Taiwans Industrie will weg vom Image der Billigwerkbank Asiens

03.04.2003
Als Billigwerkbank der Welt hat Taiwan ausgedient. Um Preis- und Margendruck aufzufangen, verlagert sichdie Produktion immer mehr nach China. Gleichzeitig versuchen die Hersteller der Insel, sich weg vomLowend in höherwertigen Produktkategorien zu positionieren.

Eigentlich sind die Chinesen die größten Individualisten auf dieser Erde. Jeder in Taiwan möchte am liebsten sein eigener Boss sein. Doch wenn es hart auf hart kommt, folgen sie doch ihren(Markt-)Gurus. Und die predigen seit Jahren, dass die Rettung aus Preis- und Margenverfall nicht nur in China liegt. Vielmehr sei es für die Hersteller der Insel höchste Eisenbahn, durch Innovation in höherwertige Produktkategorien vorzustoßen und sich ein echtes Markenimage zu schaffen.

"Positioning" heißt das neue Schlagwort. Und das führen die Taiwaner, die als größte ausländische Delegation auf der Cebit so zahlreich erschienen waren, auch ständig im Mund. In Hightech wie Notebooks oder LCDs vorzustoßen ist für viele Hersteller des chinesischen Inselstaats kein Problem. Man denke nur an die OEM-Riesen und die fast nur in Asien als Markenanbieter bekannten Unternehmen Tatung und Sampo, Letzterer durch das Verwirrspiel um die Grundig-Übernahme hierzulande in den vergangenen Monaten vielen erst ein Begriff geworden.

Beide sind als Haushaltsgeräteanbieter groß geworden und haben mit ihrer Dominanz im heimischen Markt bis in die 90er-Jahre hinein Fortschritte im Hinblick auf innovatives Design eher verhindert. Somit erinnert ihre Geschichte an die von National-Panasonic in Japan oder Samsung in Korea. Doch anders als den beiden leuchtenden Beispielen aus den benachbarten Ländern fehlte es den meisten taiwanischen Unternehmen an finanzieller Stärke, um vom IT-Anbieter zum Technologieführer aufzusteigen. Was den meisten Taiwanern vor allem fehlt, ist die nötige Marketing-Power.

Die große Ausnahme ist das Aushängeschild Acer, das sich nach dem Spin-off der Produktionsfirma Wistron und Benq als Peripheriehersteller mit Erfolg im PC- und Notebook-Geschäft fast nur noch auf Marketing konzentriert. Der einzige Anbieter Taiwans, der es mit Acer hätte aufnehmen können, war Anfang der 90er-Jahre Mitac. Allerdings hat sich das Unternehmen nach ersten kleinen Erfolgen in Amerika vom Markengeschäft bald wieder zurückgezogen und sich vornehmlich auf OEM-Produktion verlegt. Nun versucht es der Notebook- und PC-Riese, der unter anderem für Vobis-Yakumo produziert, unter eigenem Namen erneut. Ob es gelingt, wird sich aber erst noch zeigen müssen.

Viele Hersteller Taiwans konnten bisher auch so ganz gut leben und erkennen erst jetzt, dass es ohne Marketing und Support nicht geht. Einen ganz guten Job zu machen scheinen Albatron mit einem Ex-Gigabyte-Anteilhaber als Chef und Epox, beide alsMarkenanbieter relative Späteinsteiger auf dem Motherboard- und Peripheriemarkt, die sich beide von vornherein im Mittelfeld positioniert haben. So auch der festlandchinesische Anbieter Legend QDI, der sich bei Motherboards weltweit unter den ersten Fünf sieht und bei Notebooks, die in Europa derzeit nur in Frankreich und Spanien gut laufen, von vornherein in die A-Klasse eingestiegen ist.

Die Scanner-"Teks" ticken heute anders

Stark unter ihrem Billig-Image zu leiden haben nach wie vor die "Teks" aus dem Scanner-Lager, allen voran Plustek und Mustek. Microtek hingegen hat bereits früh begonnen, diesem Image mit hochwertigeren Lösungen wie Foto- und DMS-Scanner entgegenzuwirken. Die Nase immer ein wenig weiter oben hatte auch das einstige Vorzeigeunternehmen Umax. Wie es mit ihm nach Finanzproblemen, Umfirmierung in Taiwan (seit 1. Januar Voltron), Inhaftierung eines Top-Managers und Rückzug vom Aktienmarkt weitergehen soll, steht allerdings in den Sternen. Nachdem Agfa sich aus dem Consumer-Markt bereits zurückgezogen hat, gab es auf der Cebit - allerdings nicht bestätigte - Gerüchte, dass Epson nachziehen könnte. Derweil gibt es im Lowend aber einen neuen starken Mitspieler, und das ist kein anderer als das Acer-Spin-off Benq.

