Taiwans chinesische Lautschrift behindert Software-Entwicklung

20.07.2000

Größtes Hindernis, gleichzeitig aber auch wichtigste Voraussetzung dafür, dass sich in Taiwan überhaupt so etwas wie ein Binnenmarkt für Software entwickeln konnte, war die Umsetzung von Bits und Bytes in chinesische Zeichen. Dafür wurde in den 70er Jahren auf der Insel ein 7-Bit-Code namens "Big-5" entwickelt, der sich jeweils aus zwei ASCII-Codes zusammensetzt und immerhin fast 14.000 Zeichen bietet. Heute wird er aber mehr und mehr von dem Unicode mit 16 Bit abgelöst, der über 65.000 Zeichen und damit praktisch alle Schriften dieser Welt in einem einzigen Font unterstützt.

Englisch zu erlernen, ist auf der bildungshungrigen chinesischen Insel zwar ungemein populär, jedoch reicht es meist nicht aus, sich darin fließend zu verständigen. Fachkräfte, die nach dem Studium aus Amerika oder Europa zurückkommen, sind rar und teuer. Hinzu kommen häufige orthografische Fehler, was zum Teil daran liegt, dass die Kinder in Taiwan erst relativ spät an lateinische Buchstaben gewöhnt werden. So prangte am Taipeher Flugplatz jedem ausländischen Besucher der Computermesse Computex ein freundliches "Welcome to Computex 2000" entgegen. Selbst mit dem eigenen Lautsystem "Bopomofo" (auf den Tasten oben links, siehe Bild) stehen viele Taiwaner auf Kriegsfuß, weshalb sie es für das Schreiben chinesischer Texte am Computer neu lernen müssen, wenn sie keine der schnelleren, auf Zeichenbestandteilen basierenden Eingabemethoden beherrschen oder über ein Grafiktablett mit OCR verfügen.

Anders in Festlandchina, wo von Telekom-Mitbewerbern, um die teuren Lizenzen zu umgehen, übrigens schon ganze deutsche Telefonbücher praktisch fehlerfrei abgetippt wurden. Denn dort gibt es seit über 40 Jahren eine einheitliche lateinische Umschrift, die es in dem Vielvölkerstaat allen, die keine chinesischen Zeichen lesen können, einfacher macht, sich zurechtzufinden, und für Computeraspiranten die gängigste Eingabemethode ist. Dies erklärt vielleicht auch, warum die Festlandchinesen bei der Software-Entwicklung vielfach weiter sind als ihre Vettern aus Taiwan. Das hat die Regierung in Taipeh nun erkannt und strickt nach deutschem Muster an einer Greencard-Lösung für festlandchinesische Fachkräfte, während die meisten Flüchtlinge aus dem kommunistischen Feindeslager nach wie vor zurückgeschickt werden. (kh)

www.unicode.org

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