland und der Comdex in den USA hat sich die Computex in Taipeh mit zu einer der wichtigsten Computermessen gemausert. 996 hauptsächlich taiwanische Aussteller präsentierten vom 2. bis 6. Juni die neuesten Produkt-Highlights."Wenn Taiwan von heute auf morgen die Produktion einstellen würde, käme die weltweite Computerindustrie zum sofortigen Erliegen." Diesen kennzeichnenden Satz sprach Intel-Chairman Andy Grove anläßlich seines ersten Besuches in Taiwan vor gut einem Monat. Tatsächlich ist das Land mit einem Produktionsanteil von der Hälfte des globalen Motherboard-Bedarfs, einem Drittel der Notebook-Produktion und rund 40 Prozent des Ausstoßes an Grafikkarten von der Landkarte der PC-Lieferanten nicht mehr wegzudenken. Vor kurzem noch von den IT-Giganten USA und Japan belächelt, kann es sich inzwischen keiner der Major Player mehr erlauben, einen Großteil seiner Produktion nicht von dem südchinesischen Inselstaat zu beziehen. Vor allem bei Preiskalkulation und schneller Umsetzung von Innovationen macht den Taiwanern keiner etwas vor. Knapp 16.000 Besucher kamen im vergangenen Jahr in die Ausstellungshallen des TWTC (Taiwan World Trade Center). Für dieses Jahr wurden leichte Zuwachsraten, vornehmlich durch Besucher aus den USA und Europa, erwartet. Die Zahl der Aussteller ist um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr gewachsen.

Taiwans Industrie trotz der Asienkrise mit

Milliardeninvestitionen

Mit Marken wie Acer, ADI, Asus, FIC, Mitac oder Ulead und einem addierten Umsatz von rund 80 Milliarden Dollar rangiert Taiwan nach den USA und Japan auf der dritten Position der IT-Weltmächte. Jedoch geht die Asienkrise auch an Taiwan nicht spurlos vorbei. Erste Auswirkungen zeigen sich in lauen Börsenkursen. Nach jüngsten Untersuchungen könnte der Aktienmarkt in den kommenden Monaten sogar um fünf bis zehn Prozent einbrechen. Während die anderen Industrienationen ihre Investitionen im Chip-Geschäft reduzieren, verfährt Taiwan nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" und pumpt Gelder in Milliardenhöhe in die Branche. Im April etwa verkündete Taiwan Semiconductor, einer der größten Chip-Hersteller des Landes, daß der Konzern in den kommenden zehn Jahren rund 13 Milliarden Dollar in die Chip-Produktion investieren werde. Marktexperten glauben, daß sich die Asienkrise angesichts des Geldeinsatzes der taiwanischen Halbleiterindustrie im internationalen Vergleich relativiert: Für je 100 Dollar Gewinn will Taiwan 110 Dollar investieren. Während Südkorea nach jüngsten Berechnungen nur 60, Japan nur 22 und die USA gar nur 21 Dollar pro 100 Dollar Profit in die Branche reinvestieren.

Komplett-PC für unter 1.000 Mark kommt

Billigcomputer garantieren der Branche weitere Wachstumsraten - das war die einhellige Aussage der meisten Aussteller. Acer hat in Taiwan bereits letzten Monat einen Komplett-PC für 699 Dollar angekündigt. Weitere Hersteller werden folgen oder den Preis sogar noch unterbieten. "Der Trend des Billig-computers ist nicht mehr aufzuhalten", referiert Paul Lien, Marketing Direktor bei Motherboard-Fabrikant Chaintech Computer Co. Ltd. in Taipeh. "Selbst Intel kann sich gegen diesen Trend nicht wehren", glaubt Lien. Gary Chi, Produktmanager bei Shuttle Inc. in Taipeh, vertraut auf die Stärke der taiwanesischen Industrie: "Wenn jemand die günstigsten PCs produzieren kann, dann ist es Taiwan." Zudem sieht der Shuttle-Mann durch verstärkte Preisaggressivität und den Trend zu immer billigeren Komponenten einen Ausleseprozeß unter den größten taiwanischen Motherboard-Entwicklern kommen: "In den nächsten zwei Jahren werden nur noch die großen, kapitalkräftigen Motherboard-Hersteller überleben."