Während Mustek, Umax und Microtek mehr und mehr in andere Produktgruppen wie Digitalkameras, LCDs und DVD-Player diversifizieren, bleibt Plustek dem Scanner-Markt treu. Als einziges privat geführtes Unternehmen fehlt ihm unter anderem das nötige Kleingeld, sich in andere Technologien einzukaufen. Allerdings ist es dadurch wesentlich besser vor Angriffen seitens der Börse gefeit, wie es bei den Mitbewerbern der Fall ist. Nachdem der Zenit in dem Markt vor drei Jahren bereits überschritten war, hat das Unternehmen erkannt, dass Umsatz und Marktanteile nur um ihrer selbst willen nicht alles sind.

"Worauf es für uns heute ankommt, ist eine solide Basis und Profitabilität", betont Europachef John Wu. Und die erreiche man eben nur durch Innovation und Investitionen in höherwertige Produkte. "Wir verstehen uns heute als A-Brand unter den B-Brands", erklärt Wu. Meilensteine der Entwicklung sind laut Wu 1996 die ersten Flachbettscanner mit EPP-Druckeranschluss sowie die ersten mit One-Touch-Scan-Knopf.

Als aktuelles "Highlight" präsentiert Plustek einen silberglänzenden Begleiter für die Notebook-Tasche, der mit Blatteinzug zum Preis von 179 Euro auch so manche viel teurere Visitenkarten-Scanner ersetzen soll. Mit relativ kleinen Produktionsstätten kann Plustek immer noch auf einen Marktanteil von drei bis fünf Prozent verweisen und zählt nach Aussagen von PR- und Key-Account-Manager Zhang Jin zu den fünf Top-OEM-Herstellern weltweit. Nach dem Rückzug von Agfa und jetzt auch Aldi-Medion-Lieferant Artec aus dem Consumer-Markt habe sich die Konkurrenz mächtig ausgedünnt. Darin sieht Plustek auch eine Chance:"Wer jetzt durchhält, hat Zukunft", meint Zhang.

Ein Dorn im Auge ist ihm, dass Mustek sich seit zwei Jahren strikt weigere, an VG Wort Abgaben zu bezahlen. Jenes Unternehmen streitet die Vorwürfe zwar ab, jedoch soll sich auch das Kartellamt schon mit dem Fall befassen. "Sollte Mustek wegen fehlender Rücklagen aus Deutschland abziehen, dann würde der schwarze Peter an den Fachhandel gehen", befürchtet Zhang.

Wachstumschancen sieht nach dem Rückzug einiger Mitbewerber und den Schwierigkeiten bei Umax auch Microtek. Gleichzeitig soll das Non-Scanner-Business sukzessive erweitert werden. Mit Gerätepreisen zwischen 250 und 5.000 Euro geht das Unternehmen immer mehr in Richtung Midrange-Hersteller und sieht sich qualitativ auf dem besten Weg zum A-Brand. 80 Prozent des Umsatzes in Europa werden laut William Chang, Chef der Europa-Niederlassung in Rotterdam, mit Scannern erwirtschaftet. 20 Prozent macht das Marken- und OEM/ODM-Geschäft mit digitalen Kameras, LCD-Monitoren und LCD-Projektoren aus. Bis Jahresende soll das Verhältnis bei 70 zu 30, in zwei Jahren bei 60 zu 40 liegen.

Als mögliche Erweiterung des Portfolios stellt Chang LCD-Fernseher sowie digitale Wireless- und Sound-Produkte in Aussicht. Anders als viele andere Hersteller hat Microtek auf die vor zwei Jahren beginnende IT-Krise durch drastisches Abspecken reagiert. Seine Befürchtung ist, dass sich viele der über 600 Aussteller aus Taiwan mit dem Cebit-Auftritt übernehmen und im nächsten Jahr vielleicht gar nicht mehr auf dem Markt sein werden. "Wir haben uns 2002 und 2003 auf einen strengen Winter vorbereitet. Da reicht es nicht, sich einen Mantel zu kaufen, da muss man auch seinen Körper stählen", gibt sich Chang ganz philosophisch und fügt hinzu: "2004 ist es wieder an der Zeit zu springen. Doch dafür braucht man nun mal starke Beine."

Taiwans Industrie lebe von der Dynamik der vielen kleineren und mittelständischen Unternehmen. Jedoch hätten nur wenige von ihnen genug Kraft, sich im Alleingang eine internationale Basis zu schaffen. Auch wenn es dem chinesischen Geist widerspricht, kämen viele Firmen langfristig gar nicht darum herum, Bündnisse einzugehen und Ressourcen zu teilen. "Dafür braucht man aber nicht unbedingt Mergers einzugehen", so Chang.

www.albatron.com.tw,

www.acer.com, www.mitac.de,

www.mustek.de, www.plustek.de,

www.microtek.de, www.epox.de,

www.legend.com

ComputerPartner-Meinung

Positionierung in höheren Produktgefilden schön und gut. Nur wenn das, wie es den Eindruck hat, alle machen, dann wird sich der Preis- und Margendruck, unter dem alle zu leiden haben, unweigerlich nach oben verlagern. Es sei denn, die Unternehmen der Insel lösen sich von ihrer OEM-Abhängigkeit und werden nach dem Vorbild Japans endlich technologisch flügge. Doch für echte Innovationen fehlt es den meisten Taiwanern leider an dem nötigen Kapital. (kh)

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