Grosser Durchbruch von Flachbildschirmen lässt auf sich warten

Zwar erfuhren die neuen LCD-Flachbildschirme innerhalb des letzten halben Jahres massive Preisstürze, trotzdem muß der Endanwender für ein Gerät dieser Kategorie immer noch das Mehrfache eines herkömmlichen Röhrenbildschirmes mit gleicher Größe hinblättern. So fanden die Flat-Displays ihre Käufer bisher nur in speziellen oder prestigeträchtigen Anwendungen. Nachdem die LCD-(Liquid Crystal Display-)Hersteller mit der Befriedigung der Nachfrage von Notebook-Produzenten ganz gut ausgelastet waren, ergibt sich nun aufgrund stagnierender Absätze bei den portablen PCs der Bedarf für neue Absatzmärkte. Was lag da näher, als den riesigen Markt der Desktop-Monitore an die erste Stelle der Tagesordnung zu setzen.

Doch wo liegt die Preisgrenze, um LCD-Bildschirme für den Massenmarkt zu etablieren? Nach einer Marktanalyse von Stanford Resources würden etwa 30 Prozent aller Käufer bei einem im Vergleich zum herkömmlichen Monitor doppelt so hohen Verkaufspreis für einen flachen Bildschirm zur neuen Technik wechseln. Bei einer Preisdifferenz von 50 Prozent wären sogar die Hälfte aller Käufer für die Flachbildschirme zu begeistern. Nach Meinung von Willi Lohrke, Verkaufsmanager Europa bei View Sonic in Willich, wird die Wachablösung noch fünf bis sechs Jahre auf sich warten lassen: "Der Preisunterschied zwischen Flach- und Normalbildschirmen ist einfach noch zu groß." In die gleiche Kerbe haut auch Steven Liu, Präsident bei der ADI Corporation in Taipeh, einem der größten Bildschirmhersteller:

"Wir starten gerade erst mit LCD-Produkten, da sich der Markt momentan in Richtung herkömmlicher 17- und 19-Zoll-Monitore entwickelt. 14-Zöller bauen wir bereits nicht mehr, und 15 Zoll-Geräte werden voraussichtlich Ende 1999 vom Markt verschwinden." Liu glaubt außerdem, daß die Produktionskosten für 17-Zoll-Bildschirme bis etwa 70 Dollar heruntergeschraubt werden können - "bis Flachbildschirme in diese Preisregionen vorstoßen können, werden noch einige Jahre vergehen".

Scanner-Hersteller versuchen sich mit DigitalKameras

"Mit einem Straßenpreis von 49 Dollar für einen 300-dpi-Scanner ist das Ende der Fahnenstange nun erreicht", erklärt Kimberly Wu, Marketing-Managerin bei Scanner-Spezialist Plustek in Taipeh. "Die nächsten zwei Jahre werden für alle Scanner-Hersteller sehr hart", prognostiziert Wu. Als fünftgrößter Hersteller von Einstiegs-Scannern läßt sich für Plustek in diesem Markt kaum noch Geld verdienen. Zwar versucht das Unternehmen, seine Produktlinien auf hochwertigere SCSI- oder USB-Geräte umzustellen, jedoch ist auch dort der Preisverfall innerhalb kürzester Zeit vorgegeben. Um die wegbrechenden Umsätze aufzufangen, stürzen sich, fast wie abgesprochen, gleich mehrere Scanner-Spezialisten auf digitale Fotokameras. So zeigten auf der Computex sowohl Mustek als auch Umax Geräte der neuen Produktlinie. Auch Plustek will mittelfristig in das Geschäft mit den Digitalkameras einsteigen: "Wir verstehen uns als Image-Solution-Provider und wollen in Zukunft Komplettlösungen von der Aufnahme bis zur Bildbearbeitung anbieten", erklärt die Plustek-Frau abschließend.

Grafikkartenhersteller versuchen, Umsatzeinbußen wettzumachen

Mit einem Anteil von rund 40 Prozent beherrscht Taiwan den Weltmarkt für Grafik- und Videokarten. Jedoch mußten die Hersteller 1997 aufgrund verfallender Preise einen wertmäßigen Rückgang verbuchen. Um die Umsätze zu stabilisieren, wenden sich Hersteller, wie Asus, Britek Electronics oder Leadtek Research verstärkt der Entwicklung von High-end-Grafikarten zu. Marktexperten gehen davon aus, daß sich dieser Nischenmarkt mittelfristig zu einem Massenmarkt entwickeln könnte. Unternehmen, wie beispielsweise die Dataexpert Corporation, einer der größten Hersteller von VGA-Grafikkarten, setzen mehr auf den Massenmarkt und wollen mit Niedrigstpreisen bis zum Jahr 2000 zum Weltmarktführer bei Low-end-Grafikboards aufsteigen. Auch erwarten die Hersteller in kürze einen einsetzenden AGP-Boom: "Die Nachfrage für AGP-Grafikkarten wird schnell zunehmen. Langfristig ist mit Grafikboards jedoch kaum noch Geld zu verdienen", prophezeit C.H. Lee, Projektmanager für Multimedia Business bei Asus in Taipeh.

Integration von Grafik und Sound auf Motherboards

Intels neuer "i740"-Grafik-Chip mit 2D- und 3D-Fähigkeit bereitet einigen Grafikkartenherstellern schlaflose Nächte. Auf den ersten Blick sieht man der Entwicklung des amerikanischen Chip-Riesen die Gefahr nicht an, schließlich besteht das Tagesgeschäft der taiwanischen Grafikkartenproduzenten daraus, Chips auf Boards zu pressen. Ob diese von S3, 3DFX oder Intel geliefert werden, ist kaum von Bedeutung.

Kritischer wird die Angelegenheit, betrachtet man den Wunsch Intels, den i740-Chip gleich als integralen Bestandteil der Motherboards aufzunehmen. Falls das passiert, gibt es für den Endanwender kaum noch Gründe, sich eine einzelne Grafikkarte anzuschaffen. Auch die Pläne von ChipHersteller Cyrix dürften den Grafikspezialisten nicht viel besser gefallen. Dort ist man bestrebt, die Grafiktauglichkeit in der neuen CPU "Media GX" einzupflanzen. Simon Wang, Produktmanager bei Britek in Taipeh, geht jedoch davon aus, daß von dieser Problematik "zuerst die Hersteller von Low-end-Grafikkarten betroffen sind".

Nicht viel besser ergeht es den Herstellern von SoundKarten - dort gibt es ähnliche Tendenzen zur Integration des guten Tons direkt auf die Hauptplatine des PCs. Erschwerend kommt hinzu, daß neuartige Technologien im SoundKartenbereich eher selten sind. Schließlich erreichen selbst günstige Systeme bereits CD-Qualität. Und ob die gängige PC-Ausstattung mit einfachen Lautsprecherboxen nun unbedingt 64 Bit statt 32 Bit benötigt, ist ohnehin fraglich. So erhofft sich auch die Sound-Kartenindustrie Absatzerfolge in Nischenmärkten, wie dem Profimusikermarkt, oder von neuen Tonsystemen, wie Dolby Surround und AC-3. Die Hersteller sind gefordert, neue Technologien und Features in ihre Systeme zu integrieren, um ein Bestehen am Markt zu sichern.

Sockel-7-Motherboards werden munter weiterproduziert

Die vor kurzem von Intel gestarteten Pentium II-CPUs und Chip-Sätze haben der taiwanischen Industrie ordentlich Hausaufgaben zur Entwicklung neuer leistungsfähiger Motherboards aufgegeben.

Alle großen Hersteller, wie Asus, Chaintech, Elitegroup, FIC, Gigabyte und Microstar, präsentierten neue Boards mit der Slot-1-Technik, basierend auf den 440BX- und 440EX-Chip-Sätzen von Intel. Die EX-Variante soll vor allem in den kommenden Generation der Low-Cost-PCs Einsatz finden. Sockel-7-Platinen haben aber noch lange nicht das Zeitliche gesegnet.

Beispielsweise präsentierten FIC und Gigabyte auf der Messe ihre neuesten Motherboards für die älteren Sockel-7-CPUs mit 100 Megahertz Front Side Bus. "Die Produktion von Sockel-7-Boards wird voraussichtlich bis Ende 1999 weiterlaufen", so Ben Chen, Marketingmanager bei Gigabyte Technology Co. Ltd. in Taipeh. "Es sind noch so viele Prozessoren für diese Boards im Umlauf, so daß die Nachfrage weiter anhält." (akl)

Computex-Messe in Taipeh: 996 Aussteller warben vom 2. bis 6. Juni um die Gunst von Besuchern und Käufern.

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